Bücherstifter

Heinrich II. war einer der großen Mäzene des Mittelalters. Er gilt als einer der gebildetsten Monarchen seiner Zeit. Seine theologische Ausbildung erhielt er seit seinem 13. Lebensjahr im Regensburger Kloster St. Emmeram, dem damaligen geistigen Zentrum Bayerns. Sein Erzieher, Bischof Wolfgang von Regensburg (972-994), war ein bedeutender Kleriker und Reformer des bayerischen Kirchenwesens.

Im Codex Ratisbonensis zeigt eine Abbildung, wie der junge Heinrich von seinem Vater an Bischof Wolfgang von Regensburg zur Erziehung übergeben wird.

Höhepunkte mittelalterlicher Buchkunst

In einigen Klöstern entstanden produktive Schreibwerkstätten (Skriptorien) mit hohem künstlerischem Anspruch, darunter insbesondere auf der Bodenseeinsel Reichenau, in Echternach, Seeon sowie St. Emmeram in Regensburg.

Die Mönche der Reichenauer Schule statteten zwischen dem 9. und dem 11. Jahrhundert zahlreiche Handschriften mit Buchmalerei aus. Viele dort entstandene Werke gehören heute zu den wertvollsten Originalhandschriften der Welt. Das Evangeliar Ottos III. (Clm 4453), das Perikopenbuch Heinrichs II. (Clm 4452) und die Bamberger Apokalypse (Msc.Bibl.140) sind als Teile der sog. Liuthar-Gruppe dort entstanden und zählen seit 2003 zum Weltdokumentenerbe der UNESCO.

Auftraggeber wertvoller Prachthandschriften waren vor allem weltliche Fürsten und Bischöfe. Sie stellten den Schreibwerkstätten zunächst die kostspieligen Gebrauchsmaterialien (Pergament, Farbpigmente, Gold etc.) zur Verfügung. Nachdem der Schreiber (Scriptor) den Text verfasst hatte, ergänzte der Rubrikator (lat. rubricare, rotfärben) die Hervorhebungen und Initialen. Der Illustrator fügte sodann die farbigen Miniaturen und Illuminationen ein. Liturgische Bücher erhielten oft prächtige Einbände und gelangten als Schenkungen an Kirchen im ganzen ottonischen Reich, wo sie nur zu besonderen Anlässen verwendet wurden.

Das berühmte Bamberger Schreiberbild zeigt den Prozess der Entstehung einer Handschrift - vom Spitzen der Schreibfeder bis zur Anfertigung des Buchdeckels - im Michaelsberger Skriptorium.

Heinrich als Auftraggeber und Sammler

Heinrich II. war ein großer Liebhaber illuminierter Bücher. Zunächst gab er Handschriften im Kloster St. Emmeram (Regensburg) in Auftrag. Nach der Etablierung seiner Herrschaft wählte er dafür die Malerschule des Benediktinerklosters auf der Bodenseeinsel Reichenau, die damals zur führenden Hofwerkstatt aufgestiegen war und die höchsten Maßstäbe der Buchkunst erfüllte.

Bamberger Apokalypse

Die Bamberger Apokalypse zeigt 57 prächtige Miniaturen auf poliertem Goldgrund im Stil byzantinischer Malerei sowie eine Vielzahl dekorativer Initialen, die mit keltischen Knotenmustern und anderen Motiven der Reichenauer Buchmalerei verziert sind. Die einzigartige Handschrift wurde als Auftragswerk angefertigt. Heinrich und Kunigunde schenkten das Buch dem Kollegiatstift St. Stephan in Bamberg, wohl zu dessen Weihe am 24. April 1020. Für die Herstellung des Schmuckbandes stellten Heinrich und Kunigunde laut einer Inschrift zahlreiche Edelsteine zur Verfügung. Darunter befand sich ein Achat, der ehemals den Einband des Prachtwerks zierte (heute verwahrt in der Schatzkammer der Residenz München).

"Der thronende Christus im Himmel und die Ältesten", in: Bamberger Apokalypse, Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Bibl.140, fol. 10v.

Hohelied und Buch Daniel

Dem Reichenauer Skriptorium entstammt ebenfalls das Hohelied und Buch Daniel mit Kommentar (Staatsbibliothek Bamberg Msc.Bibl.22). Die Handschrift war möglicherweise Teil der Bibliothek Kaiser Ottos III. und präsentiert mit dem Traum Nebukadnezars ein seltenes Thema aus dem Leben Daniels. Ähnlich wie in der Bamberger Apokalypse wird das Reich Gottes als Ziel der irdischen Geschichte dargestellt.

Zug der Getauften zum Kreuz, in: Hohelied und Buch Daniel mit Kommentar, Staatsbibliothek Bamberg Msc.Bibl.22, fol. 4v.

Reichenauer Evangeliar

Auch das Reichenauer Evangeliar, eingebunden mit einem der prunkvollsten ottonischen Goldbuchdeckel, gelangte als Geschenk Kaiser Heinrichs II. an den Bamberger Dom. Es illustriert, einmalig in den Werken der Reichenauer Malschule, die Erscheinung der Tierkreiszeichen auf den sechs letzten Kanontafeln.

Reichenauer Evangeliar, Prunkeinband, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 4454

Neben den von ihm beauftragten Werken sammelte der König für seine Stiftungen Bücher überall da, wo er sie bekommen konnte. Sein Sammeleifer ließ ihn auch vor der Plünderung von Bücherbeständen vieler Klöster nicht zurückschrecken. Besonders Regensburg musste zahlreiche 'Opfer' bringen. Daneben fiel ihm ein Großteil der Werke auch als Geschenk bei Staatsakten, als Erbe oder Kriegsbeute zu.

Mit seinem so errungenen Bücherschatz stattete er seine drei neu gegründeten Bamberger Kirchen (Bamberger Dom, St. Stephan und die Abtei St. Michael) sowie die Bamberger Domschule jeweils großzügig aus. Seine Stiftungen erstreckten sich außerdem auch auf andere kirchliche Institutionen wie Basel oder Merseburg.

Bamberg: Stadt der Bücher

Durch Heinrich erhielt das Bistum Bamberg eine eigene Bibliothek. Neben anderen Kunstschätzen stiftete er diesem eine Vielzahl liturgischer Prachthandschriften. Bamberg wurde zur Stadt der Bücher. Die Handschriften haben sich im Bamberger Kirchenschatz erhalten, da sie keine Gebrauchsgegenstände darstellten. Heute verfügt die Staatsbibliothek Bamberg mit 165 Codizes und Handschriftenfragmenten, die nachweislich oder mit großer Wahrscheinlichkeit auf Kaiser Heinrich II. zurückgehen, über die weltweit einzige geschlossen erhaltene kaiserliche Bibliothek des frühen Hochmittelalters, die "Kaiser-Heinrich-Bibliothek Bamberg".

Heinrich als Bücherstifter - Dedikationsbild

Im Bamberger Bücherschatz befindet sich das von Heinrich II. in Auftrag gegebene Evangelistar, das vermutlich vor 1012 in Seeon entstanden ist. Heinrich erscheint als "frommer König Heinrich" (lat. "Heinricus rex pius"), der das Buch der heiligen Gottesmutter Maria überreicht. Das Marienpatronizium (Schutzherrschaft) wurde zu dieser Zeit für fast alle Domkirchen gewählt. Der Codex ist mit kostbarem roten Seidenstoff aus Byzanz bezogen und zählt zu den wertvollsten Preziosen damaliger Klosterwerkstätten.

Dedikationsbild, in: Evangelistar, Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Bibl.95, fol. 7v

Perikopenbuch Heinrichs II.

In den Kunstwerkstätten des Reichenauer Skriptoriums arbeiteten speziell ausgebildete Mönche mit wertvollsten Materialien. Edelsteine waren in der Bibel von besonderer Bedeutung. Im Mittelalter schrieb man ihnen heilbringende Kräfte zu. Für den Einband des Perikopenbuchs, der wichtigsten Handschrift des Bamberger Doms, stellte Heinrich II. eine Sammlung unterschiedlichster Kostbarkeiten zur Verfügung, darunter Elfenbein, Email, Schmucksteine sowie Silber und Gold für die Rückenplatte.

Perikopenbuch Heinrichs II., Prunkeinband, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 4452

Lorscher Arzneibuch

Der Großteil der Sammlung Heinrichs II. bestand aus theologischen und liturgischen Büchern, daneben antike Klassiker und Lehrbücher gemäß den "septem artes liberales", den sieben freien Künsten. Darunter befanden sich u. a. juristische, mathematische, musikalische und medizinische Sammelhandschriften. Ein medizinischer Codex, den Heinrich II. 1007 an das Bistum Bamberg schenkte, ist das Lorscher Arzneibuch. Es entstand gegen Ende des 8. Jahrhunderts in der Benediktinerabtei Lorsch und war für Otto III. bestimmt. Nach dessen Tod ging das Buch in den Besitz Heinrichs II. über. Es enthielt mehr als 750 Rezepturen, darunter auch Stärkungsmittel oder ein Pflaster gegen die Gicht.

Lorscher Arzneibuch, Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Med.1

Cantatorium Heinrichs II.

Aus Seeon stammt das Gebetbuch (Cantatorium) Kaiser Heinrichs II. Heinrich erteilte der um 1000 gegründeten Schreibschule in Kloster Seeon Aufträge zur Erstellung liturgischer Texte und Schreibarbeiten. Das Gebetbuch enthält Messgesänge und wurde 1014 dem Bamberger Dom gestiftet. Der Einband besteht aus Elfenbein.

Cantatorium, Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Lit.7

Zum nächsten Kapitel