Lindau, Reichsstadt
Beschreibung
Erwachsen aus einer Marktsiedlung des Kanonissenstifts Lindau, das im 9. Jahrhundert auf einer Insel im östlichen Bodensee gegründet wurde. Der wirtschaftliche Aufschwung und die königliche Politik verhalfen der Stadt zu größerer Selbständigkeit gegenüber dem Stift, so dass sie zur Reichsstadt aufstieg. Wegen ihrer verkehrsgünstigen Lage diente sie als Drehscheibe für den Handel. Außenpolitisch war die Stadt stets den Interessen der Grafen von Montfort und Österreichs ausgesetzt. Dennoch konnte sie auf dem nahen Festland ein kleines Territorium aufbauen. Während das Stift katholisch blieb, schloss sich die Stadt der Reformation an. 1802 kam Lindau an den Fürsten von Bretzenheim, 1804 an Österreich, 1806 zu Bayern.
Topographische Situation
Die Reichsstadt entstand auf einer ufernahen Insel im östlichen Bodensee und ist seit dem Mittelalter mit dem Festland durch eine Brücke verbunden, die mehrmals erneuert wurde. Seit dem Spätmittelalter wurde die Insel durch Seeaufschüttungen erweitert. Bis ins 19. Jahrhundert schloss sich westlich an die Hauptinsel eine weitere, kleinere Insel an, die durch einen Graben – den heutigen Inselgraben – getrennt und kaum bewohnt war. Die sog. Römerschanze – man glaubte, sie sei von den Römern besiedelt gewesen, weil man hier solche Münzen gefunden hatte - war der dritte Inselkomplex. Straßennamen wie die "Grub" und die "Neue" weisen auf die Aufschüttungen hin.
Das Stift als Grundlage der Stadtgründung
Neben einer Fischersiedlung entstand im Osten der Insel wahrscheinlich bereits zu Beginn des 9. Jahrhunderts das 882 erstmals gesichert erwähnte Kanonissenstift. Als Vögte erscheinen ab der Mitte des 10. Jahrhunderts die Grafen von Bregenz. Um sich vom Einfluss der Vögte zu befreien, ließ das Stift im Rahmen der Kirchenreformbewegung des 11. Jahrhunderts eine Urkunde fälschen, die in das Jahr 866 datiert wurde und dem Stift weitgehende Rechte zuschrieb. Um dieses sog. Ludovicianum entbrannte im 17. Jahrhundert das für die Diplomatik wichtige Bellum diplomaticum Lindaviense, eine wissenschaftlich-publizistische Kontroverse um die Echtheit des Dokuments. Die Frage, inwieweit die in der Urkunde tradierten Aussagen zur Gründungsgeschichte historische Tatsachen wiedergeben, ist nicht endgültig geklärt.
Während der Auseinandersetzungen des Investiturstreits verlegte das Stift aus Sicherheitsgründen seinen an wichtigen Fernstraßen gelegenen, auf römischen Wurzeln ruhenden Markt von vom Festland auf die Insel (um 1079). Damit war eine der Voraussetzungen für die spätere Stadtwerdung gegeben. Spätestens seit dem 12. Jahrhundert dehnte sich die Kaufmannssiedlung auf der Grundlage des wirtschaftlichen Aufschwungs aus, während das Stift Phasen innerer Schwäche durchschritt.
Entwicklung zur Reichsstadt
Nachdem die vogteilichen Rechte der Grafen von Bregenz über das Stift um 1170 an Kaiser >> (reg. 1152-1190, als Kaiser ab 1155) und damit an das Reich übergegangen waren, verlieh König >> (reg. 1273-1291) der Stadt 1274/75 Privilegien, die ihren Weg von der Stifts- zur Reichsstadt markieren. Die sog. Reichssteuerliste von 1241 - ein Verzeichnis von Abgaben des staufischen Haus- und Reichsguts - veranlagte Lindau mit 100 Mark Silber, dem zweithöchsten Betrag unter den Bodenseestädten. Das Lindauer Stadtrecht, dessen Existenz bereits 1272 erwähnt wird, war im 13. und 14. Jahrhundert Vorbild für eine Reihe von Stadtrechtsverleihungen an andere oberschwäbische Reichsstädte. Seit Mitte des 13. Jahrhunderts ist ein städtisches Siegel nachweisbar, das einen Lindenbaum bzw. -zweig zeigt.
Die meisten königlichen Rechte gingen bis Ende des 14. Jahrhunderts an die Stadt oder einzelne Bürger über (u. a. Zoll und Münzrecht). König >> (reg. 1376-1400) verlieh der Stadt 1396 schließlich den Blutbann. Das Stift war auf einen kleinen Bezirk der Insel zurückgedrängt. Mitte des 14. Jahrhunderts besaß das Stift 68 Zinshäuser in der Reichsstadt, 194 im ganzen Gebiet. Das sog. Scherenrecht erinnerte noch bis fast ins 19. Jahrhundert an alte, der Äbtissin zustehende Rechte und erlaubte ihr, den ersten unter ihrer Regierung von der Stadt zum Tode verurteilten Verbrecher symbolisch mit der Schere los zu schneiden.
Die Äbtissinnen des Lindauer Damenstifts führten ab 1466 den Fürstentitel, ohne dass dies von der kaiserlichen Kanzlei anerkannt worden war oder mit Sitz und Stimme auf dem Reichstag verbunden gewesen wäre. Auch im Reichsprälatenkollegium war das Stift nicht vertreten, so dass es auch nur bedingt als Reichsstift gelten kann.
Verfassung und Verwaltung
1216 sind ein "minister civitatis" - ein zunächst stiftischer Ammann - und ein Münzbeamter urkundlich belegt. In diesem Zusammenhang wird Lindau nachweislich erstmals als Stadt bezeichnet. 1264 ist erstmals von einem Rat angesehener Bürger, in Urkunden "consules" genannt, die Rede. Bereits 1296 werden zwei Ammänner genannt, der Stadt- und der Hofrichter. 1331 begegnen wir erstmals einem Bürgermeister, der aber in der Urkunde noch an zweiter Stelle nach dem Ammann genannt wird. Kurz vor der Mitte des 14. Jahrhunderts erscheint das Amt als etabliert und taucht künftig regulär neben dem Rat, den Zunftmeistern und der Gemeinde auf.
Das Wachstum der Bevölkerung und die damit einhergehenden sozialen Verschiebungen führten 1345 zu einer Erhebung der Handwerker gegen die alteingesessenen Patriziergeschlechter, die bislang allein Zugang zum Rat besaßen. Dem von Kaiser >> (reg. 1314-1347, Kaiser ab 1328) als Schlichter eingesetzten kaiserlichen Landvogt von Schwaben gelang es, die Zunftverfassung einzuführen; die Entwicklung war 1347 abgeschlossen. Die acht Zünfte konnten künftig je einen Zunftmeister in den Rat der Stadt wählen, der von nun an als kleiner Rat auftrat. Das Kollegium der Zunftmeister war neben bzw. mit dem Rat maßgebend für Politik und Verwaltung. Als zweites städtisches Organ wurde der große Rat eingerichtet. Ihn bildeten die Elfer der acht Zünfte (88 Personen); er wurde nach einer Ordnung von 1370 vom Bürgermeister und den acht Zunftmeistern gewählt. Kein Bürger durfte Zunftmeister oder Elfer (Mitglied des 11-köpfigen Ausschusses jeder Zunft) werden, der nicht dieser Zunft angehörte und ihr Handwerk trieb. Offensichtlich hatten die Patrizier versucht, ihre eigenen Standesgenossen als Zunftmeister aufzustellen.
1346 versuchte historiographischen Berichten zufolge eine bewaffnete Gruppe - geführt von ausgewiesenen oder geflüchteten Patriziern - vergeblich, auf die Insel einzudringen bzw. zurückzukehren, um die Zunftmeister gefangen zu nehmen und so die Macht wieder an sich zu reißen. Einige Eindringlinge wurden hingerichtet. Trotz alledem behielten auch nach 1345 - und erst recht nach Umgestaltung des Rates durch Kaiser >> (reg. 1518-1556, als Kaiser ab 1520/30) - stets die Geschlechter ihre führende Stellung bei. Der Bürgermeister als Vorstand der Geschlechter trat nun an die Spitze der Stadt; der Ammann nahm als Richter die zweite Stelle ein und musste bei Malefiz- und Halsgerichtsangelegenheiten hinzugezogen werden.
Während der kleine Rat das ausführende Organ und das oberste Gericht war, kam dem großen Rat mehr die Funktion einer verfassunggebenden Instanz zu. Erstmals um 1540 wird ein Geheimer Rat genannt, der außer für die Repräsentation für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig war.
Mit der Änderung der Verfassung durch Kaiser Karl V. im Jahre 1551 wurden die Zünfte zugunsten der Patrizier wieder entmachtet. Drei Bürgermeister und zwei Geheime Räte sollten künftig das Haupt der Regierung bilden. Die bereits vorgezeichnete Namensliste setzte jetzt 15 innere Räte (gegen bisher 16 bzw. 24) fest. Die acht Zunftmeister fielen weg. Der Große Rat wurde von 88 auf 20 Mitglieder herabgesetzt.
Sozialstruktur im Spätmittelalter
In Lindau gab es um die Mitte des 14. Jahrhunderts an die 400 selbständige Haushalte. Die Zahl der adeligen Familien nahm in der Zeit von 1378 und 1430 stark zu. Gegen Mitte und Ende des 15. Jahrhunderts sind aber wiederum Adelsfamilien abgewandert. Bedeutend, sowohl in der Stadtpolitik als auch im Wirtschaftsleben, war die Sünfzengesellschaft, ein Zusammenschluss der alteingesessenen Patrizier, von dem wir erste Nachricht aus dem Jahre 1358 haben. Der älteste Ordnungsbrief der Sünfzen stammt von 1430.
Reichspolitik im Spätmittelalter
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts kam es zu innerstädtischen Auseinandersetzungen, weil die Patrizierfamilie Rienolt zusammen mit dem Stift und weiteren Interessensgruppen die Stadt verstärkt dem Einfluss der Habsburger öffnete, waren doch die bedeutsamen Straßen nach Italien unter österreichischer Herrschaft. Eine Gegenpartei bildeten besonders die Handwerker. Der königliche Landvogt verhinderte, dass der habsburgische Einfluss überhand nahm. Schließlich wurden die Anführer 1395 aufgegriffen und hingerichtet. Spürbar blieb der Einfluss Habsburgs freilich auch noch im 15. und 16. Jahrhundert.
1488 trat die Stadt - wie auch das Damenstift - dem Schwäbischen Bund bei, allerdings angesichts der zu erwartenden Verpflichtungen eher zögerlich und unter habsburgischem Druck. Schon 1496 trat Lindau wieder aus, sah es sich doch durch zu hohe Veranschlagungen überlastet. Auch ein 1496/97 nach Lindau einberufener (und ohne größere Wirkung gebliebener) Reichstag änderte nichts mehr daran. Schon 1498 schloss die Reichsstadt mit Tirol einen Schirmvertrag, der späterhin immer als Argument diente, sich nicht den anderen Städten anschließen zu müssen, und der 1508 verlängert wurde.
Die Bedeutung des Heilig-Geist-Spitals
Als Einrichtung des Stifts spielte das Heilig-Geist-Spital, Pilgerhaus und Versorgungsanstalt für die Armen, bereits im 13. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Es wird 1237 als Domus hospitalis erstmals erwähnt. Ein eigenes Siegel erscheint 1257. Bald wusste das Spital geschickt, je nach Situation zwischen Stadt und Stift zu lavieren. Der Territorialbesitz des Spitals war zeitweise größer als der der Stadt. 1307 musste das Stift Lindau seine Rechte am Spital an die Stadt abtreten. Zum Teil konnte die Stadt ihr Territorium mithilfe des Spitals vergrößern und dort Niedergerichtsrechte durchsetzen. Mit der Reformation wechselte auch das Spital seinen Glauben, war aber dennoch Patronatsherr über fünf katholische Kirchen.
Wirtschaft und Verkehr
Lindau lag verkehrsgünstig an einem Kreuzungspunkt wichtiger Straßen, vor allem nach Italien, so dass die Stadt zu einer Drehscheibe des Handels wurde. Schon 1213 und 1224 sind erste Lindauer Fernhändler in Genua feststellbar. Der See sorgte für gute Verbindungen nach Konstanz, von wo die Waren u. a. in die Schweiz weitertransportiert werden konnten. Die für den Fernhandel günstige Lage der Stadt wird sicher neben Handwerkern Handeltreibende angezogen haben. Das Aufsteigen der Handwerker zu Krämern und schließlich zu Großhändlern lässt sich durch die Jahrhunderte hindurch beobachten. Seit dem frühen 15. Jahrhundert hatte sich der Handel ständig ausgebreitet, bald bestanden enge Verbindungen auch nach Venedig. Gehandelt wurde mit Korn, Salz, Leinwand und vor allem hier angebautem "Seewein". Außer dem Mailänder oder Lindauer Boten, der vielleicht noch im 15. Jahrhundert, wahrscheinlicher aber erst im beginnenden 16. Jahrhundert installiert wurde und der bis 1826 bestand, existierten ähnliche Verbindungen in andere Städte, vor allem nach und Frankfurt. Stapel- und Abfuhrrechte waren wichtige Einnahmequellen für die Stadt, wie überhaupt das Speditionswesen sogar bis ins beginnende 20. Jahrhundert immer eine große Rolle spielte.
Das Territorium
1476 wurden zwischen den Grafen von Montfort und der Reichsstadt die Grenzen der städtischen Niedergerichtsbarkeit und des montfortischen Hochgerichtsbezirks festgelegt, die ständigen Streitigkeiten damit aber nicht behoben. Das Territorium der Reichsstadt, wie es dann bis 1802 bestand, setzte sich aus den inneren und äußeren Gerichten zusammen. Die volle Landeshoheit besaß Lindau in seinen inneren Gerichten (Aeschach, , , , , , , , und ), hier gehörten Hoch- und Niedergericht der Stadt. In den äußeren Gerichten (die Hauptmannschaften , , , , , und ) nahmen die Stadt das Niedergericht, das Haus Montfort-Tettnang aber die Hochgerichtsbarkeit wahr.
Kirchliche Situation und Reformation
Das Kloster hatte die Marktsiedlung in den Bereich zwischen der eigenen Niederlassung und der bereits existierenden Peterskirche im Nordwesten der Insel gelegt. Um 1180 entstand der erste Bau der Pfarrkirche St. Stephan. 1270 kam die Kirche der Franziskanerniederlassung (1224) hinzu. 1515 wurde der Friedhof von der Insel auf das Festland nach Aeschach verlegt.
Die Einführung der Reformation, insbesondere der Wechsel vom Zwinglianismus zur lutherischen Lehre ist auch aufgrund von Überlieferungslücken zeitlich nicht exakt auszumachen. 1523/24 predigte der Franziskanermönch und Lesmeister >> (gest. 1524) lutherisch. Es kam schnell zum Zusammenstoß mit den Vertretern des alten Glaubens, insbesondere mit dem Lindauer Pfarrherrn Dr. >> (Bischof von Wien 1530-1541), der zugleich Generalvikar des Konstanzer Bischofs war. In der Auseinandersetzung zwischen Faber und Hug stand die Stadt auf der Seite des Reformators und stützte mit dem Zwinglianer Sigmund Rötlin (gest. 1525), Vikar bei der Pfarrkirche St. Stephan, schließlich einen weiteren reformatorisch predigenden Geistlichen gegen Faber. Nach Rötlins Tod 1525 übergab der Rat die Stadtpfarrei an Thomas Gassner (gest. 1548), den eigentlichen Reformator Lindaus. Nach dem Speyrer Reichsabschied von 1526 führten der Rat und Gassner Reformen unter anderem auf dem Gebiet der Gottesdienste und der Sittlichkeitsbestimmungen durch. Die 1224 von der Äbtissin nach Lindau gerufenen und katholisch gebliebenen Franziskaner (es waren die ersten am Bodensee) lösten 1528 unter dem Eindruck des Niedergangs ihr Kloster auf und verkauften ihre Kirche an die Stadt. Als der Gegensatz zwischen >> (1483-1546) und >> (1484-1531) einen Höhepunkt erreichte, distanzierte sich Gassner in zunehmendem Maße von Zwingli und achtete auf strikte Neutralität.
Auf dem Reichstag von 1530 legte Lindau mit , Konstanz und Straßburg die Confessio Tetrapolitana (Vierstädtebekenntnis) vor. Auf Befehl des Rates kam es 1530 zu einem Bildersturm, nicht zuletzt wohl auch, um die Verbundenheit mit Zwingli kund zu tun. Nach dem Tod Zwinglis und vor dem Hintergrund der reichspolitischen Entwicklungen erkannte Lindau 1532 allerdings die Augsburger Konfession an. Dass Gassner nach seinem Tod 1548 der Lindauer Matthias Rot (gest. 1575) nachfolgte, der bei Luther in Wittenberg studiert hatte, markiert den endgültigen Übergang zu Luther.
Im Zusammenhang mit der Reformation entstand 1538 die noch heute bestehende (ehemals) reichsstädtische Bibliothek. Vom Schmalkaldischen Krieg (1546/47) wurde die Stadt zwar nicht berührt, musste aber finanziell große Summen aufbringen und versuchen, die kaiserliche Gunst zurückzugewinnen. Als sich Lindau 1549 dem Augsburger Interim fügen musste, verließen mehrere Bürger die Stadt.
Das Damenstift blieb beim alten Glauben, was zu vielfachen Auseinandersetzungen führte. So führten etwa die Altgläubigen den von Papst >> (reg. 1572-1585) reformierten Kalender ein, während die Stadt bis 1701 am julianischen Kalender festhielt.
17. und 18. Jahrhundert
Der Dreißigjährige Krieg wirkte sich auf die Stadt vor allem indirekt aus. Die Stadtbefestigung war bereits ab 1607 ausgebaut worden. 1628 wurde der Stadt die Einquartierung einer kaiserlichen Kommission aufgezwungen. Die kurze, erfolglose Belagerung der Insel 1646/47 blieb ohne Schäden. Während des Krieges wurden Seebrücke, Häuser und Weingärten wegen des Schussfeldes abgebrochen bzw. aufgegeben. Der Handel war rückläufig, zuvor gut situierte Familien verarmten, die Schuldenlast der Stadt stieg stark an. Die Jesuiten als Garnisonskapläne, die 1628 mit der Kommission in die Inselstadt kamen, versuchten vergeblich, den alten Glauben wieder einzuführen. Sie erzielten zwar kurzfristig Erfolge, richteten 1644 sogar für wenige Jahre eine Schule ein, mussten die Stadt aber 1648 wieder verlassen.
Beim Westfälischen Friedenskongress erreichte Dr. >> (1605-1664) als Gesandter der Stadt, dass Lindau die alten Rechte und Freiheiten, nämlich die Vogtei über die vier Dörfer Aeschach, Schönau, Rickenbach und Oberreitnau – sie war ihr 1628 genommen worden - trotz Einspruchs der Katholiken bzw. des Stiftes zurückerhielt. Zur Erinnerung an die Kriegsjahre und ihre Auswirkungen auf die Jugend findet seit 1655 (mit Unterbrechungen) alljährlich ein Kinderfest statt, das eine bedeutende Rolle für die städtische Identität spielt. Gravierend für das 18. Jahrhundert waren die Stadtbrände von 1720 und 1728, wobei letzterer einen beträchtlichen Teil der Stadt vernichtete.
Das Ende von Reichsstadt und Reichsstift
Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 entschädigte den Fürsten >> (1769-1823) - einen natürlichen Sohn des bayerischen Kurfürsten >> (reg. 1742-1799) und Bruder der vorletzten Fürstäbtissin - mit Stadt und Stift Lindau für seine Verluste auf linksrheinischem Gebiet. Ein Jahr später vertauschte er seinen eben erst erworbenen Besitz an Habsburg gegen Güter in Böhmen und Ungarn. Mit Beginn des Jahres 1806 wurde Lindau in das Königreich Bayern eingegliedert. Schon am 23. Dezember 1805 nahm Bayern die Insel militärisch in Besitz. Eine Zählung im Jahre 1807 nennt zu dieser Zeit 2.158 Einwohner, wobei bestimmte Bevölkerungsgruppen unberücksichtigt sind, so dass man eine Zahl von 2.800 schätzen kann. Rechnet man die rund 7.000 Untertanen der inneren und äußeren Gerichte dazu, kommt man auf annähernd 10.000 Personen. Die Stadt zählte zu dieser Zeit 452 Häuser. Lindaus Wirtschaft und Handel waren durch die ständigen Kriege und Einquartierungen in höchstem Maß in Mitleidenschaft gezogen worden. Zur Verwaltung der von Bayern übernommenen Schulden wurde eine Stiftungsadministration eingerichtet.
Forschungsstand
Die 1909 von dem evangelischen Pfarrer >> (1871-1935) herausgegebene Geschichte der Stadt Lindau gilt noch immer als Standardwerk zur Lindauer Stadtgeschichte. Sie muss - zumindest in Teilen - als überholt und tendenziös eingeschätzt werden. In der Zwischenzeit erschienen mehrere Detailarbeiten, die Einzelaspekte beleuchten, etwa die Reformation und die Sünfzgengesellschaft. Vereinzelt nahmen wissenschaftliche Untersuchungen Lindau als eine von mehreren Reichsstädten in den Blick (Wolf; Eitel). Eine neue Gesamtdarstellung der Stadtgeschichte ist dringend nötig. Forschungen hierzu leistet unter anderem der 1889 gegründete Museumsverein Lindau (2009 umbenannt in Historischer Verein Lindau) mit dem seit 1911 periodisch erscheinenden "Neujahrsblatt".