Gau (NSDAP)

Beschreibung

Seit dem 19. Jahrhundert im deutschen Vereinswesen und bei politischen Verbänden gebräuchlicher Begriff, den die NSDAP als Bezeichnung für ihre regionale Mittelebene übernahm. Die Gaue waren die organisatorische und administrative Ebene zwischen Ortsgruppe bzw. Kreisleitung und Reichsleitung. Sie hatten neben Verwaltungsaufgaben hauptsächlich die Funktion, die Bevölkerung durch Propaganda zu mobilisieren und Wahlkämpfe zu führen und zu koordinieren. Seit 1936 wuchs ihre Bedeutung als territoriale Gliederungseinheit in mehreren Schüben, als ihnen neue, regimespezifische Funktionen zugewiesen wurden. Dieser Funktionszuwachs ging meist auf die persönliche Beauftragung der Gauleiter durch Adolf Hitler zurück. Hatten sich schon vorher überkommene Landesstrukturen und neue Gaueinteilung überlagert, so wurden die Gauleiter und die expandierenden Gauverwaltungen bis Kriegsende zu den entscheidenden regionalen Machtträgern des Regimes.

Die bayerischen Gaue bis zur "Machtergreifung" 1933

Nach der Wiedergründung der NSDAP 1925, nach ihren ersten regionalen Erfolgen in Bayern und dem Ausbau der Parteiorganisation wurde die Frage der regionalen Gliederung zunächst dort virulent. Die ersten Gaue wurden an den lokalen Schwerpunkten der "Bewegung" errichtet, erfolgreiche lokale Agitatoren wurden die ersten Gauleiter: >> (1885-1946) in (offiziell für ganz Franken), >> (1892-1934) in und >> (1895-1944) in der Rheinpfalz. Die Gebiete wurden formal zunächst als "Untergaue" bezeichnet, da Bayern insgesamt bis Ende der 1920er Jahre als Gau >> galt, bis dieser 1930 seinen Führungsanspruch auf das Deutsche Reich ausdehnte. Im Oktober 1928 wurde dann die Gaueinteilung vervollständigt: Neben die lokalen Schwerpunkte der Agitation trat ansatzweise die systematische Einteilung nach Regierungsbezirken.

Diese Einteilung wurde immer überlagert von einem dritten Gliederungselement, nämlich von der persönlichen Herrschaftsbildung lokaler Parteiführer. Herausragende Beispiele sind >> (1890-1944), der Hitler besonders nahe stehende Gauleiter des 1930 gebildeten "Traditionsgaues" München-Oberbayern, und >> (1891-1935), der 1933 erfolgreich seinen Machtbereich vergrößerte und den Gau Bayerische Ostmark aus den drei ehemaligen Regierungsbezirken Niederbayern, Oberpfalz und Oberfranken formte. In diesen beiden Gauen ging bis 1933 eine Reihe von Gauen der frühen Parteigeschichte auf. Die hohe Fluktuation der bayerischen Gauleiter und die wiederholten Teilungen und Fusionen vor 1933 zeigen, wie stark die Amtsträger vom Erfolg und von der unbedingt loyalen Stellung gegenüber Hitler abhängig waren.

Gaueinteilung außerhalb Bayerns

Außerhalb Bayerns orientierte sich die Gaueinteilung ursprünglich aus wahltaktischen Gründen an den Reichstagswahlkreisen, wobei auch hier Ausnahmen möglich waren. Die größeren außerpreußischen Länder bildeten eigene Gaue, also Baden, Württemberg-Hohenzollern (mit dem preußischen Regierungsbezirk Sigmaringen), Thüringen (mit dem preußischen Regierungsbezirk Erfurt), Sachsen, Mecklenburg sowie der Stadtstaat Hamburg. Da hier Landes- und Parteigrenzen weitgehend deckungsgleich waren, kam es in der Regel zu einer stärkeren Integration von Staat und Partei.

In Preußen lehnte sich die Einteilung in der Regel an die Regierungsbezirke an, seltener an die Provinzen. Die kleineren deutschen Länder im Norden Deutschlands waren dabei meist in einen Gauverband mit benachbarten preußischen Regionen integriert (z. B. Hessen-Nassau, Magdeburg-Anhalt, Südhannover-Braunschweig, Weser-Ems mit Oldenburg und Bremen). Viele Gauleiter fungierten als Reichsstatthalter eines oder auch zweier Länder oder als Oberpräsidenten bzw. Regierungspräsidenten in Preußen. Das Nebeneinander der Regierungs- und der Oberpräsidien neben den oft nicht deckungsgleichen Gauen der NSDAP in Preußen und das Weiterbestehen der mit diesen verklammerten Kleinstaaten führten dort jedoch zu einer uneinheitlichen territorialen Organisation und nicht selten zu gauinternen Machtkämpfen und Rivalitäten.

Nur in den später dem Deutschen Reich einverleibten Gebieten konnte die Identität von Staats- und Parteiterritorium sichergestellt werden, da dort die Gauleiter in Personalunion für das Gaugebiet Reichsstatthalter waren und als einheitliche Mittelinstanz fungierten. Als "Reichsgaue" wurden so ab 1939 die sieben ehemals österreichischen Gaue, das Sudetenland, das Wartheland und Danzig-Westpreußen errichtet. Eine Ausweitung dieses Organisationsprinzips auf das "Altreich" fand bis 1945 nicht mehr statt.

Kontinuität der Gaugliederung nach 1933

Die Einteilung Bayerns in sechs Gaue wurde wie im Rest des Reiches nach 1933 nicht mehr grundsätzlich angetastet. Die geplante "Reichsreform", die eine Neugliederung oder Auflösung der Länder gebracht hätte, unterblieb, da Hitler vor strukturellen Reformen ebenso zurückschreckte wie vor der Beschneidung der neu erworbenen Besitzstände lokaler Parteiführer. Auch Bestrebungen Wagners, seinen Gau auf Kosten Schwabens zu vergrößern, scheiterten.

Die territoriale Gliederung der Gaue blieb nach 1933 weitgehend erhalten. Die Gauhauptstadt war nur in drei Fällen auch Sitz der Regierung (, , ). Streicher hielt an Nürnberg fest, ebenso Schemm an , während die Regierung von Ober- und Mittelfranken ihren Sitz in , jene von Niederbayern und Oberpfalz in hatte. Besonders das Gebiet der Bayerischen Ostmark lag quer zu den staatlichen Strukturen, im Zuständigkeitsbereich von zwei Regierungen, von denen eine (Ansbach) exterritorial lag. Hauptstadt des Gaues Rheinpfalz war ebenfalls nicht Speyer, sondern Neustadt an der Weinstraße. 1938 wurden nach dem "Anschluss" Österreichs die Enklaven Jungholz und Mittelberg dem Gau Schwaben unterstellt. Nach der Münchner Konferenz 1938 kam der Böhmerwald zum Gau Bayerische Ostmark, der zudem seit 1939 den südwestlichen Teil des Protektorats Böhmen und Mähren betreute.

Separatismus der "Westmark"

Aus dem Rahmen fiel die schrittweise Erweiterung des Machtbereichs von >> . Mit dessen Ernennung zum Reichskommissar für die Rückgliederung des Saarlandes ging 1935 auch die Ausdehnung seines Parteigaues auf das Saarland einher, zunächst als "Pfalz-Saar", ab 1937 als Gau "Saarpfalz". Seitdem waren die deutlich separatistischen Tendenzen Bürckels offensichtlich. Der bayerischen Landesregierung gelang es immer weniger, ihre Zuständigkeiten in der Rheinpfalz geltend zu machen. Nach der Besetzung von Teilen Frankreichs im Zweiten Weltkrieg und der Ernennung Bürckels zum Chef der Zivilverwaltung in Lothringen (1940) wurde auch dieses de facto annektierte Gebiet seinem Gau zugeschlagen. Auch wenn sich der politische Schwerpunkt schon 1935 verlagert hatte, wurde Saarbrücken erst 1940 auch Hauptstadt des Gaues. Bürckels Einflussgebiet firmierte ab 1941 als Gau "Westmark", für den er auch zum Reichsstatthalter ernannt wurde. Nur der kleinere Teil seines Gaues lag damit noch auf bayerischem Territorium. Die Pfalz gehörte formell noch zum bayerischen Staatsverband, während Bürckel in den beiden anderen Gebieten Staats- und Parteiführung in seiner Person vereinte. Der förmliche Zusammenschluss der drei Verwaltungseinheiten zu einem "Reichsgau" neuen Typs fand jedoch bis Kriegsende nicht mehr statt. Bürckels Nachfolger, >> (geb. 1903), versuchte sich ab 1944 wieder stärker an das Land Bayern anzulehnen.

Regionale Organisation der Gliederungen und angeschlossenen Verbände der NSDAP

Die zahlreichen angeschlossenen Verbände und die Gliederungen der NSDAP verfügten über eine analoge regionale Einteilung, die allerdings in vielen Fällen nicht mit den Gauen deckungsgleich war. Bayern war zum Beispiel unterteilt in vier Gruppen der SA (Bayernwald, Franken, Hochland, Kurpfalz), drei Oberabschnitte der SS (Main, Rhein-Westmark und Süd), sechs Gebiete der Hitler-Jugend (HJ) bzw. Obergaue des Bundes deutscher Mädel (BDM) und sechs Gauwaltungen der Deutschen Arbeitsfront (DAF).

Bayerische Staatsbibliothek