Braunes Haus, München
Beschreibung
Das klassizistische Palais Barlow in der Münchner Briennerstraße wurde im Mai 1930 von der NSDAP erworben. Der Architekt Paul Ludwig Troost (1878-1934) baute die Stadtvilla zum Bürogebäude um. Es war zwischen 1931 und 1937 die Reichshauptgeschäftsstelle der NSDAP in München und wurde im Volksmund nach der Farbe der Parteiuniformen "Braunes Haus" genannt. Die NSDAP übernahm diese Bezeichnung. Hitler nannte das Gebäude auch "Parteiheim".
Geschäftsstellen der NSDAP in München bis zum Erwerb des "Braunen Hauses"
Die erste Geschäftsstelle der NSDAP wurde 1920 in einem Nebenzimmer des Münchner Sterneckerbräus am Isartor eingerichtet. 1921 zog die Partei in die Räume eines ehemaligen Wirtshauses in der Corneliusstraße 12. Nachdem die Mitgliederzahl von 3.000 zu Beginn des Jahres 1921 auf 55.000 Ende des Jahres 1923 gestiegen war, wuchs auch der Raumbedarf der Geschäftsstelle. Allerdings löste sich dieses Problem zunächst unerwartet, da die NSDAP im November 1923 nach dem Hitlerputsch verboten wurde.
Im Februar 1925 überließ >> (1891–1957), der damalige Leiter des Zentralverlages der NSDAP, Franz Eher Nachfolger, der neu gegründeten NSDAP ein Zimmer in den Räumen des Verlages in der Thierschstraße 15.
Noch im Jahr 1925 übersiedelte das Parteibüro in das Rückgebäude Schellingstraße 50 und nannte sich nun Reichshauptgeschäftsstelle. Die Räume stellte >> (1885–1957), der spätere Leibphotograph >> (1889-1945) und "Reichsbildberichterstatter" der NSDAP, zur Verfügung. Bis 1930 wurde das ganze Hinterhaus in Besitz genommen. Von vier Angestellten 1925 erhöhte sich die Zahl bis 1930 auf 56. Hitler ordnete an, dass neue, größere Räumlichkeiten gesucht werden sollten und traf 1930 die Entscheidung, ein Gebäude zu kaufen.
Die städtebauliche Situation des "Braunen Hauses" in der Maxvorstadt
Bald fand sich ein großes Palais in einem weitläufigen Grundstück in der Maxvorstadt, einem vornehmen Villenviertel mit großen Gartenanlagen an der Brienner Straße zwischen Karolinen- und Königsplatz. Seit Gründung des Viertels ab 1808 stellt diese Straße die Hauptachse des Stadtteils dar. Sie ist bis heute Hauptausfallstraße von der nördlichen Altstadt nach Westen. Nach dem Ersten Weltkrieg begann sich die Sozialstruktur des Viertels zu wandeln. Immer weniger Familien konnten den Unterhalt der großen Häuser finanzieren, so dass mehr und mehr Firmen die Wohngebäude übernahmen.
Der Architekt des Palais und seine Besitzer
Das Palais wurde 1828 von dem königlichen Hofbaurat >> (1781-1853) als Spekulationsobjekt erbaut. Dies war in jenen Jahren in nicht ungewöhnlich, da König >> (1786-1868, reg. 1825-1848) Zuschüsse gewährte, um die Bebauung seiner neu angelegten Prachtstraßen zu fördern. Métivier hatte zwar nicht das Format der damals führenden bayerischen Architekten >> (1784-1864) und >> (1792-1847), war aber dennoch der bevorzugte Architekt des bayerischen Adels, so dass auch Klenze gern auf seine Mitarbeit zurückgriff.
Nach der Fertigstellung wurde das Gebäude nicht gleich verkauft, sondern war zunächst an den Freiherrn >> (1786-1873) vermietet. 1838 erwarb Marchese >> (1795-1872), der Geschäftsträger des Königreiches Sardinien am bayerischen Hof, das Palais. Da Sardinien seit 1861 zum Königreich Italien gehörte, erklärt sich die häufig zu lesende Bemerkung, das "Braune Haus" sei ehemals Sitz der italienischen Botschaft gewesen. Das Palais ging 1866 in den Besitz des Hofphotographen >> (1825-1886) über. 1876 wurde es von dem englischen Großkaufmann >> (1826-1882) erworben, der es an seinen Sohn >> (1869-1928) vererbte. Die Witwe Elisabeth Barlow veräußerte das Anwesen am 26. Mai 1930 an den Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterverein (NSDAV), der als juristische Person anstelle der nicht rechtsfähigen NSDAP auftrat.
Beschreibung und stilistische Einordnung des Gebäudes
Das klassizistische Stadtpalais war durch einen Vorgarten von der Straße abgesetzt und von einem weit in die Tiefe gehenden Gartengelände umgeben. Das dreigeschossige, siebenachsige Gebäude wirkte breit gelagert, da die Stockwerke durch hohe Gesimsbänder voneinander abgetrennt waren. Die beiden äußeren Achsen sprangen als Risalite vor, die Mittelachse mit dem Eingang blieb innerhalb des fünfachsigen Mittelrisalits unbetont, so dass die Fassadengliederung durch Reihung der Achsen gestaltet wurde. Das ungewöhnlich hohe Erdgeschoss wurde von Rundbogenfenstern erhellt, während die Obergeschosse von Rechteckfenstern gegliedert waren. Das Dach war als Walmdach ausgebildet. Leider sind keine Grundrisse des Gebäudes bekannt, aber die Photographien zeigen ein Gebäude mit großem Raumumfang. Die neoklassizistischen Parteibauten am Königsplatz knüpfen an den Stil des Palais an.
Vom Palais Barlow zum "Braunen Haus"
Hitler nannte als Begründung für den auch innerhalb der Partei nicht unumstrittenen Kauf des Palais Barlow, die Bedeutung der Partei müsse durch eine repräsentative Geschäftsstelle erkennbar sein. Ein weiterer – finanzieller – Grund für den Kauf anstelle des Anmietens war, dass die erwartete Wertsteigerung des Gebäudes durch den Umbau dann der Partei zugute käme. Hitler hatte offensichtlich auch den Bau eines Hochhauses erwogen, diesen Gedanken aber verworfen, da er nicht dem Kulturverständnis der Partei entspreche. Der Standort des Hauses und sein Stil spielten bei der Kaufentscheidung eine wichtige Rolle. Hitler sah sich als Kunstmäzen in der Nachfolge Ludwigs I.; die von diesem angelegte Maxvorstadt war für ihn somit die dem Parteizentrum der "Bewegung" angemessenste Lage der Stadt. Das zur Regierungszeit Ludwigs I. entstandene klassizistische Palais sollte ein "Kulturdokument" der NSDAP werden. "Was aber die Bewegung braucht, ist ein Heim, das genauso Tradition werden muss, wie der Sitz der Bewegung" (Adolf Hitler, Reden, Schriften, Anordnungen. Februar 1925 bis Januar 1933. 4. Teil, 2. Teil, hg. u. komm. v. Christian Hartmann, Dok. 4, S. 28).
Zur Finanzierung von Kauf und Umbau des Palais erging an die Parteimitglieder ein Spendenaufruf, zudem wurde eine außerordentliche Mitgliederabgabe mit einem Mindestbeitrag von 2 Reichsmark verfügt. Ferner sollten die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern zu Hitlers öffentlichen Reden verwendet werden. Der Bitte um verzinsliche Darlehen kamen die Großindustriellen >> (1873-1951) und >> (1883-1972) nach.
Der Preis für das Areal betrug laut Kaufvertrag vom 26. Mai 1930 805.864 Goldmark. Den Auftrag zur Umgestaltung in ein Bürogebäude erhielt der Münchner Architekt >> (1878–1934), den Hitler zum "Ersten Baumeister des Führers" erhob. Dieser entwarf die ersten repräsentiven Großprojekte der NSDAP in München, das Parteizentrum der NSDAP am Königsplatz – also die Nachfolgebauten des "Braunen Hauses" – und das "Haus der Deutschen Kunst" an der Prinzregentenstraße. Die deutsche Presse nahm die architektonische Selbstdarstellung der NSDAP nicht wie von dieser erhofft auf, sondern hatte für das "Braune Haus" nur Spott übrig, wovon Schlagzeilen wie "Münchner Palast der Nazi-Bonzen", "Palais Größenwahn" oder "Hitler spielt Bayernkönig" zeugen.
Die Funktionen der Reichsgeschäftsstelle der NSDAP
Im Januar 1931 wurde das Palais Barlow bezogen. Hitler hatte ein detailliertes Bauprogramm erstellt, das bereits die Kernräume benannte, die später die Grundlage für die Raumdisposition des Parteizentrums am Königsplatz bilden sollten. Das Gebäude beherbergte neben den Organisations- und Verwaltungsräumen der Partei auch Kulträume der NS-Bewegung.
Für die zentrale Mitgliederkartei wurde rückseitig eine eigene Halle, die so genannte Kartothek, angebaut. Im Erdgeschoss waren die Räume des Reichsschatzmeisters >> (1875–1947) untergebracht, außerdem das oberste Parteigericht. Im 1. Obergeschoss befanden sich unter anderem die Amtsräume des Stellvertreters Hitlers >> (1894–1987), das Arbeitszimmer Hitlers und das des Reichsgeschäftsführers >> (1899–1945). Im 2. Obergeschoss waren die Kanzlei Hitlers sowie die Reichspressestelle der NSDAP. Im 3. Obergeschoss hatten die Reichsführung SS und das Parteizentralarchiv ihre Räume.
Über dem Haupteingang, dessen Bronzeportal mit Hakenkreuzornamenten geschmückt war, stand die Parteiparole "Deutschland erwache". Das Vestibül des Erdgeschosses, in dem eine Büste >> (1815-1898), "des Gründers des zweiten Reiches", aufgestellt war, diente als Fahnenhalle. Das Vestibül des 1. Obergeschosses, in dem Bronzetafeln mit den Namen der 1923 gefallenen Putschisten aufgehängt waren, wurde als Standartensaal bezeichnet. Daran schloss der so genannte Senatorensaal an, der Versammlungsraum für die Leiter der Partei, dessen Einrichtung Hitler angeblich selbst entworfen hatte. Ein weiterer Versammlungssaal befand sich im 2. Obergeschoss.
Nach Vollendung des Parteizentrums der NSDAP am Königsplatz 1937 diente der "Führerbau" an der Arcisstraße der Repräsentation, die Parteiadministration wurde in den "Verwaltungsbau" verlagert. Das "Braune Haus", die "Wiege der Bewegung", erfüllte nunmehr nur noch museale Zwecke.
1944 wurde das "Braune Haus" zerstört, einige Jahre später die Ruine abgetragen. Auf dem seither unbebauten Gelände wird demnächst das Münchner NS-Dokumentationszentrum errichtet werden.