Lehenbücher

Beschreibung

Zur Verwaltung des Lehenswesens wurden im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit eigene Amtsbücher, die Lehenbücher, geführt. Lehenbücher in engerem Sinne wurden in Bayern als Protokolle über die Belehnungsvorgänge angelegt. Ihre Überlieferung beginnt im 14. Jahrhundert und setzt sich bis ins 19. Jahrhundert, als das Lehenswesen völlig umgestaltet wurde, fort.

Definition

Lehenbuch ist ein Sammelbegriff und meint wenig spezifisch ein Amtsbuch aus dem Rechtsbereich des Lehenswesens, in dem ein Lehenherr die Belehnungsvorgänge über die von ihm ausgegebenen Lehen erfasst. Im engeren Sinne ist darunter ein Lehenprotokoll zu verstehen, weil die Vasallen verpflichtet waren, innerhalb einer bestimmten Frist (binnen Jahr und Tag) am Hof ihres Lehenherrn das Lehen erneuern zu lassen (zu muten).

Entwicklung im Spätmittelalter

Das Lehenswesen ist nach traditioneller Lehrmeinung schon in merowingischer Zeit entstanden. Am Beginn des Spätmittelalters hatte es seine ursprüngliche Bedeutung wohl zum Teil schon verloren und war gewohnheitsrechtlich und durch Erbfolge weitgehend erstarrt. Insbesondere bedurfte es über Jahrhunderte hinweg nicht der Schriftlichkeit, da die Belehnung in althergebrachten Rechtssymbolen vollzogen wurde. Erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts setzte sich auch im Lehenswesen die Schriftlichkeit durch, indem die Belehnungsvorgänge in Form von Notizen aufgeschrieben wurden (bestes und frühestes Beispiel: Reichsstift St. Emmeram in ).

Nach Lehenrecht erlosch durch den Tod sowohl des Lehenherrn als auch des Vasallen (Lehenmann) das Lehenband und musste mit dem Nachfolger neu geknüpft werden. Die große Zahl von Belehnungsvorgängen vor allem bei Herrenfall, d. h. nach dem Tod des Lehenherrn, führte bald dazu, dass eigene Handschriften angelegt wurden. Ab dem 14. Jahrhundert dürfte sich die Führung von Lehenbüchern auch in Bayern, Franken und Schwaben überall eingebürgert haben. Gerade die ältesten Beispiele belegen, dass die Lehenbücher sich nicht aus den Urbarbüchern heraus entwickelt haben, sondern aus völlig eigenständigen Wurzeln entstanden sind. Die faktische Überlieferung in den Archiven setzt - von wenigen Ausnahmen wie dem Hochstift Würzburg abgesehen - allerdings erst später ein.

Meist wurde bei Herrenfall ein neues Lehenbuch angelegt, weil alle Vasallen zur Neubelehnung erscheinen mussten. Dieses Herrenfallprotokoll wurde dann als Mannfallprotokoll (Mannfall = Tod des Vasallen) weitergeführt, um die nach dem Zufallsprinzip über die Jahre verstreuten einzelnen Neubelehnungen nach dem Tode eines Vasallen laufend aufzunehmen. Auf diese Weise entstand eine stattliche Reihe von Lehenbüchern, die man in chronologischer Folge aneinander reihte (Hochstift Würzburg: 90 Lehenbücher von 1303 bis 1754).

Es ist eine große Ausnahme, dass für die Pfalzgrafschaft am Rhein beim Regierungsantritt Kurfürst >> (reg. 1398-1410) ein Lehenbuch als Prunkhandschrift angelegt wurde, die den Protokollcharakter nicht mehr erkennen lässt, sondern die Vasallen nach der Heerschildordnung in ständischer Gliederung aufführt. Sie kann erst ab 1401 nach Abschluss aller Belehnungsvorgänge des Herrenfalls entstanden sein (Spieß, Lehnsbuch, 5).

Die Lehenbücher des Spätmittelalters sind entweder rein chronologisch in der Reihenfolge der Belehnungsvorgänge angelegt oder sie weisen eine geographische Struktur nach den (Verwaltungs-)Ämtern des Territoriums des Lehenherrn auf. Innerhalb dieser Ämterabschnitte greift dann die chronologische Führung. Eigenartigerweise gibt es im Mittelalter fast keine den Urbarbüchern vergleichbaren Lehenbücher, die den gesamten Lehenbesitz eines Lehenherrn unabhängig vom Belehnungsvorgang aufführen. Deshalb war es eine wichtige Pflicht des Vasallen, nach Aufforderung durch den Lehenherrn die empfangenen Lehen zu weisen (d. h. Zahl, Art und Lage zu nennen).

Im Laufe des Spätmittelalters entstanden bei den großen Territorien spezialisierte Ämter für die Lehengeschäfte, die den Namen Lehenhof oder Lehenstube trugen und unter der Leitung eines Lehenpropstes standen.

Ausblick auf die Frühe Neuzeit

Es scheint im Wesentlichen erst eine Entwicklung der Frühen Neuzeit zu sein, dass die Lehenbücher in solche für Lehen des Adels und solche für (nichtadelige) Beutellehen geschieden wurden. Im Herzogtum Bayern führte der landesherrliche Lehenhof in die Lehenbücher für den Adel, die regionalen Lehenpropstämter bei den Regierungen in , und diejenigen für die Beutellehen. Im 17./18. Jahrhundert spiegeln die Lehenbücher für den Adel immer mehr wortwörtlich den Belehnungsvorgang wieder. Die Lehenbücher reichen bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts und bis zur damals vorgenommenen völligen Umgestaltung des Lehenswesens.

Bayerische Staatsbibliothek