Landeskommissar für die Entwaffnung der Zivilbevölkerung, 1920/21

Beschreibung

Offiziell eingesetzt am 11. September 1920, um die Entwaffnung der bürgerlichen Selbstschutzorganisationen in Bayern auf Druck der Alliierten durchzuführen, erfüllte Landeskommissar Eduard Nortz (1868-1939) während seiner Tätigkeit bis zum 30. Juni 1921 in erster Linie eine Alibi-Funktion. Eine große Anzahl versteckter Waffenlager in Bayern blieb weiterhin bestehen.

Die Entwaffnung der Einwohnerwehren als Ziel der Alliierten

Der Erfolg der Einwohnerwehrbewegung in Deutschland und insbesondere in Bayern seit dem Sommer 1919 hatte noch im selben Jahr den Argwohn der Ententestaaten hervorgerufen. Die alliierte Konferenz von Spa (Belgien) legte am 9. Juli 1920 endgültig fest, dass auch die bewaffneten bürgerlichen Selbstschutzorganisationen Deutschlands als Wehr- bzw. Wehrersatzorganisationen anzusehen seien. Sie fielen daher unter die Entwaffnungsbestimmungen des Versailler Vertrags und seien bis zum 31. Januar 1921 aufzulösen. Der Reichstag sah sich gezwungen, binnen eines Monats ein entsprechendes "Reichsgesetz zur Entwaffnung der Zivilbevölkerung" zu verabschieden. Zur Durchführung der Waffenabgabe wurde am 6. August 1920 der preußische Staatssekretär Dr. >> (geb. 1876) als "Reichskommissar" eingesetzt.

Ernennung eines Landeskommissars für die Entwaffnung der Zivilbevölkerung in Bayern

In Bayern lösten diese Vorgänge im gesamten bürgerlichen Lager einhellige Empörung aus, sah man sich dort doch als Vorreiter der deutschen Wehrbewegung. Immerhin wollte Ministerpräsident >> (1862-1934) bei der Ernennung des im Reichs-Entwaffnungsgesetz vorgesehenen „Landeskommissars für die Entwaffnung der Zivilbevölkerung“ in Bayern zumindest scheinbar kooperieren, um den offenen Konflikt zu vermeiden. Mit der prekären Aufgabe sollte der Ministerialrat und spätere Polizeipräsident bzw. Generalstaatsanwalt Dr. >> (1868-1939) betraut werden. Auf Kahrs Vorschlag hin erfolgte dessen offizielle Ernennung durch Peters am 11. September 1920. Nortz stand allerdings – genau wie Kahr selbst – den Wehren äußerst wohlwollend gegenüber.

Bereits seit dem 7. September 1920 hatte Nortz damit begonnen, die gesetzlich vorgeschriebene Erhebung der Waffenbestände durchzuführen. Er ließ die schweren Waffen fristgerecht zum 1. November 1920 abliefern und legte dem Reichskommissar am 20. Dezember eine Übersicht der bayerischen Bestände vor. Andererseits wurden von Anfang an mit seiner und Kahrs Billigung Waffen der Einwohnerwehren in Kooperation mit der Reichswehr beiseite geschafft.

Endgültige Auflösung der Einwohnerwehren im Juni 1921

Als dann im Frühjahr 1921 die Hinhaltetaktik von Staats- und Reichsregierung endgültig an der Intransigenz der Entente scheiterte und auch Kahr einwilligen musste, die Wehren bis zum 30. Juni aufzulösen, herrschte trotz aller Erregung doch die Einschätzung vor, dass dieser Schritt nur formeller Natur sei. Der Landesverband der Einwohnerwehren Bayerns beschloss daher am 30. Mai, sich "freiwillig" aufzulösen. Erst nach diesem Beschluss erließ Nortz am 4. Juni den endgültigen Entwaffnungsbefehl. Die in den folgenden Wochen bis zum 30. Juni 1921 abgelieferten 207.000 Gewehre stellten dann in der Tat nur einen Teil der sehr umfangreichen bayerischen Arsenale dar. Eine ganze Anzahl versteckter Waffenlager stand auch weiterhin der von Sanitätsrat >> (1878-1926) aufgebauten geheimen Nachfolgeorganisation der Einwohnerwehren, dem Bund "Bayern und Reich" zur Verfügung.

Bayerische Staatsbibliothek