Kult-, Ritual- und Alltagsgegenstände aus dem Leben der Ichenhausen Juden

Von den zahlreichen Gegenständen aus dem Alltag und religiösen Leben der Ichenhausener Jüdinnen und Juden ist nur wenig erhalten. Verschiedenste Objekte, die aus Nachlässen, Sammlungen und Schenkungen stammen, befinden sich heute in der ehemaligen Synagoge Ichenhausen (Dauerausstellung und Archiv). Den bedeutendsten Bestand bildet ein Teil des Nachlasses der Familie Frank. Moritz Frank (1871-1943) führte bis zur Verdrängung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben 1938 in Ichenhausen einen Kolonialwarenladen. Als Mitglied der SPD gehörte er von 1919 bis 1929 auch dem Stadtrat von Ichenhausen an. Sein Bruder Raphael Frank (1867-1920) war Kantor und Lehrer in Simmern, Neuss, Halle und Leipzig. Einige hebräische Bücher aus dem Nachlass gehörten ihm. Salomon Frank (1875-1942), ein jüngerer Bruder, war Lehrer an den jüdischen Schulen in Buttenwiesen und Fischach. Dessen Sohn wiederum, Gerhard Frank (1912-1944), war der letzte Orts- und Bezirksrabbiner von Ichenhausen. 1943 emigrierte er nach Holland, von wo er später nach Auschwitz deportiert und 1944 ermordet wurde. Hebräische Bücher im Nachlass Frank erlauben einen Einblick in tägliches und festtägliches Gebet sowie das Studium der heiligen Schriften in einem streng religiösen jüdischen Haushalt. Aus dem religiösen Leben der Familie sind außerdem ein Sabbatdeckchen, ein Chanukkaleuchter und weiße Kleidung (für den religiösen Gebrauch), eine Hose und zwei Hemden, von denen eines hier gezeigt wird, überliefert. Unter den Alltagsgegenständen befinden sich Fenstervorhänge (um 1900, Jugendstil) und ein Lesezeichen, das entsprechend der Form von Gesetzestafeln gestaltet ist.

Von Bedeutung ist auch der Nachlass von Julie Wachenheimer (geb.1878; 1943 nach Piaski deportiert, verschollen). Ihr gelang es während des Novemberpogroms 1938, persönliche Utensilien der Familie Wachenheimer aus der Synagoge für das Gebet zu retten, darunter Samt-Taschen mit Gebetsmänteln, Samtbeutel mit Gebetsriemen und verschiedene Kappen (zwei schwarze und eine weiße) für alltäglichen und religiösen Gebrauch. Gezeigt wird hier ein brauner Samtbeutel mit Gebetsriemen und eine schwarze Kappe.

Verschiedenste Objekte stammen aus der Sammlung des Ichenhausener Kommunalpolitikers Moritz Schmid (1919-2000), der sich zeitlebens für das jüdische Erbe des Ortes einsetzte. Ihm gelang es, verschiedenste Gegenstände aus dem jüdischen Erbe Ichenhausens zusammenzutragen, darunter eine Misrach-Tafel, die die Gebetsrichtung anzeigt, Jahrzeittafeln (Nachala), die der Erinnerung an die Sterbetage nach der jüdischen Zeitrechnung dienen, die nach dem christlichen Kalender auf wechselnde Tage fielen, sowie verschiedene Deckchen für den religiösen Gebrauch, darunter das hier gezeigte Kidduschdeckchen.

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