Endzeitstimmung um die Jahrtausendwende

Die Bamberger Apokalypse ist das erste Buch seiner Art im fränkisch-deutschen Reich. Es wurde entweder von Heinrich selbst oder noch von Otto III. in Auftrag gegeben. Die Apokalypse enthält zusätzlich zur Offenbarung des Johannes (dem letzten Buch der Bibel) noch ein Evangelistar (Evangelientexte, beschränkt auf die zentralen Feste des Herrn und der Heiligen) sowie ein Bild des Jüngsten Gerichts Gottes. Geschrieben wurde der Codex auf der Bodenseeinsel Reichenau.

In diesem einzigartigen Werk treffen Herrschaftsideologie und Sendungsbewusstsein aufeinander, geprägt von den apokalyptischen Endzeitvorstellungen um die Jahrtausendwende. Um das Jahr 1033 (1000 Jahre nach Christi Tod und Auferstehung) erwartet die Menschheit das Erscheinen des Antichristen zum letzten Kampf - das Weltgericht und die Wiederkehr des Erlösers stehen bevor.

So schreibt der zeitgenössische Bischof und Chronist Thietmar von Merseburg (975/976-1018) warnend: "Niemand läugne voll Unglaubens das Kommen des Jüngsten Tages […]" (Chronik des Thietmar von Merseburg, 8. Buch, 4. Kapitel)

Die Gebote Gottes haben vor diesem Hintergrund eine besondere Bedeutung. So sieht sich Heinrich II. als König "am Ende der Zeiten" (Stefan Weinfurter), als von Gott beauftragter Vollstrecker der christlichen Ordnung. Er soll, gleich Moses, für das Seelenheil seiner Untertanen sorgen und sie auf die letzten Tage der Menschheit vorbereiten.

Beim Eintauchen in die Bamberger Apokalypse wird die spannungsgeladene Atmosphäre der Jahrtausendwende wieder lebendig. Die Darstellungen zeigen in farbig schillernder Dramatik ein Weltbild, in dem eine klare Ordnung von Gut und Böse herrscht. Die Offenbarung des Johannes, der letzte Abschnitt des Neuen Testaments, enthüllt ein Panorama des Schreckens – die sogenannte Apokalypse (griech. "Aufdeckung").

Hier finden Sie eine Auswahl der schönsten apokalyptischen Miniaturen, von der göttlichen Offenbarung bis zum Weltgericht.

"Johannes empfängt von Gott die Offenbarung"
In Kapitel 1 beugt sich Jesus Christus zu Johannes herab, der in die Knie sinkt. Er legt ihm das von Gott gegebene Buch der Offenbarung, die Apokalypse, in die verhüllten Hände. Den Vorderdeckel des Buches zieren sieben runde Scheiben, die sieben Siegel.

Miniatur aus der Bamberger Apokalypse. Reichenau, um 1010, Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Bibl.140, fol.1.

"Das Lamm Gottes auf dem Thron"
In dieser Miniatur geht es um das berühmte Buch mit den sieben Siegeln. Auf einem Thron, der wie eine Mauer gestaltet ist, liegt das siebenfach verschlossene Buch, flankiert von zwei Seraphim-Engeln. Auf dem Buch steht das aus einer Brustwunde blutende Lamm Gottes mit dem Kreuznimbus. Es hat sieben Augen und sieben Hörner. Darunter sehen wir Johannes und einen Engel.

Und so geht es in den nächsten Bildern weiter: Die sieben Apokalyptischen Reiter öffnen die sieben Siegel und entfesseln damit schauderhafte Weltuntergangsszenarien. Krieg, Seuchen und Hungersnöte kommen über die Welt. Auch die bald folgenden sieben Posaunen verheißen nichts Gutes: Hagel, Feuer und Blut fallen auf das Land. Die Meere werden zu Blut und ein Stern fällt auf die Erde.

Miniatur aus der Bamberger Apokalypse. Reichenau, um 1010, Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Bibl.140, fol. 13v.

"Das Blasen der vierten Posaune: Es wird düster!"
Als der vierte Engel seine Posaune bläst, verlieren jeweils ein Drittel der Sonne, des Mondes und der Sterne ihre Leuchtkraft. Rechts oben im Bild sehen wir Johannes bereits im Dunklen stehen.

Miniatur aus der Bamberger Apokalypse. Reichenau, um 1010, Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Bibl.140, fol. 21v.

"Das Blasen der fünften Posaune: Die Heuschrecken kommen!"
Besonders grausig ist die Enthüllung der fünften Posaune. Der Schacht des Abgrunds öffnet sich, Rauch steigt daraus auf, wie aus einem riesigen Ofen, und verfinstert Sonne und Luft. Heraus kriechen geflügelte, pferdeartige Heuschrecken, die sich über die Erde verteilen. Die schaurigen Wesen tragen Plattenpanzer wie Schlachtrosse und goldschimmernde Kronen. Ihre menschlichen Gesichter sind von langen Haaren gerahmt. Sie zeigen scharfe, löwengleiche Zähne und haben Schlangenschwänze.

Miniatur aus der Bamberger Apokalypse. Reichenau, um 1010, Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Bibl.140, fol. 23r.

"Das Blasen der sechsten Posaune: Die Engelsreiter"
Die sechste Posaune befreit die vier Engel, die im großen Strom, dem Euphrat, gefesselt sind. Sie reiten auf Feuer und Schwefel speienden Rossen heran, galoppieren über Leichen und töten den dritten Teil der Menschheit.

Miniatur aus der Bamberger Apokalypse. Reichenau, um 1010,Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Bibl.140, fol. 24r.

"Das Blasen der siebten Posaune: Gott übernimmt die Weltherrschaft"
Als der siebente Engel seine Posaune bläst (im Bild rechts oben), übernimmt Gott die Weltherrschaft. Laute Stimmen ertönen im Himmel. Die vierundzwanzig Ältesten werfen sich in Anbetung Gottes nieder. Über Johannes erscheint der segnende Christus mit offenem Buch in einer Mandorla. Acht bärtige Älteste mit Stufenkronen verehren ihn.

Miniatur aus der Bamberger Apokalypse. Reichenau, um 1010, Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Bibl.140, fol. 28v.

"Die apokalyptische Frau und der Drache"
Der Tempel Gottes im Himmel öffnet sich und die Bundeslade wird sichtbar. Am Himmel erscheint eine Frau (Sonnenfrau, apokalyptisches Weib, Sinnbild der Kirche) in einem reich mit Schmuckbordüren verzierten Purpurgewand, ihre nackten Füße stehen auf einer Mondsichel. Hinter ihrem Kopf erscheint das zwölfzackige Sonnenrad. Die Frau zieht ihren neugeborenen Knaben zu sich heran und schützt ihn vor dem Drachen. In den nachfolgenden Szenen wird der Drache von den Erzengeln bekämpft und die Apokalyptische Frau kann gerettet werden.

Miniatur aus der Bamberger Apokalypse. Reichenau, um 1010, Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Bibl.140, fol. 29v.

"Das Tier aus dem Meer"
Eine riesige Bestie mit zehn Hörnern und sieben Köpfen entsteigt dem Meer. Sie gleicht einem Panther, trägt Bärentatzen und das Maul eines Löwen. Das Hinterteil des Ungetüms scheint aus Schlangen zu bestehen, die sich um seinen Leib winden. Johannes steht rechts hinter einer Wasserflut.

Miniatur aus der Bamberger Apokalypse. Reichenau, um 1010,Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Bibl.140, fol. 32v.

"Die Hure Babylon"
Babylon, die Stadt der Laster und Greuel, steht kurz vor ihrem Untergang. Hier ist sie, als „Hure Babylon“ personifiziert, in prächtiger Kleidung abgebildet. Sie sitzt mit weit ausgebreiteten Armen auf einem scharlachroten, siebenköpfigen Drachen und hält einen goldenen Becher, der mit Unrat gefüllt ist.

Miniatur aus der Bamberger Apokalypse. Reichenau, um 1010,Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Bibl.140, fol. 43r.

"Das Jüngste Gericht"
Schließlich kommt es zum Jüngsten Gericht Gottes, zum Weltgericht, das in der Handschrift auf eindrucksvolle Weise dargestellt ist. Oben mittig thront Jesus Christus als Weltenrichter, in seiner Rechten ein großes Kreuz haltend. Engel und Apostel huldigen ihm. Die Toten stehen aus ihren Gräbern auf. Zwei Engel, Schriftrollen zeigend, verkünden das Urteil über die Guten und Bösen. Letztere müssen mit Höllenqualen rechnen. Rechts unten wartet schon der Teufel mit Ketten.

Miniatur aus der Bamberger Apokalypse. Reichenau, um 1010,Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Bibl.140, fol. 53r.

Perikopenbuch: "Auferweckung der Toten"
Auch im Perikopenbuch (Evangelistar) Heinrichs II. ist eine Darstellung der Auferweckung der Toten zu finden. Heinrich II. ist der Stifter dieser Prachthandschrift. Das bezeugt ein Widmungsgedicht in Goldunzialen auf dem ersten Blatt.

Miniatur aus dem Perikopenbuch. Reichenau, um 1010, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 4452, fol. 201v.


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