Deutscher Tag/Deutsche Tage

Beschreibung

Nach Beendigung der nachrevolutionären Kämpfe knüpften Rechtsparteien und Wehrverbände an Formen vaterländischer Festveranstaltungen aus der späten Kaiserzeit an. Die militärische Niederlage von 1918 und ihre revolutionären Folgen wurden als Niedergang empfunden. Auf den sog. Deutschen Tagen sollte deshalb ab 1920 in feierlicher Form das "nationale Bewusstsein" reaktiviert und öffentlich im Rahmen einer rechten Einheitsfront dokumentiert werden.

"Deutsche Tage" als Ausdrucksform rechter Einheitsfronten

Nach der politischen Rechtsverlagerung im Gefolge des Kapp-Putsches bot sich ab 1920 die selbsternannte "Ordnungszelle Bayern" als idealer Aufmarschraum für ein wiedererstarktes, bürgerlich-nationales Lager an. Die neue Veranstaltungsform der "Deutschen Tage", maßgeblich organisiert vom Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund, richtete sich dabei in gleicher Weise gegen die Einschränkungen des Versailler Vertrages wie gegen die als "Erfüllungspolitiker" diffamierten demokratischen Regierungen. Dazu versammelten sich in loser Folge an Wochenenden Parteien und Verbände der antidemokratischen Rechten, um Region für Region auf großen Massenveranstaltungen Flagge zu zeigen. Wortführer waren die bürgerlichen Honoratioren und Verbandsführer des öffentlich zur nationalen Einheitsfront zusammenrückenden Verbändelagers jenseits der etablierten Parteien.

Der Durchbruch der Radikalen: Coburg, 14./15. Oktober 1922

Eine neue Qualität erlangten die "Deutschen Tage" in der sich national aufheizenden Stimmmung 1922/23. Jetzt verlagerten sich auf den Veranstaltungen selbst wie in ihrem öffentlichen Nachwirken die Gewichte zusehens von den rechtskonservativen Veranstaltern hin zu einer aktionsbereiten radikalen Rechten. Beim dritten "Deutschen Tag" in (nach Weimar, 1.-3. Oktober 1920, und Detmold, 14.-17. Oktober 1921, der erste in Bayern) gelang es dem Führer der jungen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei NSDAP, >> (1889-1945), erstmals überregional, durch Zusammenziehen von 650 geschlossen auftretenden Mitgliedern seiner paramilitärischen Sturm-Abteilungen (SA) erfolgreich die Regie zu übernehmen. Gegen die zurückhaltenderen rechtskonservativen Veranstalter eskalierte er den Aufmarsch in der "roten Hochburg" gezielt zu einer von der SA ausgelösten Straßenschlacht. In der späteren Parteilegende wurde der "Zug nach Coburg" zum Durchbruch einer Strategie der gewaltsamen Rückgewinnung deutscher Städte hochstilisiert (Hitler, Mein Kampf, 614-619).

Die Vorbereitung für den "Marsch auf Berlin": Nürnberg, 1./2. September 1923

Ermutigt durch solche Erfolge suchten die radikalen Verbändeführer um Hitler im "Ruhrkampf" seit Januar 1923 die Führung der bayerischen Wehrverbände insgesamt in die Hände zu bekommen. Einen Rückschlag musste ihre "Arbeitsgemeinschaft vaterländischer Kampfverbände" jedoch am 1. Mai 1923 hinnehmen, als sie die jährlichen Aufmärsche der Arbeiterorganisationen zu einer gewaltsamen Machtprobe nunmehr auch in der Landeshauptstadt zu nutzen suchte. Die folgende Schwächephase mit ihren juristischen Nachspielen ließ sich erst wieder überwinden, als das Kabinett Stresemann im Spätsommer den Abbruch des "Ruhrkampfes" einleiten musste.

Bei der größten Sedansfeier der Nachkriegszeit am 1./2. September 1923 in rief der Mentor der aktionsbereiten Verbände, >> (1865-1937), vor der imposanten Kulisse von über 100.000 Teilnehmern offen zur Wiederherstellung des deutschen "Machtgedankens" auf. Hinter den Kulissen gelang es seinem "Trommler" Hitler, mit dem "Deutschen Kampfbund" eine paramilitärische Aktionsfront zu bilden, die sich nach dem Vorbild des faschistischen Italien einen "Marsch auf Berlin" und die Errichtung einer "nationalen Diktatur" zum Ziel setzte.

Nach dem gescheiterten Hitlerputsch vom 8./9. November 1923 wechselten die Nationalsozialisten zu einer Strategie der "legalen" Machtübernahme; die "Deutschen Tage" verloren darin ihre Bedeutung als Heerschauen der Wehrverbände.

"Deutsche Tage" in Bayern 1922/23

Coburg14.-15. Oktober 1922Nürnberg1.-2. September 192316. September 192330. September 192320. Oktober 1923

Bayerische Staatsbibliothek