Oberbürgermeister

Beschreibung

Oberbürgermeister ist der hervorgehobene Titel für die Bürgermeister in den größeren Städten, den in Bayern seit 1907 die Staatsregierung Bürgermeistern der mittleren und größeren Städte verlieh. Die Oberbürgermeister als Verwaltungsleiter der größeren Städte galten vor allem in der Phase der Hochindustrialisierung und Urbanisierung vor 1914 als "Initiativzentren", die den Ausbau der kommunalen Leistungsverwaltung tatkräftig betrieben. In der Weimarer Republik rückten vielfach vormalige Oberbürgermeister in höhere politische Ämter auf Landes- oder Reichsebene. Juristisch festgeschrieben wurde der Titel "Oberbürgermeister" in der für ganz Deutschland geltenden Deutschen Gemeindeordnung von 1935 und in der Bayerischen Gemeindeordnung von 1952.

Oberbürgermeister vor 1914: Titelverleihung als Auszeichnung

Der Titel "Oberbürgermeister" wurde zuerst in Preußen in der Städteordnung des Freiherrn >> (1757-1831) von 1808 als Amtsbezeichnung für die Verwaltungsleiter der großen Städte mit mehr als 10.000 Einwohnern erwähnt und vom preußischen König vergeben.

Die Bayerischen Gemeindeordnungen von 1818 und 1869 kennen den Titel eines Oberbürgermeisters dagegen nicht. Die Bezeichnungen für die Amtsvorstände der Städte lauteten "rechtskundige" oder "Erste" Bürgermeister.

Der Titel "Oberbürgermeister" wurde in Bayern seit Dezember 1907 von Prinzregent >> (1821-1912, reg. 1886-1912) an die Amtsinhaber der mittleren und größeren Städte verliehen. Die Auszeichnung erhielten die Bürgermeister von , , , , Ludwigshafen, , , , und . In und verzögerte sich die Ernennung bis 1908 und 1924, da in beiden Städten der Zustand der Amtsgeschäfte von staatlicher Seite kritisiert wurde.

Die Staatsregierung beurteilte demzufolge mit ihrer Auszeichnungspraxis die Tätigkeit der Bürgermeister. Von einer automatischen Rangerhöhung konnte somit keine Rede sein.

Oberbürgermeister in den bayerischen Gemeindeordnungen in der Weimarer Republik

Das Gesetz über die Selbstverwaltung vom 22. Mai 1919 änderte einige Bestimmungen der weiterhin geltenden Gemeindeordnung von 1869 und führte das Einkammersystem sowie die direkte Volkswahl der Bürgermeister ein. Allerdings wurde die Volkswahl bereits 1924 bei Gemeinden mit mehr als 3.000 Einwohnern wieder abgeschafft.

Die neue Gemeindeordnung von 1927 beseitigte die Volkswahl endgültig und installierte den Stadtrat als Wahlgremium. Eine Bestätigung der Gewählten durch die Aufsichtsbehörde gab es 1919 nicht mehr. Der Titel "Oberbürgermeister" tauchte in der neuen Gemeindeordnung nicht auf; die Amtsinhaber, deren Befugnisse erweitert wurden, hießen "Erste Bürgermeister". Der Titel "Oberbürgermeister" wurde nun von der Staatsregierung an den jeweiligen Ersten Bürgermeister verliehen.

Oberbürgermeister von 1933 bis 1945

Die für ganz Deutschland geltende Deutsche Gemeindeordnung von 1935 führte den Titel "Oberbürgermeister" für die Verwaltungsleiter der Stadtkreise ein (§ 32). Das waren in Bayern im Wesentlichen die kreisunmittelbaren Städte.

Diese Gemeindeordnung brach mit allen bisherigen Prinzipien der Selbstverwaltung und übertrug entsprechend dem nationalsozialistischen Führerprinzip dem ernannten Oberbürgermeister die gesamte Führung der Gemeinde "in voller und ausschließlicher Verantwortung" ohne Kontrolle durch ein gewähltes Organ. Die Gemeindebehörden hießen nun nicht mehr "Der Stadtrat ...", sondern "Der Oberbürgermeister von ...".

Bei der Bestellung der Oberbürgermeister für die kreisunmittelbaren Gemeinden und die Stadtkreise wirkten die Kreisleiter als Beauftragte der NSDAP mit (außer in München und Nürnberg). Die Beauftragten schlugen die Kandidaten vor, die nach Zustimmung der Aufsichtsbehörde von den Gemeinden ernannt wurden. Zwischen den Parteiinstanzen der NSDAP, die alle Ebenen des Staates dominieren wollten, und den Oberbürgermeistern herrschte vielfach ein von Rivalität bestimmtes Spannungsverhältnis, so in München bei Oberbürgermeister >> (1895-1969), der seit Februar 1934 auch Vorsitzender des mit dem Hauptamt für Kommunalpolitik der NSDAP eng verbundenen Deutschen Gemeindetages war. In Nürnberg stand Oberbürgermeister >> (1897-1945) in ausgeprägtem Konflikt mit Gauleiter >> (1885-1946).

Oberbürgermeister nach 1945

Seit der Bayerischen Gemeindeordnung von 1952 tragen die Amtsinhaber in den 25 kreisfreien Städten den Titel "Oberbürgermeister", der seit 1972 auch Amtsbezeichnung für die 24 Großen Kreisstädte ist (Art. 34). Faktisch ist diese Amtsbezeichnung ein rein immaterielles "Bonbon" ohne zusätzliche Rechtswirkung.

Der Oberbürgermeister ist ein Wahlbeamter auf Zeit. Im Rahmen der Wiedereinführung der kommunalen Selbstverwaltung durch die bayerische Verfassung von 1946 und insbesondere die Gemeindeordnung von 1952 wurde die Position des Bürgermeisters/Oberbürgermeisters erheblich verstärkt. Dazu trugen die Volkswahl auf sechs Jahre ebenso bei wie auch seine Kompetenzen. So ist er Vorsitzender des Stadtrates und der Ausschüsse, führt die Stadtratsbeschlüsse aus, ist Chef der Stadtverwaltung und vertritt die Stadt nach außen.

Bekannte Oberbürgermeister in Bayern im 20. Jahrhundert

Einigen Oberbürgermeistern gelang im Laufe des 20. Jahrhunderts bis in unsere unmittelbare Gegenwart ein Aufstieg in höhere politische Ämter. Die Oberbürgermeister im ausgehenden Kaiserreich und in der Weimarer Republik werden auch als "zentrale Elite" angesehen. So finden wir beispielsweise acht Oberbürgermeister in den verschiedenen Reichskabinetten der Weimarer Republik, darunter den ehemaligen Nürnberger Oberbürgermeister >> (1875-1955). Als prominentestes Beispiel für einen Aufstieg sei hier nur an >> (1876-1967) erinnert, der zunächst Oberbürgermeister von Köln (1917-1933) und von 1949 bis 1963 Bundeskanzler war.

Demgegenüber rekrutierte sich das NS-Führungspersonal (Reichsminister, Staatssekretäre, Ministerpräsidenten, Reichsstatthalter) kaum aus dem Kreis der Oberbürgermeister. Ausnahmen waren lediglich >> (1888-1960), seit 1931 Bürgermeister und seit 1933 Oberbürgermeister von , der 1935 Gauleiter in Pommern wurde, sowie >> (1874-1942). Siebert, seit 1919 Bürgermeister von , wurde 1924 zum Oberbürgermeister der Bodenseestadt ernannt. 1931 trat er in die NSDAP ein und wurde damit erster NSDAP-Oberbürgermeister Bayerns. Von 1933 bis zu seinem Tod amtierte er als Ministerpräsident. Er ist gleichzeitig der einzige Bayerische Ministerpräsident des 20. Jahrhunderts, der vor seinem Amtsantritt Oberbürgermeister war.

Betrachtet man die Ausbildungsgänge der Oberbürgermeister Münchens und Nürnbergs, so hatten bzw. haben sie mehrheitlich ein juristisches Studium absolviert. Die übrigen Stadtoberhäupter waren Handwerker, Lehrer oder kaufmännische Angestellte. Vielfach waren sie bereits vorher im kommunalen Dienst aktiv, entweder in der städtischen Verwaltung, als berufsmäßiger Stadtrat, 2. Bürgermeister (z. B. >> [1857-1919], >> [1887-1964] und >> [geb. 1947] in München, >> [1846-1918], >> [1874-1945] und >> [1871-1952] in Nürnberg) oder zumindest ehrenamtlicher Stadtrat.

Die folgende Liste der Amtsinhaber in den beiden größten bayerischen Städten München und Nürnberg soll die Bedeutung vieler Stadtoberhäupter in anderen bayerischen Städten nicht schmälern.

Oberbürgermeister von München

NameLebensdatenParteiAmtszeitKarriere >> 1857-1919Zentrum1907-1919Jurist, rechtskundiger 2. Bürgermeister in München (1888-1893), Erster Bürgermeister von 1893-1906 >> 1881-1963BVP bis 1933, nach 1945 CSU1926-1933, 1945-1948Bäcker/Konditor, Mitglied des Bayerischen Landtages 1911-1918, 1920-1924, 1928-1932, Erster Bürgermeister seit 1925 >> 1895-1969NSDAP1933-1945Kaufmännischer Angestellter, Verwaltungsdienst der Stadt München, 1924-1933 ehrenamtlicher Stadtrat, auch Vorsitzender des Deutschen Gemeindetags >> 1887-1964SPD1948-1960Schreiner, Arbeitsamtsassistent, ehrenamtlicher Stadtrat 1924-1933, 3. bzw. 2. Bürgermeister in München 1945-1948 >> geb. 1926SPD1960-1972Jurist, Rechtsreferatsleiter bei der Stadt München, u. a. Bundesminister für Raumordnung, Städtebau und Bundesbauwesen sowie Bundesminister für Justiz, 1981 Regierender Bürgermeister von Berlin, 1983-1987 SPD-Vorsitzender >> geb. 1928SPD1972-1978, 1984-1993Diplomhandelslehrer, u. a. Mitglied des Bayerischen Landtages 1966-1972 >> geb. 1930CSU1978-1984Studium der Philosophie, Rechts- und Staatswissenschaft, Staatssekretär im Innenministerium, Mitglied des Bayerischen Landtages 1966-1978 >> geb. 1947SPDseit 1993Jurist, 2. Bürgermeister in München 1990-1993, Präsident des Deutschen Städtetags (seit 2005)

Oberbürgermeister von Nürnberg

NameLebensdatenParteiAmtszeitKarriere >> 1846-1918Freisinnige Partei1907-1913Jurist, 1878-1881 rechtskundiger Magistratsrat in Nürnberg, 1881-1892 Erster Bürgermeister in Erlangen, 1892 Erster Bürgermeister in Nürnberg. Er galt als "erfolgreichstes Stadtoberhaupt" in Bayern (Zorn). >> 1875-1955DDP (1919-1927)1914-1919Jurist, Erster Bürgermeister von Regensburg 1911-1914, 1919/1920 Reichsminister für den Wiederaufbau und von 1920-1928 Reichswehrminister >> 1874-1945Fortschrittliche Volkspartei, seit 1919 DDP1920-1933Jurist, Zweiter Bürgermeister von Frankfurt am Main 1913-1920; er galt als "großer Oberbürgermeister der Weimarer Zeit". >> 1897-1945NSDAP1933-1945Drucker, Stadtrat in Nürnberg 1929-1933, seit 1930 Vorsitzender der NSDAP-StadtratsfraktionMartin Treu1871-1952SPD1945Schneider, 1908 Gemeindebevollmächtigter in Nürnberg und 1909-1919 Magistratsrat, 1919-1929 ehrenamtlicher Stadtrat, 1929-1933 berufsmäßiger Stadtrat >> 1877-1957SPD1945-1948Dreher, 1945/46 kommissarisch im Amt als Oberbürgermeister >> 1896-1978SPD1948-1952Jurist, Richterlaufbahn, 1951 Präsidialdirektor und Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags >> 1908-1957SPD1952-1957kaufmännischer Angestellter, Stadtratsassistent, 1946-1952 Stadtrat >> geb. 1919SPD bis 1982, dann parteilos1957-1987Jurist, 1946 stellvertretender Leiter des Wiederaufbauamtes Nürnberg, danach Rechtsrat bzw. Oberrechtsrat, 1955 berufsmäßiger Stadtrat, am Ende seiner Amtszeit 1987 dienstältester Oberbürgermeister in der Bundesrepublik Deutschland >> geb. 1939SPD1987-1996Lehrer >> geb. 1937CSU1996-2002Jurist, Regierungsdirektor >> geb. 1960SPDseit 2002Volkswirt, Stadtkämmerer in Nürnberg von 1996-2002

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