KulturErben. Neustadter Kinderfest

Das Neustadter Kinderfest findet jährlich an einem Samstag im Juli statt und lässt sich in die Traditionslinie der frühneuzeitlichen Gregoriusfeste einordnen. Im Zentrum des von den Neustädtern als "Nationalfeiertag" proklamierten Ereignisses steht ein Umzug der Kinder. Jede Schule wählt dafür ein Leitthema aus und jede Klasse ein Motto dazu, das sie dann im Umzug in Kostümen, mit Basteleien und einem Umzugsschild, begleitet von Festwägen und Blaskapellen, umsetzt. Im Anschluss finden ein Staffellauf und Tänze auf dem Schützenplatz statt. Höhepunkt des Festes ist der Tanz "Neustadter Rutscher", der im 19. Jahrhundert für Kinder adaptiert wurde und von Schülerinnen und Schülern der zweiten und dritten Jahrgangsstufe paarweise getanzt wird. Das bunte Treiben ergänzen Geschicklichkeitsspiele, Fahrgeschäfte und Schießbuden sowie Verköstigungen.
Das Neustadter Kinderfest geht auf ein Gregoriusfest zurück, das zum ersten Mal 1548 im Zusammenhang mit der Aufführung von Schulkomödien erwähnt worden sein soll. Ein erster schriftlicher Nachweis ist im Neustadter Kirchenbuch für das Jahr 1617 zu finden. Zentrales Element des Gregoriusfestes war stets ein Umzug, der von einem durch einen Knaben dargestellten "Schulbischof" angeführt wurde. Zum Brauchgeschehen gehörten auch ein Gottesdienst und der Verzehr von Süßigkeiten und Brezeln.
Im Zuge der Aufklärung verlor sich dieser Brauch in den meisten Orten. Auch in Neustadt ist er letztmals 1740 belegt. Erst mit der Trennung von Kirche und Schule 1874 kam es zu einer Wiederbelebung und Neugestaltung, wobei das Fest seinen kirchlichen Charakter verlor. Der Umzug wurde ohne Schulbischof wiederaufgenommen, 1884 kamen Turnvorführungen der Knaben und Reigentänze der Mädchen hinzu. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Fest ideologisch durchdrungen, indem beispielsweise in die Festreden völkische Vorstellungen einer "Volksgemeinschaft" integriert wurden. Im Umzug führte man Hakenkreuzfahnen mit und 1939 sang man nach den Freiübungen das Deutschlandlied. Der Zweite Weltkrieg führte zu einer Unterbrechung des Festes bis 1946.
In das Fest sind neben der Stadtverwaltung und dem städtischen Bauhof vor allem die Neustadter Schulen stark eingebunden. Jeweils eine Schulleitung übernimmt jährlich wechselnd die Leitung des Kinderfestes, eine andere die Organisation und Moderation des Rutschers, wiederum eine andere die Organisation der Staffeln und Tänze. Die Tänze und der Staffellauf werden während des Schuljahrs im Sportunterricht einstudiert.
Weitere Informationen in der Landesliste des immateriellen Kulturerbes Bayerns
>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Instituts für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften".