Jüdisches Schrifttum und Literatur aus Bayerisch-Schwaben
Hebräische Schrift und Sprache – das Fundament des Judentums
Die hebräische Sprache und Schrift bilden die Grundlage der jüdischen Religion. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Hebräisch die Sprache der Tora ist, die als heiligste Schrift der jüdischen Religion gilt. Durch die in ihr enthaltenen Gesetze prägt sie das gesamte jüdische Leben. Neben gedruckten hebräischen Gebetbüchern für Feier- und Werktage, Bibeln, liturgischen Texten und rabbinischer Literatur sowie hebräischen Manuskripten mit Segenssprüchen oder religionsgeschichtlichen Abhandlungen gab es auch zahlreiche Bücher, die zweisprachig, auf Deutsch und Hebräisch, gedruckt wurden.
Überlieferte Texte aus Augsburg und Bayerisch-Schwaben und ihre Verfasser
Aus Augsburg und den ehemaligen Jüdischen Landgemeinden Bayerisch-Schwabens sind sowohl hebräische Druckwerke als auch in jiddischer und deutscher Sprache verfasste Texte überliefert. Diese wurden von der jüdischen Bevölkerung gekauft, gelesen, gesammelt, aber auch geschrieben und gedruckt. Überwiegend gaben Rabbiner und jüdische Lehrer aus Bayerisch-Schwaben verschiedenste Schriften und Druckerzeugnisse heraus. Diese wurden aber auch von Gemeindemitgliedern, wie etwa dem in Buttenwiesen lebenden Blechschmied Max Lamm (1842-1917), Vater des später weltberühmten Antiquars Louis Lamm (1871-1943), verfasst. Max Lamm war unter anderem Herausgeber von "Lamm’s jüdischem und deutschem Wochenkalender".
Seinen Sohn Louis schickte er von Buttenwiesen nach Frankfurt am Main, wo dieser eine Lehre in dem auf Judaica und Hebraica spezialisierten Antiquariat A. J. Hofmann absolvierte. Das spätere Antiquariat und der Verlag, die Louis Lamm zuerst in Berlin und nach seiner Emigration im Jahr 1939 in Amsterdam führte, zählten zu den weltweit bekanntesten und führenden Unternehmen ihrer Art. Darüber hinaus war der Antiquar Louis Lamm auch Verfasser zahlreicher Bücher zur jüdischen Geschichte und den jüdischen Gemeinden in Bayerisch-Schwaben.
Genisa – Aufbewahrungsort unbrauchbar gewordener religiöser Schriften und Ritualobjekte
Nach jüdischen Religionsgesetzen ist es seit jeher verboten, Schriften die den Gottesnamen tragen, wie etwa Tora-Rollen, Handschriften oder Drucke, zu vernichten. Unbrauchbare Tora-Rollen werden daher bis heute auf jüdischen Friedhöfen begraben.
Als Mitte der 1980er-Jahre damit begonnen wurde, Bestandserhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen an ehemaligen Synagogen in Deutschland vorzunehmen, wurden insbesondere im ländlichen süddeutschen Raum vorrangig auf deren Dachböden unbrauchbar gewordene hebräische Schriften, Dokumente und Kultgegenstände entdeckt. Ein Ablageort, an dem Objekte aufbewahrt und gesammelt werden, die für die religiöse Praxis unbrauchbar geworden sind, wird als "Genisa" bezeichnet.
Genisa-Funde enthalten beispielsweise hebräische Handschriften und Drucke wie etwa Gebetbücher, hebräische Buchstabiertafeln, Kalender, Wörterbücher und Zeitungen. Darüber hinaus können sich ausgesonderte Objekte des religiösen Lebens wie Tora-Wimpel, Tora-Mäntel und Gebetsriemen (hebr. Tefillin) in der Genisa befinden. Ein großer Teil der Funde wurde damals außer Landes gebracht und gewinnbringend verkauft.
Zur Überlieferung jüdischen Schrifttums und Literatur aus Bayerisch-Schwaben
Vor allem die Verfolgung und Vernichtung jüdischen Lebens durch das NS-Regime ist verantwortlich dafür, dass aus Bayerisch-Schwaben nur wenig jüdisches Schrifttum und Literatur erhalten ist. Mit den Novemberpogromen 1938 kam es zu einer gravierenden Zäsur für die jüdische Bevölkerung. Zahlreiche Synagogen sowie Geschäfte, Antiquariate und Wohnungen, die sich in jüdischem Besitz befanden, wurden durch die Nationalsozialisten zerstört; religiöse Bücher und Alltagsschriftgut wurden massenhaft vernichtet oder geraubt. Vielfach wurden in der NS-Zeit beschlagnahmte Bibliotheken ehemaliger jüdischer Besitzer zerstört oder Teile ihres Bestandes später versteigert und verkauft.
Oft ist es Zufällen zu verdanken, dass jüdisches Schrifttum aus Bayerisch-Schwaben bis heute erhalten ist. Dieses stammt häufig aus Privatsammlungen von während der NS-Zeit ins Exil geflüchteten Jüdinnen und Juden, die Teile ihres Besitzes mit in die Emigration nahmen. Oftmals übergaben sie oder ihre Nachkommen Nachlässe oder Teile davon als Schenkungen an Museen, Archive, Bibliotheken und Stiftungen.
So vermachten beispielsweise Nachfahren der jüdischen Ichenhausener Familie Frank der Stiftung Synagoge Ichenhausen einen Teilnachlass der Familie von Moritz Frank, darunter auch viele religiöse Bücher. Dieser Nachlass zeigt, welche Literatur in einem streng religiösen Haushalt in Gebrauch war. Schenkungen kamen aber auch von nichtjüdischen Privatpersonen, Heimatforschern und Sammlern, die Zeugnisse jüdischen Lebens gefunden, geerbt oder auf Auktionen erworben haben.
Themen der Ausstellung
In dieser Ausstellung wird anhand ausgewählter Objekte jüdisches Schrifttum und Literatur aus Bayerisch-Schwaben präsentiert. Folgende drei Schwerpunkte ergeben sich aus den überlieferten Objekten: 1. religiöse Bücher und religiöses Schrifttum; 2. Schrifttum aus dem Alltag von Jüdinnen und Juden; 3. Bücher für Kinder sowie Schreibübungen von Kindern aus dem Hebräisch-Unterricht. Im Bereich "religiöse Schriften" sind neun Objekte zu sehen, im Bereich "Alltagsschrifttum" zehn Objekte, zum Thema "jüdisches Schrifttum für Kinder und von Kindern" werden vier Objekte gezeigt.