KulturErben. Handweben

Beim Handweben geht es um das Herstellen von textilen Geweben an Webrahmen, Flachwebstühlen und anderen nichtmaschinellen Webgeräten in Handarbeit. Dabei hebt oder senkt man in einen Rahmen eingespannte Längsfäden (Kettfäden) und legt in den Zwischenraum einen Querfaden ein (schießen). So entsteht eine rechtwinklig verkreuzte Struktur – anders als beim Flechten, wo man Fäden oder andere Materialien schräg miteinander verschränkt.
Das Handweben gehört zu den frühesten und auf allen Kontinenten verbreiteten Kulturtechniken. Älteste Funde datieren aus der Steinzeit. Im 11. Jahrhundert wurde der Trittwebstuhl erfunden und ermöglichte die schnellere Herstellung auch größerer Stücke. Das sogenannte Schiffchen für den Schussfaden entwickelte sich vom einfachen, fadenumwickelten Holzstab zum Weberschiffchen mit integrierter Spule. Seit dem 18. Jahrhundert kamen schließlich sogenannte Schnellschützen zum Einsatz: Webschiffchen – auch fliegende Schiffchen genannt –, die durch eine spezielle Schussmechanik die Webgeschwindigkeit nahezu verdoppelten.
Nach der ersten Patenterteilung für einen vollmechanischen Webstuhl in England im Jahr 1785 setzte sich dieser ab ca. 1830 in Europa zunehmend durch. Dies führte zu einem Rückgang der Handweberei, verbunden mit einer Verarmung der ehemals in Hausindustrien akti-ven Handwerkerinnen und Handwerker. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es im deutschen Kaiserreich noch etwa 70.000 gewerbliche Handweber. Impulse aus der Kunstgewerbebewegung, dem Werkbund und dem Bauhaus führten ab dem späten 19. Jahrhundert zu einer Neuausrichtung und wieder zu mehr Wertschätzung für das Handwerk. Als "volkstümliche" Äußerung (miss-)verstanden, förderte der Nationalsozialismus das Handweben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wandten sich die verbliebenen sowie neu entstehenden Handwebereien vielfach der künstlerischen Textilgestaltung zu.
Die Handweberei wird heute meist von Kunsthandwerkerinnen und -handwerkern in selbstständigen Betrieben und Werkstätten sowie im Hobby- und Freizeitbereich ausgeführt. Wissensweitergabe und Austausch organisieren die aktiven Laien in eher privaten, losen Strukturen. Professionell wird in Deutschland im Beruf "Textilgestalter im Handwerk, Fachrichtung Weben" ausgebildet. Dessen Nachwuchs bedient sich heute des Handwebstuhles für textile Erzeugnisse wie beispielsweise Schals, Tischtücher, Teppiche oder Stoffe, aber auch für innovative Experimente bis zu Arbeiten für die Haute Couture.
Weitere Informationen in der Landesliste des immateriellen Kulturerbes Bayerns
>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Instituts für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften".