KulturErben. Kirchseeoner Perchtenlauf
Der Kirchseeoner Perchtenlauf ist ein winterlicher Umzugs- und Heischebrauch, bei dem verschiedene maskierte Gestalten durch die Gemeinde ziehen und an mehreren Stationen Tänze, Gesänge und Sprüche vortragen. Die Masken, Kostüme und Requisiten lehnen sich teilweise an ältere Brauchgestalten an, manche sind neu erfunden.
Der Perchtenlauf in Kirchseeon wurde im Winter 1953/54 erstmalig aufgeführt. Initiatoren waren der Kirchseeoner Maschinenschlosser, Bildhauer und Heimatkundler Hans Reupold (1924-2019) in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Trachtenverein, dem damaligen Kreisheimatpfleger Dr. Heinrich Kastner und weiteren Akteuren. Mit Bezug auf fragmentarische ältere Überlieferungen ließen sie sich durch bestehende Perchtenläufe aus Österreich und der Schweiz inspirieren, von den Tresterern im Salzburger Land wurden Tanzfiguren übernommen. Die Bildsprache bereicherten zudem Filme, wie z.B. Luis Trenkers (1892-1990) "Der verlorene Sohn" (1934).
Im Laufe der Jahrzehnte hat sich in Kirchseeon eine eigene Tradition entwickelt, die von den Menschen vor Ort getragen wird. 1963 bekamen die Perchten mit dem "Perschtenbund Soj" (Soj ist eine historische Variante von Kirchseeon, Perschten die lokale Bezeichnung der Figuren) einen eigenen Verein, der die Organisation aller Aktivitäten übernimmt. Frauen sind ab Mitte der 1970er Jahre selbstverständlicher Teil der Maskierten in dem anfangs männlich dominierten Brauch geworden. Die "Perschtenstiftung Kirchseeon" unterstützt seit 1992 die Perchten selbst, aber auch Forschung und Vermittlung. 2021 wurde mit dem "Maskeum" ein eigenes Museum in Kirchseeon eröffnet.
Die Kirchseeoner Perchten sehen sich selbst weniger als Schreck- und Drohgestalten (wie z.B. die Krampusse der Nikolospiele), sondern vielmehr als Glücksbringer. Sie ziehen an bis zu elf Terminen von der Adventszeit bis zur Nacht auf den 6. Januar durch die Gemeinde und besuchen dabei möglichst viele Höfe und Wohnviertel. Der Perchtenzug setzt sich aus mehreren Gruppen von "schönen" und "schiachen", d.h. hässlichen, Läufern zusammen: Es gibt Musiker, "Klaubauf", "Holzmandl" und "Schnadernschlenzer". Diese wandern mit der als "Frau Percht" bezeichneten zentralen Gestalt, die eine doppelseitige Maske trägt (Sonne und Teufel), begleitet durch Getrommel, gestimmtes Kuhglockenspiel und Fackeln, durch die Gemeinde. Der Perchtenverein ist das ganze Jahr über aktiv, da die Tänze geübt, Masken und Gewänder instandgesetzt oder neu geschnitzt und gestaltet werden müssen. Der 1993 errichtete Perchtenbrunnen auf dem Marktplatz erinnert an das winterliche Treiben.
Weitere Informationen in der Landesliste des immateriellen Kulturerbes Bayerns
>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Instituts für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften".