Reichsritterschaft, Kanton Odenwald
Beschreibung
Reichsritterschaftlicher Kanton im Raum zwischen Neckar, Rhein und Main. Vorläufer des Kantons, der sich von 1542 bis 1562 formierte, waren Rittergesellschaften des 15. Jahrhunderts. Während sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts fast alle Mitglieder zur Reformation bekannten, war der Kanton im 17. und 18. Jahrhundert gemischtkonfessionell. Die Kanzlei des Kantons hatte ihren Sitz zunächst in Mergentheim, Heilbronn und Adelheim, um 1764 nach Kochendorf überzusiedeln. 1805/06 wurden die Ritterherrschaften von Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt mediatisiert.
Historischer Überblick
Der zum fränkischen Ritterkreis gehörige Ritterkanton bzw. -ort Odenwald umfasste den Raum zwischen Neckar, Rhein und Main. Im Süden reichte er bis in die Schwäbisch-Fränkischen Waldberge, im Osten bis an den Rand des (Frankenberg). Benachbart waren im Westen und Süden die schwäbischen Kantone Kraichgau und Kocher, im Norden und Osten die fränkischen Kantone Rhön-Werra, Steigerwald und Altmühl.
Der Kanton erwuchs aus der Wurzel älterer regionaler Vergesellschaftungsformen, namentlich der im früheren 15. Jahrhundert hauptsächlich am Heidelberger Hof beheimateten Rittergesellschaft mit dem Esel. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts organisierte sich der Ritterort Odenwald zum Zweck einer eigenständigen Verwaltung der seit 1542 vom Kaiser auch dem Ritteradel abverlangten Steuern. 1562 fanden die Rittergesellschaften schließlich, mit einiger Verzögerung gegenüber den schwäbischen Nachbarkantonen Kraichgau und Kocher, zu einer sich allmählich verfestigenden Struktur im Verband der fränkischen Reichsritterschaft.
Konfessionell hielt sich die Odenwälder Ritterschaft, deren Gebiete großenteils der Zenthoheit benachbarter Fürsten unterworfen waren, bis zur Verkündung des Religionsfriedens 1555 bedeckt, wandte sich dann aber ganz überwiegend dem Luthertum zu. Durch Fluktuation und Wechsel im Mitgliederbestand, aber auch durch einzelne Konversionen kam es im 17. und 18. Jahrhundert nach und nach zu einer stärkeren konfessionellen Durchmischung. Gleichwohl blieb der Kanton mehrheitlich lutherisch. Ein Zweig der Adelsheim bekannte sich zwischen 1701 und 1763 zum Calvinismus, und im Umkreis der von Stetten zu Kocherstetten gab es im späteren 16. Jahrhundert einige Flaccianer (nach dem Theologen >> [1520-1575]).
In den 1770er Jahren geriet der Kanton durch finanzielle Machenschaften seines Ritterhauptmanns Meinhard Friedrich Franz Rüdt von Collenberg (1720-1789) in eine tiefe Krise, aus der ihn seit 1777 der hochbetagte >> (1702-1785) wieder herausführte. 1788 stiftete Kaiser >> (reg. 1780-1790) dem Kanton Odenwald einen Orden, welcher der Mittelbeschaffung zwecks Gründung eines evangelischen adligen Damenstifts dienen sollte. Dieses Projekt kam jedoch bis zum Ende des Alten Reiches nicht mehr zur Ausführung.
Nachdem bereits im Winter 1802/03 Bayern und Württemberg, im Jahr darauf auch die Fürsten zu Leiningen, zu Hohenlohe und zu Löwenstein im "Rittersturm" vergeblich versucht hatten, sich der ihnen benachbarten Reichsritter und ihrer Gebiete zu bemächtigen, erfolgte im Winter 1805/06 die definitive Mediatisierung der Odenwälder Ritterherrschaften durch die Königreiche Württemberg und Bayern sowie durch die Großherzogtümer Baden und Hessen-Darmstadt.
Organisation und Archiv
An der Spitze des Ritterkantons stand ein gewöhnlich auf Lebenszeit gewählter Ritterhauptmann, dem in der Regel sechs ebenfalls auf Lebenszeit bestimmte Ritterräte als Kollegialorgan zur Seite standen. Für spezielle Aufgaben gab es darüber hinaus ein Gremium von Ausschüssen, deren Amtszeit befristet war. Die Einziehung der Steuern besorgte ein aus dem Kreis der Mitglieder erkorener Einnehmer oder Truhenmeister. Das sonstige Personal, darunter insbesondere die Syndici, waren bedienstet.
Die ordentlichen Plenarversammlungen (Ortstage) des Kantons fanden anfangs zumeist im deutschordischen Mergentheim (Main-Tauber-kreis, Baden-Württemberg) statt, im Übrigen an wechselnden Orten. Die Kanzlei des Kantons hatte ihren Sitz um 1580 vorübergehend in Mergentheim, später lange Jahre in Heilbronn (Baden-Württemberg). Wegen anhaltender Konflikte mit dem reichsstädtischenRat tagten die Kantonsgremien im 18. Jahrhundert wiederholt in Adelsheim (Neckar-Odenwald-Kreis, Baden-Württemberg), wo eine Zeit lang auch die kantonale Verwaltung tätig war, bevor man 1764 in das zwei Jahre zuvor seitens der Ritterschaft käuflich erworbene Kochendorf (Bad Friedrichshall, Lkr. Heilbronn, Main-Tauber-Kreis) übersiedelte.
Registratur und Archiv des Ritterkantons wurden im Zuge der Mediatisierung von Württemberg beschlagnahmt und liegen heute im Staatsarchiv Ludwigsburg (Bestände B583-B585, ca. 45 lfd. m).
Um 1550 zum späteren Ritterkanton Odenwald gehörige Familien (z. T. mit mehreren Linien und Zweigen)
AdelsheimAschhausenBalitzheimBalzhofenBerlichingenBieberehrenBobenhausenCrailsheimDüdelsheimDürnEchter von MespelbrunnEhenheimEicholzheimEltershofenEllrichshausenFechenbachFinsterlohrFranckensteinFuchs von DornheimGailing von AltheimGans von OtzbergGeipel von SchöllkrippenGemmingenGeyer von GiebelstadtGreck von KochendorfGroschlag von DieburgHack von HoheneckHardheimHauderHelmstattHettersdorffHeusenstammHirschbergHirschhornKalb von ReinheimKlinkhartKottenheimKottwitz von AulenbachKritheimLaimingenLandschad von SteinachLeutzenbrunnLochinger von ArchshofenMorsteinMosbach von LindenfelsNeudeckOffnerPfraumheimRatzenbergReynRiedernRinderbachRodensteinRosenbergRüdt von BödigheimRüdt von CollenbergSchad von OstheimSchelm von BergenSchrozbergSparr von TrampeSpießStettenStettenbergSützel von MergentheimTruchseß von BaldersheimUlner von DieburgVellbergVock von WallstadtWallbrunnWambolt von UmstadtWasenWeilerWichsensteinWittstadt gen. HagenbachWolfskeelWolmershausenZobel von GiebelstadtZorn von Bulach
1789 zum Ritterkanton Odenwald gehörige Familien (z. T. mit mehreren Linien und Zweigen)
AdelsheimAlbiniBerlichingenBettendorffBouwinghausen von WalmerodeCapler von Oedheim gen. BautzCrailsheimDegenfeld-SchonburgEllrichshausenEybFechenbachForsterGaisbergGemmingenGöler von RavensburgGreiffenclau von VolradsHatzfeldHaxthausenHettersdorffHoltzIngelheimLehrbachLerchenfeldMaierhofenOetingerPöllnitzPrettlackRacknitzReigersbergRiaucourRosenbachRüdt von CollenbergSt. AndréSchönbornSeckendorffSenft von SulburgStettenÜberbrück von RodensteinVoit von Salzburg’sche ErbinteressentenWallbrunnWambolt von UmstadtWeilerWolfskeelZobel von GiebelstadtZylnhardt
Außerdem als Besitzer beim Ritterkanton immatrikulierter Güter:
Domstift Speyer (Neckarsteinach)Domstift Worms (Neckarsteinach)Erbach-FürstenauKartause Grünau (Oberaltenbuch)Löwenstein-Wertheim (Rosenberg)Sicherer (Domeneck)Uhl (Domeneck)
Ritterhauptleute im Kanton Odenwald
AmtszeitNameLebensdaten1542Graf >> vor 1559 Sebastian Rüdt von Bödigheim1560-1572 >> um 1519-15721574-1585Sebastian von Crailsheim zu Morstein1584-1613 >> (alternierend mit Konrad von Vellberg und Hans Georg von Berlichingen)gest. 16131613-1618Albrecht Christoph von Rosenberg gest. 16191622-1628Hans Philipp von Crailsheim1628-1629Wolf von Crailsheim1629-1632 >> gest. 16321632-1633Valentin Heinrich Rüdt von Bödigheim und Collenberg1640-1651Johann Kaspar von Herda zu Domeneck und Züttlingen1652-1680Weiprecht von Gemmingen zu Hornberg1608-16801678-1686Hans Christoph von Adelsheim1686-1694Hans Christoph Wolfskeel1694-1715Albrecht Ludwig von Eybgest. 17151717-1750Reinhard von Gemmingen zu Hornberg1677-17501750-1777Meinhard Friedrich Franz Rüdt von Collenberg 1720–17891777-1785 >> 1702-17851786-1806 >> 1739-1822