KulturErben. Nördlinger Stabenfest

Im Mittelpunkt des jährlich im Mai über drei Tage stattfindenden Nördlinger Stabenfestes stehen die mehr als 2.000 Schulkinder der Nördlinger Grund- und weiterführenden Schulen (bis einschließlich der siebten Jahrgangsstufe). Sie ziehen festlich gekleidet am "Stabenmontag" in einem Umzug durch die Altstadt zum Markplatz. Dort "huldigen" sie dem Oberbürgermeister und dem Stadtrat mit einem Gedicht und Gesang, wobei sie (geschmückte) Fahnen in den Stadt- und Landesfarben sowie mit Blumen verzierte Staben (Blumenstecken) und "Stabengucken" (mit Süßigkeiten gefüllte Tüten) mit sich führen. Der Umzug endet am Festplatz Kaiserwiese, wo das Fest mit Kinderspielen und -tänzen in einen Familiennachmittag übergeht.
Das Stabenfest lässt sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Die erste Erwähnung eines entsprechenden Schulfestes findet sich im Rechnungsbuch der Stadtkammer, in dem von einem "Rayentag" in Anspielung auf Reigen (Tänze) die Rede ist. In Quellen im Nördlinger Stadtarchiv aus dem 16. Jahrhundert findet sich außerdem die Bezeichnung "in die Ruten gehen", womit eine Art religiöser "Kreuzgang" der Schüler und Lehrer zu verstehen ist und die neben Belegen aus den 1650er Jahren, in denen die Bezeichnung "in die Staben" zum ersten Mal auftaucht, auch auf das Stabenfest hinweist. Der Begriff "Stabentag" ist erstmals 1690 schriftlich belegt und rührt wohl daher, dass die Buben mit Blumen, Grünzeug und Bändern verzierte Stäbe mit sich geführt haben.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich das Stabenfest zu einem Bürgerfest mit Stabenumzug, der seit 1825 nachgewiesen ist. Seit 1925 wird der Umzug von der Knabenkapelle angeführt. Die Nationalsozialisten instrumentalisierten das Stabenfest in den 1930er Jahren für ihre Zwecke, indem sie Hitlerfahnen in den Zug integrierten und die Buben in der Kleidung der Hitlerjugend aufmarschieren ließen. Jüdische Schülerinnen und Schüler wurden ausgeschlossen. Während des Zweiten Weltkriegs fiel das Stabenfest – ebenso wie schon im Ersten Weltkrieg – aus.
Neben den Stabengucken sind mit dem Stabenfest weitere Traditionen wie Stabenlieder, die Stabenwurst oder das Stabenklettern verbunden, bei dem Kinder versuchen, einen glatt gehobelten Baumstamm zu erklimmern, an dessen Spitze Gutscheine und Preise hängen. Die Traditionen werden von Generation zu Generation weitergegeben, dies beginnt schon in den Kindergärten, in denen die Kinder an die Bräuche herangeführt werden. Ebenso werden die Lieder regelmäßig im Unterricht geübt.
Weitere Informationen in der Landesliste des immateriellen Kulturerbes Bayerns
>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Instituts für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften".