Osthilfe, 1926-1937

Beschreibung

Bündel von Maßnahmen, mit dem seit 1926 die Landwirtschaft vor allem in den östlichen Provinzen Preußens unterstützt wurde. Die Osthilfe kam vorwiegend den Großgrundbesitzern zugute, deren Lobby großen Einfluss auf die Gesetzgebung nahm. Dennoch profitierten auch in bescheidenem Maße die Problemregionen Ostbayerns von der Osthilfe, unter anderem von Mitteln für den Straßenbau.

Gründe für die Förderung der östlichen Reichsgebiete

Bereits 1926 beschlossen die preußische Regierung und die Reichsregierung der ostpreußischen Landwirtschaft, die wegen des "polnischen Korridors" in Schwierigkeiten geraten war, durch kreditpolitische Maßnahmen zu helfen. Insbesondere sollten die verglichen mit dem Reichsdurchschnitt deutlich größeren Landwirtschaftsgüter der Großagrarier in Ostpreußen, Pommern, Brandenburg, Nieder- und Oberschlesien sowie in der Grenzmark Posen-Westpreußen mit Hilfe einer "Allgemeinen Grenzhilfe" Möglichkeiten zu einer leichteren Um- und Entschuldung bekommen. Wegen immer höherer Zinslasten, sinkender Rentabilität und einem Preisverfall bei Roggen und Kartoffeln ab 1927 wurde der Ruf nach Unterstützung der ostdeutschen Landwirtschaft immer lauter.

Die Ostpreußenhilfe von 1928 und 1929

Nach bedeutenden Lobbyaktivitäten wurde 1928 die Förderung der ostpreußischen Landwirtschaft Bestandteil der Agenda mehrerer Regierungen der Weimarer Republik. Die Ostpreußenhilfe von 1928 in Höhe von über 120 Mio. Reichsmark beinhaltete die Senkung von Hauszins- und Grundvermögenssteuern, Frachtkostenerstattungen und Kredithilfen, die mit 80 Mio. Reichsmark quantitativ am wichtigsten waren. Diese Kredite gingen primär an Großbetriebe, selbst wenn diese bereits so überschuldet waren, dass keine Sanierung möglich war.

Die zweite Ostpreußenhilfe im Jahr 1929 in Höhe von 174 Mio. Reichsmark ergänzte das Programm von 1928 und ermöglichte, kurzfristige Forderungen durch Reichsgarantien gegenüber den Gläubigern umzuschulden sowie Neu- und Anliegersiedlungen aktiv zu fördern. Diese Siedlungspolitik enthielt Gedanken einer Bodenreform und war deshalb bei den Junkern und ihren Parteigängern sehr umstritten.

Die Osthilfe unter den Reichskanzlern Müller und Brüning

Die bisherigen Osthilfen verhinderten zwar eine größere Zahl von Konkursen, erreichten aber nicht die grundlegenden Sanierungen der Betriebe. Die Osthilfe des Jahres 1930 im Umfang von rund 300 Mio. Reichsmark stellte erneut massive Kredithilfen für Umschuldungsmaßnahmen in den Vordergrund, ergänzt um eine weitere Förderung der Siedlungspolitik und um eine neue Anordnung für die Durchführung eines Vollstreckungsschutzes. Nun konnten überschuldete Landwirte die Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und die Aufschiebung von Konkurs- und Vergleichsverfahren beantragen. Daneben wurde organisatorisch die Durchführung der Hilfe auf so genannte Landstellen übertragen, was gegen den Willen der Großagrarier den Einfluss der preußischen Regierung stärkte.

Die Maßnahmen des von >> (1876-1959) vorangetriebenen Osthilfegesetzes vom 31. März 1931 ähnelten den bisherigen. Es sollte nun aber der bis 1936 geschätzte Mittelbedarf in Höhe von 850 Mio. Reichsmark stärker für eine Ent- als für eine Umschuldung eingesetzt werden. Auch wurde der Bau von Eisenbahnen und anderen Verkehrsträgern, zum Teil in eigenen Gesetzen, in Verbindung mit Siedlungsmaßnahmen nun weit stärker gefördert als vorher. Jedoch blockierte der Lobbyismus der Großagrarier schon im Vorfeld die in der Gesetzgebung beabsichtigte Erleichterung von Siedlungsmaßnahmen auf zwangsvollstreckten, nicht sanierungsfähigen Betrieben von Großgrundbesitzern.

Osthilfe und Ostbayern

Denkschriften des Niederbayerischen Kreistages belegen bereits 1926 bzw. 1928 die Probleme der Rückständigkeit Ostbayerns, insbesondere im Hinblick auf die Verkehrsinfrastruktur und die Einbindung dieser Region in das Reich. Offenbar erhofften die Interessenvertreter Ostbayerns damit eine Partizipation ihres Kreises am später dann durch die Kabinette Müller und Brüning auch ausgeschütteten finanziellen Füllhorn des Reiches zur wirtschaftlichen Stärkung von Grenzgebieten im Osten. Zeitweilig wurde die "Bayerische Ostmark" (Niederbayern, Oberpfalz, Oberfranken) dann tatsächlich in die ab 1926 anlaufende allgemeine Grenzlandhilfe zur Linderung von einzelnen Missständen im Infrastrukturbereich, z. B. im Straßenbau, einbezogen.

Die Ergebnisse blieben aber äußerst bescheiden, auch aufgrund fehlender reichspolitischer Bedeutung der Kleinbauern in Ostbayern. Dies änderte sich auch nicht, als Ostbayern nun stärker in der Gesetzgebung zur Osthilfe verankert worden war: Bis 1937 wurden im Rahmen der Osthilfeprogramme für fast 80.000 Betriebe Unterstützungsanträge gestellt, davon waren zwar 10.000 aus Bayern und Sachsen, aber mit im Durchschnitt deutlich geringeren Summen als in den preußischen Ostgebieten. Die "ostelbischen Junker" hatten eine weit mächtigere politische Lobby im Reich im Kampf um die Fördermittel, welche in einem "Faß ohne Boden" landen sollten.

In Bayern selbst ließ jedoch der neue nationalsozialistischeMinisterpräsident >> (1874-1942) bereits im September 1933 zusätzlich ein bayerisches Sonderprogramm im Umfang von 60 Millionen Reichsmark zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verkünden. Dieses Programm widmete sich aber weniger einer allgemeinen Förderung der Landwirtschaft, sondern hatte die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Industrieansiedlungen und die Ausbeutung von Rohstoffen zum Ziel. Im Kompetenz-Wirrwarr des NS-Staates und ab 1936 unter der Ägide des Vierjahresplans verliefen diese "bayerischen" Maßnahmen aber weitgehend erfolglos im Sande.

Bayerische Staatsbibliothek