Goldene Zwanziger Jahre

Beschreibung

Perspektivisch gebundener, erst nach dem Zweiten Weltkrieg etablierter Begriff, der die Zeit der kulturellen und wirtschaftlichen Erfolge in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre umfasst und mit dem seit den 1960er Jahren die als modern und fortschrittlich geltenden Phänomene positiv rezipiert werden (im Amerikanischen "Roaring Twenties"). Eng verbunden ist der Begriff mit moderner Großstadt- und Massenkultur. In Deutschland werden die "Goldenen Zwanziger Jahre" vor allem mit den Entwicklungen in Berlin verbunden. In Bayern und speziell in München lassen sich zwar "moderne" (massen-)kulturelle Phänomene ebenfalls beobachten (z. B. Theater, Film), doch blieb hier die kulturelle Szene stark modernitätskritischen Auffassungen verpflichtet. Der auch dadurch bedingte Abwanderungsprozess von Schriftstellern und Wissenschaftlern nach Berlin führte in München zur "Kunststadtdebatte", die allerdings keinen grundlegenden Wandel herbeiführte. Münchens Kulturleben profilierte sich in den "Goldenen Zwanzigern" daher eher modernitätskritisch-konservativ mit fließendem Übergang zu nationalistisch-völkischen Positionen.

Kultur der Großstadt

Der Begriff "Goldene Zwanziger Jahre" ist ein perspektivisch gebundener Begriff, der die Zeit der kulturellen und wirtschaftlichen Erfolge in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre umfasst. Er beschreibt vor allem ein heterogenes Feld kultureller Neuerungen, ohne ein einheitliches Profil abgeben zu können: Er bezieht sich ebenso auf Veränderungen in der Alltags- und Arbeitskultur wie auf Innovationen in Musik, Kunst, Literatur, Architektur und auf die neuen Massenmedien Radio und Film. Mit ihm verbunden sind Merkmale wie "Kultur der Großstadt", "Angestelltenkultur", "Girl-Kultur" und die veränderte Rolle der Frau, "american way of life", Tanz, Sport, Kino, Technikbegeisterung, Avantgarde und Reformbewegungen sowie – in der Literatur und den Künsten – Darstellungsweisen, die den dokumentarischen Wert der Künste betonen ("Neue Sachlichkeit").

Mit dem Begriff werden vor allem Aspekte der Industrialisierung und Urbanisierung in Metropolen wie Berlin oder Paris erfasst. Diese sind, ausgehend von der wirtschaftlichen Stabilisierung zwischen 1924 und 1929, auf die Entwicklung in anzupassen - der einzigen Großstadt in Bayern, die den Vergleich mit Berlin sucht. In München sind die "Goldenen Zwanziger" nach der Beendigung des "Weißen Terrors" und der Niederschlagung des Hitler-Putsches 1923 anzusetzen und aus einer besonderen, regional ausgeprägten Urbanität heraus zu beschreiben (was im Folgenden nur exemplarisch geschehen kann).

Kulturgeschichtlicher Hintergrund: Von der Jahrhundertwende zur Weimarer Republik

Der süddeutsche Raum wird um 1900 gerne mit dem Deutschland von vor 1870/71 verglichen. Das soziale Leben war von der Industrialisierung nicht in demselben Ausmaß betroffen wie jenes im Norden. Kunstakademie, Bohemekultur, liberale Strömungen und die Entwicklung Münchens zu einem Verlags- und Zeitschriftenzentrum begünstigten die Entfaltung eines vielfältigen kulturellen Lebens. Erster Weltkrieg und Revolution bewirkten eine Polarisierung auch der kulturpolitischen Situation zwischen Linken und Rechten. Gegen die modernen und liberalen Strömungen der Zeit, die vor 1914 unter dem Stichwort "Münchner Moderne" verbucht werden, setzten konservative Intellektuelle auch nach 1918 auf einen Idealismus, der Region und Religion als Alternative zu zeitgenössischen Lebens- und Anschauungsweisen aufzeigen will. Diese Ansichten blieben nicht unwidersprochen, etwa in >> (1894-1967) Selbstcharakterisierung als "Provinzschriftsteller". Das Stichwort "Provinz" wird hier bewusst gegen ein konservatives Verständnis von Regionalität gesetzt; Provinz kann jedoch auch, wie in >> (1901-1974) "Ingolstädter Stücken" (1926 bzw. 1929 in Berlin uraufgeführt), das Gegenteil von Großstadterfahrung meinen.

Zwischen Moderne und drohender Provinzialisierung

Die "Goldenen Zwanziger Jahre" sind in Bayern als Alternative zu bzw. Abgrenzung von Entwicklungen in den Metropolen zu beschreiben. Sie werden von der bürgerlichen Mitte und deren kulturellem Selbstverständnis gestaltet bzw. von den politisch Rechten bedroht.

Bei der Verlagerung der kulturellen "Gewichte" war einerseits ein Generationswechsel wirksam. Zwischen 1918 und 1921 starben u. a. >> (1881-1920), >> (1867-1918), >> (1881-1919), >> (1879-1919) und >> (1867-1921). Andererseits ist die Übersiedlung vieler Künstler von München nach Berlin in der ersten Hälfte der 1920er Jahre als ein - wenn auch anders gelagerter - Grund dafür anzuführen. In die Metropole übersiedelten u. a. >> (1898-1956), >> (1884-1958), Marieluise Fleißer, >> (1901-1938), >> (1878-1934) und >> (1893-1939), später auch >> (1871-1950) (weitere Hinweise bei Prinz, Geschichte Bayerns, 452).

Auch die Universitäten waren von den kulturellen Veränderungen betroffen. >> (1872-1949) warnte 1926 anlässlich der 100-Jahres-Feier der Ludwig-Maximilians-Universität vor "Provinzialismus", womit die Professorenschaft und noch stärker die Studentenschaft gemeint war, die sich aufgrund des Kriegsausgangs radikalisierte. In den 1920er Jahren verließen angesehene Wissenschaftler München, so z. B. der Kunsthistoriker >> (1864-1945) und der Historiker >> (1869-1945), während das konservative Umfeld u. a. durch >> (1882-1964), >> (1869-1946) (zu dessen Assistenten >> [1894-1987] zählte) erstarkte. Vosslers Aussage belegt, wie etwa das Wirken des Theaterwissenschaftlers >> (1878-1960) und anderer namhafter Gelehrter, neben der Sorge um die Provinzialisierung intakte Strukturen bei der kritischen Analyse der Situation.

Staat und Stadt versäumten es aber, der Abstimmung mit den Füßen entschieden genug entgegenzuwirken. München verfügte über zu wenig Mittel, um den Trend in den Norden Deutschlands zu unterbinden. Für Künstler waren neben Berlin auch Kunstzentren wie Hannover interessant. Die verbliebenen Kreise wie derjenige um >> (1867-1944) katholisches "Hochland" oder der George-Kreis entwickelten eigene Vorstellungen von der Moderne, die mit den innovativen Impulsen Weimars nur schwer vereinbar waren. Die Anziehungskraft Münchens blieb dennoch für viele Literaten, Künstler und Intellektuelle aus dem bayerischen Raum ungebrochen. München war auch in den 1920er Jahren ein bedeutendes Buch- und Zeitschriftenzentrum.

Alltagskultur

Für das kulturelle Leben im München der 1920er Jahre kann man annehmen, was [[person::Thomas Mann]] (1875-1955) anlässlich der Rede zur Eröffnung der "Münchner Gesellschaft 1926" am 2. November 1926 geschrieben hat: "Wir leben in einer Zeit, deren verächtliche Fidelität uns zuweilen ein bisschen auf die Nerven geht, einer Zeit von wahrem Jazz-Band-Charakter, deren Helden der Preisboxer und der Kinostar sind und in der Verrohung und Verflachung ungeahnte Orgien feiert: amüsante Orgien, ich gebe es zu, großartige Orgien, ich gebe es auch zu; es wäre wohl philisterlich und kleinbürgerlich, über die neuen Zeiten zu flennen. Aber als spezifisch deutsch […] erscheint mir doch immer noch der Protest gegen die blöden Wunder dieser Zeit".

Massenkulturelle Phänomene prägten zunehmend das Verhalten der Menschen. So sorgten beispielsweise Film und Radio für neue Unterhaltungsformen und Informationsquellen.

Die bisher ausführlichste Studie zur Entfaltung massenkultureller Phänomene und zu ihrer Einbettung in traditionelle Kulturgebiete in den 1920er Jahren liegt zu vor. Schmidt spricht diesbezüglich von der "Provinzmoderne" und betont, dass moderne Kulturmuster jeweils in regionale Rahmenbedingungen eingepasst werden mussten, mitunter bis zur Unkenntlichkeit ersterer.

Ausgehend von den regionalen Besonderheiten und unabhängig von der jeweils aktuellen prozentualen Beteiligung einzelner Parteien an der Regierung ist in München ein kulturkonservativer Ansatz vorhanden, der gegen Ende der 1920er Jahre vor allem durch kulturnationale Haltungen infrage gestellt wurde (vgl. zur begrifflichen Abgrenzung: von Saldern, Massenfreizeitkultur). Die Kaffeehauskultur von vor 1914 wurde durch die Bierkellerkultur konterkariert.

Exemplarisch für den schmalen Grad, auf dem sich die "Goldenen Zwanziger Jahre" in München entfalten konnten, ist die Kulturpolitik des von 1925 bis 1933 amtierenden Oberbürgermeisters >> (BVP, 1881-1963). Sie blieb von konservativen und christlichen Werten geprägt. Man setzte auf "Veredelung" massenkultureller Phänomene, reagierte aber auch mit verschärften Zensurbestimmungen, beispielsweise beim Film. Aufmerksamkeit erhielten populäre moderne Unterhaltungsformen, wenn sie das Bild Münchens für den Tourismus steigern konnten. So wurde beispielsweise bei Sommerveranstaltungen nach 1930 auf Sport gesetzt, lange nachdem z. B. die "Münchner Neuesten Nachrichten" einen eigenen Sportteil eingerichtet hatten. Neue Akzente setzte man in der Kulturpolitik u. a. mit der Eröffnung des Deutschen Museums 1925 und der Lenbachgalerie 1929 oder der Einrichtung des Münchner Dichterpreises, der von Oskar Maria Graf mit angeregt wurde (vgl. Mann, Rede, 17f.) und den 1928 erstmals >> (1878-1956) erhielt.

Kunststadtdebatte und literarisches Leben

Hermann (Kulturpolitik, 343) zufolge sind die Jahre 1924 bis 1929 in München von der Kunststadtdebatte geprägt, die jene von Wolf 1919 aufgezeigten Defizite im Vergleich mit dem München von vor 1914 aufgriff und auf den Vergleich mit Berlin ausweitete. Die Selbstverständigungsprozesse der 1920er Jahre können daher exemplarisch an der Kunststadtdebatte aufgezeigt werden. Thomas Mann, Mitte der 1920er Jahre bereits Repräsentant der liberalen bürgerlichen Mitte, hat die Kunststadtdebatte 1926 wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gehoben, nachdem sie seit 1900 immer wieder aufgeflammt war und nach der gescheiterten Revolution neuen Nährboden erhalten hatte. In "Kampf um München als Kulturzentrum" - einer Veranstaltung am 30. November 1926 in der Münchner Tonhalle - wandte sich Thomas Mann mit anderen Intellektuellen und Politikern gegen "den von der Presse gewarteten Vulgär-Faszismus". Kritisiert wurden auch der Einfluss der "Münchner Neuesten Nachrichten" und deren nationalistischer Duktus auf die Öffentlichkeit. Die Versuche, an Entwicklungen vor 1914 anzuknüpfen und München nicht zur "Wiege der Bewegung" werden zu lassen, wurden öffentlich diskutiert.

Gründungen wie diejenige der "Münchner Gesellschaft 1926" oder vorher der "Argonauten", die 1924 von >> (1892-1955), >> (1898-1962) und >> (1891-1973) initiiert wurden und schnell einen wichtigen Einfluss auf das kulturelle und literarische Leben der Stadt nahmen, versuchten, neue Impulse zu setzen. Eine repräsentative Umfrage unter wichtigen Kulturschaffenden, welche die Zeitschrift "Der Zwiebelfisch" (Heft 1, 1926/27) veranstaltete, offenbarte jedoch spürbare Defizite im kulturellen Leben der Stadt. Die politische Auseinandersetzung mit Thomas Mann in den "Süddeutschen Monatsheften" (1928) zeigte schließlich einen erheblichen Druck der politisch Rechten an.

In der Literatur waren in Bayern noch die Anfänge der "Neuen Sachlichkeit" verbunden, wie die Werke von Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Marieluise Fleißer, Oskar Maria Graf u. a. verdeutlichen. In der Zeit zwischen der Stabilisierung der Währung sowie der Aufhebung des Ausnahmezustandes im Jahr 1925 und dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929 gewannen Nationalisten, konservative Revolutionäre und nationalsozialistische Kräfte an Einfluss. Exemplarisch für diese Tendenzen sind der Salon von >> (1865-1946), in denen >> (1889-1945) der Zugang zur Mittel- und Oberschicht gelang (vgl. Martynkewicz, Salon Deutschland), und der 1928 von >> (1893-1946) gegründete "Kampfbund für deutsche Kultur" (KfdK).

Andererseits entwickelte sich in München eine neue, auch "magischer Realismus" genannte Stilrichtung, die mit den politischen Absichten der "Neuen Sachlichkeit" brach. Aus dem Umkreis der "Argonauten" heraus wurde eine "Neue Klassik" ausgerufen. Sie ist in dem von >> (1897-1985) 1929 herausgegebenen "Münchner Dichterbuch" beispielhaft dokumentiert. Das Buch versammelt Beiträge u. a. von >> (1897-1979), >> (1885-1968), >> (1891-1964), Hans Carossa, >> (1890-1978) und >> (1889-1958). Mehrere Autoren dieses Bandes unterschrieben 1933 das "Gelöbnis treuester Gefolgschaft" für Adolf Hitler - neben >> (1867-1938) >> (1888-1964), >> (1886-1973) und Josef Magnus Wehner. Andere - wie Hanns Johst - waren schon vor 1933 Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP).

Staatliche und private Bühne(n)

Das Theater der 1920er Jahre in München war durch eine Stilpluralität gekennzeichnet, die in ihren modernen Ausprägungen wiederholt Zensurmaßnahmen nach sich zog. Nicht unterschätzt werden darf der Einfluss der NSDAP-Stadträte. Es muss zwischen staatlichen und privaten Bühnen unterschieden werden.

Von 1920 bis zu seinem Tode wachte Dr. >> (1871-1924) als Generalintendant über das Münchner Staatsschauspiel, das sich auf die vier Bühnen des Nationaltheaters, des Prinzregententheaters, des Residenztheaters sowie des Künstlertheaters auf der Theresienhöhe verteilte. Nach dessen Tod übernahm – wieder – >> (1875-1942) die Leitung des Staatsschauspiels, um zu Beginn der 1930er Jahre von >> (1880-1961) beerbt zu werden.

Mit der von Eugen Felber geleiteten "Neuen Bühne" in der Senefelderstraße existierte kurzfristig eine reine Arbeiterbühne, die Oskar Maria Graf als Dramaturg und >> (1888-1954) als Bühnenbildner beschäftigte. Diese musste jedoch bereits 1921, ein Jahr nach Eröffnung, ihren Betrieb einstellen, da sich die Volksbühne weigerte, sie in ihre Besucherorganisation aufzunehmen.

Im Jahre 1919 übernahm >> (1878-1960) bis 1925 die Leitung des Schauspielhauses, der neben den Kammerspielen wichtigsten Privatbühne Münchens. 1926 fusionierten das Schauspielhaus und die Kammerspiele, deren Geschicke seit 1917 von >> (1873-1947) geleitet wurden. Bertolt Brecht, >> (1883-1934), >> (eigentl. Valentin Ludwig Fey, 1882-1948) u. a. beteiligten sich in verschiedensten Funktionen an Aufführungen. Jedoch verschärften sich aufgrund des modernen Spielplans die staatlichen Zensurmaßnahmen, die wirtschaftliche Engpässe sowie künstlerische Konflikte nach sich zogen. Aus Angst vor Restriktionen wurde der Spielplan umgestellt: Statt avantgardistische Stücke aufzuführen, wurde auf beliebte klassische Stoffe zurückgegriffen.

In Hinsicht auf das Theaterleben lässt sich zusammenfassend sagen, dass München zu Unrecht im Schatten der großen Theaterstädte der 1920er Jahre – Berlin und Wien – stand, denn es verfügte über ein höchst abwechslungsreiches, teils exquisites Programm. Vergleichbares ließe sich für Volkssänger wie >> (d. i. Ferdinand Weißheitinger, 1883-1949) annehmen, und auch Varieté und Cabaret lebten zwangsläufig von unterhaltenden und kritischen Impulsen.

Filmstadt München

Der Film konnte sich in Bayern – wie in Deutschland – im Laufe der 1920er Jahre als populäres Massenmedium konsolidieren und etablieren. Pionierarbeit leisteten etwa wichtige Vertreter der filmischen Avantgarde wie >> (1887-1941) (1919-21: "Lichtspiel Opus 1") oder >> (1900-1967) (1924/25: "Münchner Bilderbogen"). Ein anderer Pionier des bayerischen Films war Karl Valentin, der mit >> (eigentlich Elisabeth Wellano, 1892-1960) während der Weimarer Republik zahlreiche Bühnenerfolge feierte, Stumm- und Tonfilme drehte und sich ab 1919 auch an Schallplattenaufnahmen versuchte.

Die bayerische Filmlandschaft hatte ihren Anteil an jenem "goldenen Zeitalter" des deutschen Films. Bereits am 19. November 1919 widmete sich eine komplette Ausgabe des Simplicissimus (Jg. 24, Nr. 34, 19. November 1919) unter der Überschrift "Kino" dem aufstrebenden Medium. Im selben Jahr gründete >> (1882-1967) in München das – noch heute existente – Filmgelände in Geiselgasteig, das 1925 vom "Reichsfilmblatt" als "Los Angeles im Isartal" bezeichnet wurde. In dessen "Glashaus" wurden beispielsweise >> (1899-1980) deutsch-englische Gemeinschaftsproduktionen "The Pleasure Garden" (1925) und "The Mountain Eagle" (1926) gedreht. Am 1. Mai 1920 wurde Ostermayrs Münchner Lichtspielkunst GmbH (MLK) als Reaktion auf die noch während des Ersten Weltkrieges 1917 entstandene Universum Film AG (Ufa) zum "Emelka-Konzern", welcher 1932 als Bavaria Film AG fortbestand. Zur Etablierung des Filmes als Kunstform in Bayern trugen auch die von der Bayerischen Landesfilmbühne unter Vorsitz von Dr. >> (1887-1966) veranstalteten "Film-Festwochen in München" vom 13. Juli bis 23. August 1928 bei. Auf dieser bis dato deutschlandweit einmaligen Veranstaltung wurden "42 Höchstleistungen des europäischen und amerikanischen Filmschaffens" vorgeführt.

Wie golden waren die "Goldenen Zwanziger"?

Die Kultur der "Goldenen Zwanziger Jahre" in München ist ein zaghaftes Pflänzchen, das sich vor allem in den vom bürgerlichen Kunstgeschmack gering geschätzten Bereichen entfaltet hat. Der modernekritische Impetus, der sich nach der Revolution 1918/19 in der Stadt zu verbreitern begann, markiert die Differenz zur Metropole Berlin, dem damaligen Zufluchtsort aller an Innovationen in Literatur, Musik und den Künsten interessierten Beteiligten. Der sich in der Weimarer Zeit ausbildende Typus des Intellektuellen hatte es - so der in Nürnberg geborene >> (1900-1996) - schwer, seinen Kulturbegriff gegen den Zeitgeschmack und - mit fortschreitender Entwicklung - gegen völkische Positionen zu behaupten. Insofern enthält der Begriff der "Goldenen Zwanziger Jahre" für Kesten lediglich ein Element der Hoffnung, ohne dass sie sich hätte realisieren lassen. Die "Goldenen Zwanziger Jahre" sind für ihn ein "Doublé, [...] schwach vergoldet".

Thomas Manns Bekenntnis zur Republik und seine Bereitschaft, daraus Konsequenzen für einen zeitgenössischen Kulturbegriff zu ziehen, mag beispielhaft für Hoffnungen liberaler bürgerlicher Haltungen gewesen sein. Der "Protest der Richard-Wagner-Stadt München" hingegen zeigt, wie wenig Manns Ansatz wichtige Repräsentanten des Bürgertums davon hat überzeugen können. Den "Protest" gegen einen 1933 gehaltenen Vortrag von Thomas Mann über Richard Wagner unterschrieb eine Art "Who's who" der Münchner Kulturszene, u. a. >> (1888-1965), >> (1869-1949) oder >> (1864-1949). Es hieß in den "Münchner Neuesten Nachrichten" Nr. 105 vom 16./17. April 1933: "Herr Mann, der das Unglück erlitten hat, seine früher nationale Gesinnung bei der Errichtung der Republik einzubüßen und mit einer kosmopolitisch-demokratischen Auffassung zu vertauschen, hat daraus nicht die Nutzanwendung einer schamhaften Zurückhaltung gezogen, sondern macht im Ausland als Vertreter des deutschen Geistes von sich reden. [...] Wir lassen uns solche Herabsetzung unseres großen deutschen Musikgenies von keinem Menschen gefallen, ganz sicher nicht von Herrn Thomas Mann, der sich selbst am besten dadurch kritisiert und offenbart hat, dass er die 'Gedanken eines Unpolitischen' nach seiner Bekehrung zum republikanischen System umgearbeitet und an den wichtigsten Stellen in ihr Gegenteil verkehrt hat. Wer sich selbst als dermaßen unzuverlässig in seinen Werken offenbart hat, hat kein Recht auf Kritik wertbeständiger Geistesriesen." Allein schon die Infragestellung des Rechts auf (Selbst-)Kritik zeigt an, dass der liberale Kulturbegriff in den "Goldenen Zwanziger Jahren" Erosionen ausgesetzt gewesen ist.

Bayerische Staatsbibliothek