Bayerische Gesandtschaften (19./21. Jahrhundert)

Beschreibung

Seit dem 17. Jahrhundert wurde das Netz der bayerischen Gesandtschaften sukzessive ausgebaut und das Gesandtschaftswesen in der Montgelaszeit professionalisiert. Im 19. Jahrhundert bestanden diplomatische Vertretungen des Königreichs Bayern bei fast allen größeren europäischen und deutschen Staaten. Die Reichsgründung von 1871 bedeutete keinen wesentlichen Einschnitt. Obwohl 1918 die Regierung Eisner versucht hatte, die während des Kriegs geschlossenen Gesandtschaften wieder zu eröffnen, mussten aufgrund der Weimarer Reichsverfassung 1919/20 die bayerischen Auslandsvertretungen aufgehoben werden. Die innerdeutschen Gesandtschaften und die beim Vatikan blieben bis 1933/34 bestehen.

Bayerische Gesandtschaften in der Frühen Neuzeit

Das Kurfürstentum Bayern partizipierte in der Frühen Neuzeit am allgemeinen Aufstieg des Gesandtschaftswesens in Europa. Seit dem 17. Jahrhundert gründeten zunehmend auch die deutschen und italienischen Mittelstaaten dauerhafte und repräsentative Auslandsvertretungen. Endgültig legitimiert durch die Bestimmungen des Westfälischen Friedens 1648, errichtete Bayern ein dichtes Netz von Gesandtschaften an bedeutenden Fürstenhöfen innerhalb wie außerhalb des Reiches sowie beim Immerwährenden Reichstag zu ; entsprechend waren auch in Vertreter auswärtiger Staaten akkreditiert.

Das bayerische Gesandtschaftswesen 1799-1815

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als Bayern in die wechselnden Kriegsallianzen der Napoleonischen Zeit eingebunden war, kam diesem diplomatischen Netz essentielle Bedeutung für den außenpolitischen Erfolg, teils gar für das Fortbestehen des bayerischen Staates zu. Das spiegelt sich nicht zuletzt in der zeitweise intensiv betriebenen Professionalisierung des bayerischen diplomatischen Dienstes in der Ära des Außenministers >> (1759-1838, Amtszeit 1799-1817) mit Ausbildungsprogramm ("Diplomatische Pflanzschule"), staatlichem Examen für den Nachwuchs und einem elitären Anspruch innerhalb der Bürokratie wider.

Gesandtschaften in der Zeit des Deutschen Bundes (1815-1866/71)

Aus der gesicherten Stellung Bayerns nach dem Wiener Kongress (1814/15) und der faktischen Beschränkung des außenpolitischen Radius Bayerns vor allem auf das Gebiet des Deutschen Bundes resultierte keine maßgebliche Reduzierung des bayerischen Gesandtschaftswesens. Wie andere Staaten des Deutschen Bundes nutzte auch Bayern seine Gesandtschaften innerhalb Deutschlands und in ganz Europa für unterschiedliche Belange:

Repräsentation staatlicher SouveränitätKommunikation mit auswärtigen RegierungenGenerierung politisch und gesellschaftlich relevanter Informationen (Gesandtenberichte)Administrative Betreuung bayerischer Staatsbürger im Ausland, dies im Verlauf des 19. Jahrhunderts zunehmend.

Gerade König >> (1786-1868, reg. 1825-1848) erachtete zudem die konkrete Ausgestaltung des gesandtschaftlichen Austauschs mit anderen Fürstenhöfen als Element seines monarchischen Selbstverständnisses. Von großer politischer Relevanz war vor allem die Gesandtschaft beim Deutschen Bund in Frankfurt.

Um jedoch die beträchtlichen Kosten des Gesandtschaftswesens zu reduzieren, ging auch Bayern im Verlauf des 19. Jahrhunderts verstärkt dazu über, Gesandte mehrfach zu akkreditieren. Diese übernahmen dann neben ihrem eigentlichen Posten nominell die Vertretung Bayerns bei einem weiteren, zumeist weniger bedeutenden Staat. Auch die Herabstufung von Vertretungen – statt eines Gesandten leitete dann ein im Rang tiefer stehender Ministerresident oder gar nur ein Geschäftsträger die bayerische Vertretung – war ein Mittel zur Kostensenkung.

Gesandtschaften in der Zeit des Kaiserreichs (1871-1918)

Nach der Reichsgründung 1871 behielten die deutschen Staaten das Gesandtschaftsrecht. Auch Bayern konnte daher auswärtige Vertretungen sowohl innerhalb des neuen Bundesstaats als auch im Ausland aufrechterhalten. Aufgehoben wurden neben einigen wenigen Gesandtschaften die zahlreichen und über alle Kontinente verstreuten bayerischen Auslandskonsulate. Die innerdeutschen Gesandtschaften blieben bestehen.

Während die übrigen deutschen Einzelstaaten – mit Ausnahme Sachsens – in den folgenden Jahrzehnten ihre Vertretungen im Ausland nach und nach aufgaben, unterhielt Bayern noch 1914 diplomatische Vertretungen in Frankreich (auch in Belgien akkreditiert), Österreich-Ungarn, Russland, Italien, beim Heiligen Stuhl sowie in der Schweiz. Diese Posten wurden nicht immer von Gesandten, sondern zum Teil von Ministerresidenten oder Geschäftsträgern versehen.

Nicht zuletzt angesichts der Monopolstellung des Reiches in der deutschen Außenpolitik mit weltweiten diplomatischen Verbindungen wurde der Fortbestand der Auslandsgesandtschaften jedoch in Bayern zunehmend in Frage gestellt. Umso größere Bedeutung kam nun der bayerischen Vertretung in Berlin als politischem Zentrum des Reiches zu. Der dortige Gesandte – von 1877 bis 1918 >> (1843-1925) – war wie seine Kollegen aus den übrigen deutschen Einzelstaaten zwar offiziell in Preußen und nicht beim Deutschen Reich beglaubigt. Tatsächlich nahm er aber die Aufgaben eines bayerischen Vertreters beim Reich wahr und fungierte als stimmführender Bevollmächtigter Bayerns im Bundesrat.

Gesandtschaften in der Zeit der Weimarer Republik (1918-1933) und das Ende des bayerischen Gesandtschaftswesens (1933/34)

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs revitalisierte zunächst vor allem die Regierung Eisner (1918-1919) das bayerische Gesandtschaftswesen und besetzte Auslandsgesandtschaften neu – so die Vertretung in der Schweiz; kurzzeitig war auch in der jungen Tschechoslowakei ein bayerischer Gesandter akkreditiert. Die Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 (Art. 6) standen einer Weiterführung von Gesandtschaften der deutschen Gliedstaaten mit auswärtigen Staaten jedoch entgegen. Noch während langwieriger Verhandlungen mit dem Reich, die erst im Januar 1920 abgeschlossen wurden, beschloss der bayerische Ministerrat am 24. Oktober 1919, die Auslandsgesandtschaften aufzuheben. Die Abwicklung der einzelnen Vertretungen zog sich bis 1920 hin.

Als letzte bayerische Vertretung im Ausland bestand die – nicht von den Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung tangierte – Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl bis zum 20. Juni 1934 fort. Nicht realisiert wurden Pläne der bayerischen Regierung, 1923 die Gesandtschaft in Wien wieder zu beleben. Innerhalb Deutschlands blieb zunächst nur die bayerische Gesandtschaft in Preußen, seit 1920 zugleich Vertretung beim Reich in Berlin, bis 1934 bestehen; der Gesandte war zugleich in Sachsen akkreditiert. 1922-1933 existierte auch wieder eine Gesandtschaft in Stuttgart, die seit 1925 – wie in der Vorkriegszeit – neben Württemberg noch Baden und Hessen betreute.

Die Nationalsozialisten beseitigten 1933/34 die Reste des Gesandtschaftswesens der deutschen Länder. Als letzter bayerischer Gesandter verblieb der seit 1. März 1933 in Berlin amtierende >> (1878-1945) bis zum 31. Oktober 1934 in dieser Funktion. Eine Vertretung Bayerns in Berlin dauerte zwar fort, jedoch ohne gesandtschaftlichen Charakter. Das gleiche gilt für die seit 1949 bestehende Vertretung Bayerns beim Bund sowie für das 1987 eingerichtete Verbindungsbüro in Brüssel, die jetzige Vertretung des Freistaates Bayern bei der Europäischen Union.

Die bayerischen Gesandtschaften nach 1806

SitzStaat/InstitutionZeitraumBemerkungenBernSchweiz1802-1919/20BrüsselBelgien/Niederlande1824-1826; 1847-19141871-1914 von Paris aus betreutHaagNiederlande1715-1826; 1869-1870LondonGroßbritannien1742-1871Unterbrechungen 1804-1814, 1822-1826MadridSpanien1686-1869Unterbrechungen 1701-1726, 1734-1744, 1786-1853; seit 1853 von Paris aus betreutNeapel Königreich beider Sizilien/Königreich Neapel1777-1867Unterbrechungen 1799-1810, 1820-1852. 1852-1867 von Rom aus betreutParisFrankreich1673-1689; 1718-1914/1919Unterbrechung 1813-1815/16; seit 1914 nicht mehr besetztPragTschechoslowakei1918November/Dezember 1918Rom/VatikanHeiliger Stuhl1607-1934Unterbrechung 1798-1803(Sofia)Bulgarien1918Endphase des Ersten Weltkriegs; von Wien aus betreut St. PetersburgRussland1742-1746; 1787-1914/1919Unterbrechung 1812/1813; seit 1914 nicht mehr besetztStockholmSchweden1743-1745; 1860-18731860-1873 von St. Petersburg aus betreutTurin/Florenz/RomSavoyen/Piemont-Sardinien/Italien 1677-1703; 1816-19151851-1860 von Rom aus betreut; Unterbrechung 1860-1865WienKaiser (bis 1806)/Österreich/Österreich-Ungarn1693-1919Mehrere Unterbrechungen, vor allem während kriegerischer AuseinandersetzungenBerlinPreußen/Bundesrat1740-1934Unterbrechungen 1757-1772, 1813-1816DarmstadtHessen (Großherzogtum)1808-19331826-1866, 1871-1919 und 1922/1925-1933 von Stuttgart aus betreut; Unterbrechung 1919-1922/1925DresdenSachsen1760-1919Unterbrechung 1813-1816Frankfurt am MainDeutscher Bund1816-1866Frankfurt am MainFrankfurt (Stadt/Fürstprimas/Großherzogtum/Freie Stadt)1715-1865Im 19. Jh. zumeist vom Gesandten beim Deutschen Bund betreutHamburgHamburg (Stadt)1777-1781; 1827-1847Unterbrechung 1832-1839; 1839-1847 auch für Bremen und Lübeck („Hansestädte“)HannoverHannover (Königreich)1832-1866Unterbrechung 1838-1847KarlsruheBaden1803-19331829-1835 sowie 1887-1933 von Stuttgart aus betreut; 1871-1887 von Bern aus betreut; Unterbrechung 1920-1925KasselWestfalen (Königreich)1808-1813KasselHessen (Kurfürstentum)1818-18661818-1822 sowie 1829-1866 von Frankfurt aus betreut; Unterbrechung 1822-1828StuttgartWürttemberg1804-1933Unterbrechung 1920-1922WiesbadenNassau1808-1816; 1826-1866Seit 1826 von Frankfurt aus betreutWürzburg Würzburg (Großherzogtum)1807-1814Ernestinische Herzogtümer (Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Saalfeld bzw. Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar-Eisenach)1819-1867Von Dresden aus betreut

Bayerische Staatsbibliothek