Schedelsche Weltchronik

Beschreibung

1493 in Nürnberg erschienene, universalhistorische Darstellung der Weltgeschichte, die der Nürnberger Stadtarzt und Humanist Hartmann Schedel (1440-1514) zusammengestellt hatte. Die Chronik erschien in einer lateinischen und einer deutschen Ausgabe, die beide reich illustriert waren. Die Illustrationen, die bis heute zur Beliebtheit der Chronik beitragen, bieten vielfach die ältesten authentischen Abbildungen von Städten.

Beteiligte

Die sogenannte Schedelsche Weltchronik von 1493 ist nach dem Stadtarzt und Humanisten >> (1440-1514) benannt, der das Werk als Auftragsarbeit für die Kaufleute >> (1446-1520) und >> (1446-1503) in lateinischer Sprache kompilierte. Die zahlreichen Illustrationen stammen aus der Werkstatt der Maler >> (1434/37-1519) und >> (um 1450-1494). Die Chronik wurde von dem ursprünglich aus stammenden Losungsschreiber >> (um 1450-1510) ins Deutsche (Frühneuhochdeutsch, Nürnberger Mundart) übersetzt. Beide Ausgaben wurden als Lohnarbeit von dem Drucker >> (um 1440-1513) produziert. Alle Beteiligten waren .

Aufbau

Die Weltchronik ist eine universalhistorische Darstellung der Weltgeschichte. Sie bietet von Anbeginn der Welt bis zum Jahr 1492/1493 in chronologischer Abfolge außer historischen Ereignissen und Personen auch Wundererscheinungen, Sensationsberichte und geographische Informationen, insbesondere zu Städten und Gegenden.

Die Unterteilung folgt den "Etymologiae" des >> (gest. 636) in sechs Weltaltern. Schedel erweitert das Schema um zwei zusätzliche: das siebte Zeitalter mit dem Kommen des Antichristen und das letzte Zeitalter mit dem Jüngsten Gericht. Das sechste Weltalter von Christi Geburt bis in Schedels Gegenwart, zu dem auch zwei Anhänge gehören, macht etwa die Hälfte des Gesamtumfangs aus.

Schedels Hauptquelle war das "Supplementum chronicarum" des Italieners >> (1434-1520) di Bergamo (Haitz). Er bediente sich aber noch diverser anderer, insbesondere italienischer Quellen, beispielsweise von >> (der spätere Papst Pius II. [reg. 1458-1464]), von dem auch der Annex "Europa" stammt, den der Arzt und Humanist >> (um 1437/1447-1508) für die Weltchronik bearbeitete.

Daten

Die Schedelsche Weltchronik war ein Buch der Superlative:

Es gab sie in zwei Ausgaben (latein und deutsch)Sie war außerordentlich großformatig (Großfolio, eine Seite ist mit etwa 325 mm x 480 mm größer als DIN A3)Sie hatte einen bemerkenswerten Umfang. Die lateinische Ausgabe zählt 326 Blätter, die deutsche 297.Sie war die am reichhaltigsten illustrierte Inkunabel, deren Holzschnitte je nach Ausgabe auch nachträglich koloriert wurden (lat.: 1804 Abbildungen, dt.: 1803 Abbildungen, für diese Abbildungen standen aber nur 643 verschiedene Holzstöcke zur Verfügung, man musste sie also mehrfach verwenden. In der lat. Ausgabe nutzte man alle 643 der Holzstöcke, in einigen Exemplaren aber nur 642 bzw. 641 der Stöcke, in der dt. Ausgabe reichten 639 der Holzstöcke aus. Insgesamt wurden für das Projekt 652 verschiedene Holzstöcke angefertigt. Der am häufigsten wiederverwendete Stock wurde in der lat. und dt. Ausgabe an 17 verschiedenen Stellen eingesetzt; Reske 2000).

Inhalt

Inhaltlich liefert die Weltchronik nur die traditionelle historische Sichtweise, obwohl der Kompilator dem Nürnberger Humanistenkreis angehörte. Bei der deutschen Übersetzung wurde vielfach gekürzt, meist indem konkrete Quellenangaben verallgemeinert wurden. Insbesondere die Länderbeschreibungen sind in der deutschen Ausgabe knapper gehalten (Haitz). Extremstes Beispiel ist die Darstellung zu Italien: Von den 17 Seiten der lateinischen Ausgabe blieben in der deutschen lediglich 13 Zeilen übrig.

Faszinierend ist hingegen die reichhaltige Illustrierung. Insbesondere die Stadtansichten erfreuen sich bis heute größter Beliebtheit; sie wurden mit ausführlichen Beschreibungen der Gründungsgeschichte, Namenserklärung und Fakten zur zeitgenössischen Kultur, zu Wirtschaft und Handel versehen.

Bayerische Stadtansichten

Im Gegensatz zu manch anderen Städten sind alle in der Weltchronik dargestellten heutigen bzw. ehemaligen bayerischen Städte authentische Wiedergaben. Sie machen etwa ein Drittel der realen Abbildungen aus: Augsburg, , , , Nürnberg, , , Salzburg und . Demgegenüber wurden die Landschaften "Franken" und "Bayern" in der lateinischen Ausgabe mit derselben fiktiven Darstellung versehen, die auch für die Türkei und Polen verwendet wurde. In der deutschen Ausgabe nutzte man die Darstellung für "Bayern" auch für Ungarn, Thrakien und Spanien; eine Abbildung für "Franken" kommt hier nicht vor.

Quellenlage

Bemerkenswert für die Forschung ist die außerordentlich umfangreiche Überlieferung rund um die Produktion des Werkes. So sind im Staatsarchiv Nürnberg die Verträge mit den Malern und dem Drucker erhalten. Im Stadtarchiv Nürnberg ist der Vertrag mit dem Humanisten >> (1459-1508) für eine anvisierte weitere Auflage überliefert. Erhalten haben sich in der Stadtbibliothek Nürnberg auch die handschriftlichen Vorlagen zur Weltchronik, die - als Bücher gebunden - die Texte sowie die Illustrationsskizzen für die lateinische und deutsche Ausgabe wiedergeben. Bei der Umsetzung der Vorlagen zu den Drucken zeigt sich eine sehr hohe Texttreue durch die Setzer (Reske 2000).

Anteile

Nur aus dem Kontext lässt sich erschließen, dass Schedel der von Schreyer beauftragte Kompilator war. So findet sich sein Name auf den zeitgenössischen Titelblättern der beiden handschriftlichen Vorlagen, nicht aber in den beiden Schlussschriften der gedruckten Ausgaben. Dort wurden der weitere Geldgeber, Schreyers Schwager Kammermeister, und die beiden Maler Wolgemut und Pleydenwurff genannt, welche die Holzstöcke mit Bildprogramm zu liefern hatten. Diese Leistung stellte ihre finanzielle Einlage dar, für die sie hälftig am Gewinn beteiligt werden sollten. Der berühmte Anton Koberger trat nur als Lohndrucker auf. Er wurde für bedruckte Bogen bezahlt und versuchte, seinen Gewinn durch eine mindere Papierqualität und die Nutzung einer vorhandenen Schrifttype zu maximieren. Die Geldgeber waren jedoch aufmerksam und bemängelten seine Vorgehensweise (Reske 1997, 2000). Die überlieferten Exemplare der Weltchronik zeigen durchweg gute französische Papiersorten; die beiden Ausgaben wurden mit eigens neu geschnittenen Schriften ausgestattet: eine Rotunda für die lateinischen und eine Schwabacher für die deutschen Exemplare (Reske 2000).

Dürer und die Weltchronik

Seitdem der Kunsthistoriker >> (1892-1968) Anfang des 20. Jahrhunderts eine mögliche Beteiligung von >> (1471-1528) an der Illustrierung der Weltchronik ins Spiel gebracht hatte, griff man diese Vermutung immer wieder auf, zuletzt 2002 (Zahn). Die vorgebrachten Argumente basieren weitgehend auf stilkritischen Untersuchungen und der Annahme, dass sich Dürer zum Zeitpunkt der Herstellung der Weltchronik noch in der Werkstatt seines Lehrmeisters Wolgemut befunden hat. Dürer ging Ostern 1490 auf Wanderschaft, ein vermeintlicher, nur durch einen Index erschlossener Vorvertrag von 1487/1488 zur Weltchronik lieferte den Befürwortern der These die Grundlage, dass man an ihr schon zu dieser Zeit arbeitete und damit auch Dürer Gelegenheit zu einer Beteiligung hatte. Untersuchungen von Reske (2000, 2003) ergaben jedoch, dass der Indexeintrag auf den Vertrag mit den Malern von 1491 verweist. Das früheste überlieferte Artefakt zur Weltchronik ist eine 1490 datierte, ganzseitige Zeichnung für den Gottvater-Holzschnitt (Blatt 1v). Im Jahr 1490 dürften somit die Arbeiten an der Weltchronik begonnen haben, was eine Involvierung Dürers höchst unwahrscheinlich macht.

Vertrieb

Der Vertrieb der Weltchronik erfolgte nicht, wie man annehmen könnte, über den Drucker Anton Koberger, sondern primär über das Fernhandelsnetz der Nürnberger Kaufmannschaft, wie die erhaltene Endabrechnung von 1509 belegt (Zahn 1991). Dort finden sich europäische Orte von Danzig bis Florenz und von Paris bis Krakau. 1508 lagen laut Endabrechnung bei den Kommissionären noch Bücher im Wert von etwa 1400 Gulden (Zahn 1991), was über 430 Chroniken entspricht. Das Unternehmen war ein Misserfolg geworden. Der einzige, der an dem Projekt Gewinn gemacht haben dürfte, war Koberger.

Schon während der Herstellung hatte man inhaltlich nachgebessert, wie die beiden Annexe der Weltchronik belegen. Dennoch war insbesondere die Deutschlandbeschreibung zu kurz geraten, und auch sprachlich fehlt es der Kompilation an Feinschliff (mangelhafte Satzverbindungen, Satzbrüche). Schreyer stufte die Missstände derart hoch ein, dass er einen Monat vor Erscheinen der deutschen Ausgabe einen Vertrag mit Celtis zur Überarbeitung für eine zweite Auflage schloss, die neben einer Gesamtkorrektur eine neue Form und eine neue Europadarstellung enthalten sollte, aber nie zustande kam (Reske 2000).

Wie hoch die Auflage war, ist unbekannt. Derzeit lassen sich noch 1287 lateinische und 343 deutsche Exemplare belegen (nach dem Zensus von Paul Needham, siehe hierzu Reske 2009). Die noch vorhandenen deutschen Exemplare zeigen meist einen schlechteren Erhaltungszustand als die lateinischen; sie dürften eher "zerlesen" worden sein, warum die Auflage entsprechend höher anzusetzen sein dürfte (Reske 2000).

Augsburger Nachdrucke

Großen Anteil am Misserfolg der Nürnberger hatte aber auch der knapp drei Jahre später, am 18. September 1496, bei dem Augsburger Drucker >> (gest. 1521) erschienene, im Format verkleinerte Nachdruck der deutschen Ausgabe. Am 1. Februar 1497 folgte ein lateinischer Nachdruck. Für Schönsperger war das Werk anscheinend lukrativ, denn 1500 legte er die deutsche Ausgabe erneut auf.

Rezeption

Die Leser der Weltchronik befanden sich primär in den Städten und gehörten vor allem dem Weltklerus, der Klostergeistlichkeit und den städtischen Eliten an - weniger dem Adel, was sowohl für die lateinische als auch die deutsche Ausgabe gilt (Greene). Dies deckt sich mit den Empfehlungen der erhaltenen lateinischen Buchhändleranzeige, die das Zielpublikum in Gelehrten und Gebildeten verortete. Bis ins 17. Jahrhundert hinein konnte Greene eine aktive Rezeption der Weltchronik belegen. Heute ist die Weltchronik ein begehrtes Sammlerobjekt, insbesondere wegen der reichhaltigen Illustrierung.

Bayerische Staatsbibliothek