KulturErben. Evangelischer Hochzeitszug aus der ehemaligen Grafschaft Wertheim

Der Gesang- und Trachtenverein Glasofen e.V. mit seiner Grafschaftstrachtengruppe "Die Glasf´lder" will durch die öffentliche Inszenierung eines evangelischen Hochzeitszuges aus der ehemaligen Grafschaft Wertheim Wissen über historische Hochzeitstrachten und lokale Hochzeitsbräuche vermitteln sowie die mit ihnen verknüpften Handwerkstechniken bewahren und weitergeben. Die Pflegebemühungen beziehen sich auf Trachten und Bräuche aus der Zeit um 1900.
Die Orte der ehemaligen Grafschaft Wertheim wurden 1806 in das Königreich Bayern eingegliedert und bildeten fortan eine evangelische Enklave inmitten eines katholischen Umfelds. Bei den Feierlichkeiten zu Ehren des 70. Geburtstages des Prinzregenten Luitpold (1821-1912) trat 1891 erstmals ein inszenierter Hochzeitszug aus der Region auf. Für die Feier zur einhundertjährigen Zugehörigkeit Unterfrankens zum Königreich Bayern 1914 wurde der Hochzeitszug erneut inszeniert. In der Zeit des Nationalsozialismus sind wenige Auftritte bekannt, u.a. war 1935 eine Gruppe in Grafschaftstracht bei der Einweihung des Ferdinand-Wiesmann-Hauses in Marktheidenfeld (Sitz der NSDAP-Kreisleitung) anwesend. Die kontinuierliche und systematische Brauch- und Trachtenpflege begann schließlich 1951 durch einen ortsansässigen Lehrer, der eine Trachtengruppe gründete.
Zentrales Element der pflegerischen Tätigkeiten ist die Inszenierung des Hochzeitszuges nach überlieferten Formen, Regeln und Rollen. Das Anlegen und Tragen der Trachten aus der Zeit um 1900 ist mit vielfältigem Wissen und Können bezüglich Herstellung und Pflege der Kleidungsstücke verbunden, die der Verein in Kursen an Interessierte weitergibt. Neben Materialkenntnissen werden dort spezielle Fertigkeiten vermittelt, zu denen das Erstellen von Schnitt- und anderen Mustern und deren Ausführung ebenso gehören wie Anleitungen zum Nähen, Sticken und Häkeln von Kleidungsstücken und Accessoires, darunter die spezielle Flitterkrone für Braut und Brautjungfern. Weitere pflegerische Bemühungen beinhalten Volkstänze, Liedgut, die vor Ort gesprochene Mundart sowie Heischebräuche und andere Bräuche in Verbindung mit dem Hochzeitszug.
Die am Hochzeitszug teilnehmenden Personen sind ihren Rollen entsprechend mit nachgeschneiderten historischen Trachten gekleidet, die teils im Besitz des Vereins, teils in Privatbesitz sind. Zu den Auftritten, die meist vor Ort, aber auch in anderen Regionen oder Ländern stattfinden, sind zudem Trägerinnen und Träger von Trachten eingeladen, an den Aktivitäten des Hochzeitszugs teilzunehmen.
Weitere Informationen in der Landesliste des immateriellen Kulturerbes Bayerns
>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Instituts für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften".