Heinrich und Kunigunde: ein heiliges Kaiserpaar?

Heinrich II. und seine Gemahlin Kunigunde von Luxemburg waren beide fromm und hochgebildet. Gemeinsam stifteten sie das Bistum Bamberg und werden bis heute dort als Heilige verehrt.

Die Hochzeit mit Kunigunde von Luxemburg brachte dem Ottonen Heinrich auf den ersten Blick keinen besonders großen machtpolitischen Gewinn. Sieht man allerdings genauer hin, werden vielfältige Beziehungen der beiden Herrscherhäuser deutlich, deren Verbindung ein großes Verwandtschaftsnetz im Westen des Reichs eröffnete.

Die mächtigen Luxemburger, verwandt mit den Karolingern und Ottonen, beherrschten den Moselgau und den Saargau und waren Vögte der einflussreichen benediktinischen Reichsabtei St. Maximin in Trier. Die Abtei pflegte enge Beziehungen zum Kloster St. Emmeram in Regensburg, wo Heinrich mit den Luxemburgern in Berührung gekommen sein dürfte. Diese stellten für ihn wesentliche Verbündete im Westen des Reichs dar.

Kunigunde als Politikerin

Kunigunde genoss in Bayern hohes Ansehen. Sie war nach ihrer Hochzeit sehr vermögend und verfügte bald über großen Einfluss bei den herrschenden Adelshäusern. Rasch entwickelte sie sich zu einer eigenständigen Politikerin, die sich stark für kirchliche Belange einsetzte.

In zahlreichen Akten wird Kunigunde von ihrem Gemahl als Ratgeberin bei Entscheidungen erwähnt. Auf Regierungsgeschäfte übte sie als Vermittlerin einen gewissen Einfluss aus. So intervenierte sie in wichtigen Angelegenheiten und vertrat gelegentlich ihren Gemahl. Mit ihrem Bruder, Herzog Heinrich V. von Bayern, arbeitete sie eng zusammen. Urkundlich bezeugt sind auch ihre zahlreichen Schenkungen an das Bistum Bamberg.

Bei kirchlichen Feierlichkeiten und Staatsakten trat das Königspaar in prächtigen Herrschergewändern auf, die von hoher symbolischer Aussagekraft waren. Im Bamberger Domschatz erhalten geblieben sind die liturgischen Gewänder, die teilweise Kunigunde zugeschrieben werden, darunter die Bamberger Tunika sowie der blaue und weiße Kunigundenmantel. Nach ihrer posthumen Heiligsprechung wurden diese Gewänder zu Reliquien erklärt.

"Gefährtin der Macht"

Heinrich und Kunigunde führten das Reich gemeinsam. Kunigunde füllte ihre Rolle als Gefährtin der Macht (lat. consors regni) wahrlich musterhaft aus. Als Frau an der Seite des Königs war sie Teilhaberin an der Regierung und am Königreich. Als "Arbeitsteam" (Karin Dengler-Schreiber) funktionierten Heinrich und Kunigunde hervorragend. Dies erstaunt insofern aufgrund der überlieferten Ungeduld und Grausamkeit des Herrschers. Kunigunde verfügte offenbar über Klugheit, Empathie und diplomatisches Geschick.

Bei Heinrich lag ein chronisches Leiden vor, das ihn bereits vor seiner Königswahl befallen hatte. Es dürfte sich um eine Nierenerkrankung gehandelt haben, die Koliken auslöste und ihm immer wieder heftige Schmerzen verursachte. Die Forschung vermutet darin den Grund seiner wahrscheinlichen Unfruchtbarkeit. Sowohl seine zeitlebens bestehende Reizbarkeit als auch sein Tod mit 51 Jahren könnten auf diese Krankheit zurückzuführen sein.

Die Kinderlosigkeit muss für das Paar einen schweren Schicksalsschlag bedeutet haben. Ausgerechnet der von Gott berufene König konnte die Linie seiner Dynastie nicht fortführen - der Fortbestand der Ottonen war gefährdet. So wählten Heinrich und Kunigunde schließlich Christus selbst als ihren Erben - Bamberg sollte ihr Andenken sichern. Mit diesem Bistum schuf sich das Herrscherpaar ein "Ersatzkind" (Karin Dengler-Schreiber). Und dieses beschenkten sie reichlich, damit es prächtig gedeihen sollte.

Bei seinen Italien-Zügen sowie den zahlreichen Umritten durch das Reich war Kunigunde so oft wie möglich an der Seite ihres Gemahls. Laut den Quellen müssen die beiden eine gute Ehe geführt haben. In zahlreichen Urkunden bezeichnet Heinrich sie u. a. als "geliebteste Gemahlin" (lat. amantissima coniunx) oder "geliebte Gefährtin" (lat. contubernialis coniunx), was allerdings auch der damals gebräuchlichen Anrede in Urkunden entspricht.

Der Tod Heinrichs II. und Kunigundes

Im Jahr 1020 noch mit dem Sternenmantel als "Zierde Europas" geehrt, wurde Heinrich II. bereits vier Jahre später mit aller Gewalt von seinem chronischen Leiden heimgesucht, mit dem er sein Leben lang gekämpft hatte. Er lag drei Monate in Bamberg darnieder, erholte sich noch einmal und konnte das Osterfest in Magdeburg verbringen. In Goslar wurde er abermals aufs Krankenbett zurückgeworfen und kam beim nächsten Aufbruch nur noch bis zur Königspfalz Grona (Göttingen), wo er am 13. Juli 1024 starb. Kunigunde war bei seinem Tod anwesend und empfing die Herrschaftsinsignien aus seiner Hand.

Der Leichnam des Herrschers wurde nach Bamberg gebracht und, nach seinen eigenen Anordnungen, im Dom beigesetzt. Kunigunde blieb als verwitwete Kaiserin bis zur Königswahl des salischen Konrad II. im September 1024 im Amt. Anschließend übergab sie die Macht und die Reichskleinodien an den Thronfolger.

Kurz nach dem Tod ihres Mannes tätigte sie eine Schenkung für sein Seelenheil und Totengedenken. Zu seiner Erlösung überschrieb sie dem Kloster St. Ulrich und Afra in Augsburg ein Gut in Todtenweis (Landkreis Aichach-Friedberg). Konrad II. (reg. 1024-1039), der erste Salier, bestätigte dieses Geschenk nach Bitte seiner Frau, Kaiserin Gisela (um 990-1043), und seines Sohnes, König Heinrich III. (reg. 1039-1056).

1025 ließ Kunigunde sich zur Nonne weihen. Sie zog sich in das von ihr 1017 an dem Pfalzort Kaufungen gegründete Nonnenkloster zurück, wo sie neun Jahre später, im Alter von 58 Jahren, starb.

Das heilige Kaiserpaar: Kunigundenkult, Legenden, Verehrung

Bald nach Heinrichs Tod setzte seine Verehrung als verstorbener Herrscher, frommer Bistumsgründer und großzügiger Stifter ein. 1146 wurde er durch Papst Eugen III. (1145-1153) heiliggesprochen. Der Kunigundenkult folgte erst über ein halbes Jahrhundert später, nach der Kanonisation der Kaiserin am 29. März 1200. In Bamberg galt sie als mariengleiche und besonders volksnahe Heilige. Sie und ihr Gemahl wurden fortan gemeinsam als heiliges Kaiserpaar verehrt.

Nachdem beide erst getrennt im Bamberger Dom beigesetzt worden waren, folgte dort nach ihren Heiligsprechungen ihre Bestattung in einem gemeinsamen Hochgrab, angefertigt 1499-1513 durch den Bildhauer und Bildschnitzer Tilman Riemenschneider (1460-1531) und seine Werkstatt.

Der marmorne Sarkophag trägt eine Deckplatte mit einem Relief des auf Kissen ruhenden Kaiserpaares. Zu seinen Füßen befinden sich zwei Löwen mit dem bayerischen und dem luxemburgischen Wappen.

Pflugscharenprobe der Kunigunde

Die Seiten des Kaisergrabs sind mit Legenden versehen, die sich im Zuge der Heiligsprechung um Heinrich und Kunigunde bildeten. Eine davon - wohl aufgrund ihrer Kinderlosigkeit - besagt, dass sie freiwillig eine keusche 'Josefsehe' geführt hätten. Ein bezeichnendes Motiv ist hier das sog. "Pflugscharwunder", das auf der südlichen Langseite des Grabmals gezeigt wird: Zum Beweis ihrer Jungfräulichkeit musste Kunigunde angeblich über glühende Pflugscharen schreiten, was sie heil überstand und sich damit von jedem Vorwurf befreite. Entstanden sind die erzählenden Reliefs in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts (Foto: Toni Schneiders, Rechteinhaberin: Ulrike Schneiders (InC.).

Das Pflugscharwunder in der Vita Heinrici II. et Cunigundis

Die im 12./13. Jahrhundert von Adalbertus Bambergensis verfasste Vita des Heinrich und der Kunigunde enthält neben einer Darstellung des Stifterpaars auch eine Miniatur des Pflugscharwunders (ca. 1200).

Vita Heinrici II. et Cunigundis, Staatsbibliothek Bamberg RB.Msc.120, fol. 32v.

Schüsselwunder der Kunigunde

Die volkstümliche Verehrung des heiligen Kaiserpaars erzählt außerdem die Geschichte vom "Schüsselwunder" (auch: "Pfennigwunder"): Kaiserin Kunigunde ließ beim Bau der Stephanskirche jeden Arbeiter selbst seinen Lohn aus einer Schüssel nehmen - auf wundersame Weise erhielt keiner mehr als ihm zustand, da unrechtmäßig entnommene Pfennige glühend heiß wurden (Foto: Toni Schneiders, Rechteinhaberin: Ulrike Schneiders (InC.).

Seelenwägung

Ein Kelch, der in den Himmel führt: Als der strenge Erzengel Michael daranging, die guten und die schlechten Taten Kaiser Heinrichs zu wägen, wurde es für einen kurzen Moment kritisch für den Herrscher. Da erschien der heilige Laurentius und warf noch rasch einen von Heinrich gestifteten Kelch auf die Waagschale der guten Taten, die damit eindeutig überwog. Die Seele des Kaisers war gerettet (Foto: Toni Schneiders, Rechteinhaberin: Ulrike Schneiders (InC.).

Kapelle St. Kunigunde in Burgerroth

im südlichen Teil des Bistums Würzburg wurde Kaiserin Kunigunde besonders verehrt. In Burgerroth entstand zur Stauferzeit um 1230 eine ihr gewidmete Kapelle. Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn ließ sie zu Beginn des 17. Jahrhunderts instand setzen.

Kapelle St. Kunigunde in Burgerroth, Fotografie aus dem Bestand des Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg in bavarikon.

Legendenbildung im Mittelalter

Ebernand von Erfurt verfasste um 1220 die mittelhochdeutsche Versdichtung "Heinrich und Kunegunde", in der das Leben des Kaiserpaares nachgezeichnet wird. Er berichtet von Wundertaten und großzügigen Schenkungen - ein Versuch, die Heiligsprechung des Kaiserpaares zu legitimieren. Die Handschrift wird heute in der Universitätsbibliothek von Princeton (New Jersey) aufbewahrt.

Ebernand von Erfurt: Heinrich und Kunegunde, um 1220/30, hier in einer Übertragung von Reinhold Bechstein, 1860.

Verehrung in der Frühen Neuzeit

Durch die Erfindung des Buchdrucks erfuhr die Verehrung des heiligen Kaiserpaars Heinrich und Kunigunde in der Zeit um 1500 einen enormen Aufschwung. Der Nürnberger Stadtarzt, Humanist und Historiker Hartmann Schedel (1440-1514) lobte 1493 in seiner berühmten Weltchronik das Paar, das sich zu Lebzeiten durch die Stiftung des Bistums Bamberg hervorgetan hatte. Auch posthum habe es im Bamberger Dom in "vil wunderzaichen geschynen" (lat. "post morte[m] in eade[m] basilica summa ac regali. multis miraculis clare[n]t").

Die Staatsbibliothek Bamberg verfolgt in der Ausstellung "Leuchtende Wunderzeichen" die Wirkungsgeschichte des heiliggesprochenen Paars bis ins frühe 20. Jahrhundert.

Hartmann Schedel: Schedelsche Weltchronik, fol. 175r (CLXXVr), Bayerische Staatsbibliothek

Idealisierung im 19. Jahrhundert

In der Rezeption des 19. Jahrhunderts treten die historischen Figuren des Herrscherpaars hinter einer Idealisierung ihrer Heiligenviten zurück. Als Patrone des fränkischen Bistums reicht ihr Einfluss bis in die Gegenwart.

Joseph Alois Geist: Heinrich und Kunigunde oder Sieg der göttlichen Gnade, 1870.

Kunigundenstatue in Osing

Auch heute noch erinnern Denkmäler an die heilige Kaiserin Kunigunde. So schuf der Bildhauer Hellmut Edelhäuser eine hölzerne Kunigundenstatue, die 2019 auf dem höchsten Punkt im östlichen Bereich des Osing errichtet wurde.

Kunigundenstatue des Bildhauers Hellmut Edelhäuser, Fotografie aus dem Bestand des Instituts für Volkskunde der Kommission für Bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in bavarikon.

Zum Schluss

In unserem Themen-Special haben wir versucht, die historische Figur Heinrichs II. auch abseits ihrer späteren Heiligsprechung zu beleuchten. Als "rex Francorum" führte er sein Volk unbeschadet über die Jahrtausendwende und schuf sich, gemeinsam mit seiner Gemahlin Kunigunde, mit dem Bistum Bamberg einen beispiellosen Erinnerungsort.

Noch heute - 1000 Jahre nach seinem Tod - kommen alljährlich die Menschen in Bamberg zur Prozession zusammen, um die Aura des einzigartigen Kaiserpaares zu spüren. Ob die beiden etwas von ihrer späteren Heiligkeit geahnt haben?








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