Goldene Bulle, 1356

Beschreibung

1356 auf Hoftagen in Nürnberg und Metz verkündete Gesetzessammlung. Ihren Namen erhielt sie von den Goldenen Siegeln, die sechs der sieben Ausfertigungen besaßen. Die Goldene Bulle bildete einen zentralen Baustein der Reichsverfassung und war bis zum Ende des Alten Reichs 1806 gültig. Sie regelte, teilweise auf ältere Bestimmungen zurückgreifend, die Königswahl, legte die Zahl und Rechte der Kurfürsten fest und schloss endgültig päpstliche Mitwirkungsansprüche aus. Der neugewählte König hatte seinen ersten Hoftag in Nürnberg zu halten. Die Goldene Bulle ignorierte die hausinternen Regelungen der Wittelsbacher zur Teilnahme an der Königswahl und reservierte dieses Recht allein dem Pfalzgrafen bei Rhein. Von den sieben Ausfertigungen befinden sich heute zwei in bayerischen Archiven: die für die Kurpfalz im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München, das für die Reichsstadt Nürnberg im Staatsarchiv Nürnberg.

Zum Inhalt

Die Goldene Bulle ist eine Gesetzessammlung Kaiser >> (reg. 1346-1378), die auf den Hoftagen von 1355/1356 (Kapitel 1-23) und Metz 1356/1357 (Kapitel 24-31) beraten und verkündet und in sieben Exemplaren (Mainz, Trier, Köln, Pfalz, Böhmen-Reich, Frankfurt, Nürnberg) ausgefertigt wurde. Verfasst ist sie in lateinischer Sprache, stilisiert nach den Gesetzen des Cursus und bewehrt mit einer goldgetriebenen Siegelkapsel (bulla aurea).

Sie enthält Bestimmungen zur Wahl, Erbfolge und zu den Reservatrechten der sieben Kurfürsten, das Verbot unrechter Fehde und der Pfalbürger (Ausbürger) sowie (im Metzer Teil) Details zur Ausübung der Erzämter. Hierbei greift sie zum Teil auf ältere Reichsrechte ( >> , reg. im Reich 1211/12-1250), auf den "Sachsenspiegel" sowie (vor allem in Bezug auf das Prinzip der Mehrheitswahl) auf das Kirchenrecht zurück. Die Stilisierung der rhetorischen Elemente geht vermutlich auf die Kanzlei unter dem Hofkanzler >> (Bischof von Leitomischl, reg. 1353-1364) zurück, wichtige staatstheoretische Grundgedanken (Mehrheitswahl, Überschweigen der päpstlichen Ansprüche auf Nomination und Approbation) stimmen mit den Theorien >> (Leopold III. von Bebenburg, reg. 1353-1363) (s. u.) überein.

Die Entstehungsorte Nürnberg und Metz

Die Verhandlungen zu Nürnberg fanden vermutlich in dem Privathaus "Zum güldenen Schild" der Kaufmannsfamilie (Bertold) Haller statt (heute: Schildgasse 24); die feierlichen Akte in Metz auch unter freiem Himmel. Als kaiserlicher Hofmeister amtierte >> , Burggraf von Nürnberg (1332-1357).

Teilnehmer des Nürnberger Hoftags aus dem heutigen Bayern

Zu den in Nürnberg präsenten (und in ihren Ämtern bestätigten) Kurfürsten aus der Familie der Wittelsbacher gehören: >> , Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern (Kurfürst 1353-1390), (sein Neffe) >> (Kurfürst 1390-1398), >> , Markgraf von Brandenburg (1351-1362). Der Rheinpfalzgraf wird sowohl in Willebriefen als auch in der Goldenen Bulle (Kapitel V) ausdrücklich in seiner Eigenschaft als Reichsvikar bestätigt. "Aus Furcht ferngeblieben" (wie >> [gest. 1364] vermerkt) waren >> , Markgraf von Brandenburg (1324-1351) und Herzog von Bayern (1349-1361) sowie dessen Bruder >> , Herzog von Bayern (1349-1375). Sie schlossen zum Jahreswechsel 1355/56 den Vertrag von Ingolstadt, der den status quo ante nach dem Hausvertrag von Pavia bestätigte.

Ferner sind als Teilnehmer die Bischöfe von Regensburg ( >> , reg. 1342-1365), Würzburg ( >> , reg. 1345-1372), Bamberg (Lupold) und Eichstätt ( >> , Burggraf von Nürnberg, reg. 1351-1365), belegt, die insgesamt in gutem Einvernehmen mit Karl IV. standen. Hinzu treten der Reichsforstmeister >> (Waltstromer), (gest. 1372), >> (gest. 1361) und >> (gest. 1372), Landvögte in Oberschwaben, sowie >> (1334-1378). Von den anwesenden Städten sind , , , Nürnberg, "Freistadt" und zu nennen. Nicht zu vergessen sind die beiden bayerischen Notare >> (Zufraß), Domkustos in (Notar 1353-1371, gest. 1387) sowie der dienstalte >> (Schatz) von Nürnberg (Notar 1330-1363).

Zur Überlieferung und Rezeption

Der Nürnberger Teil des böhmischen Exemplars (B/1) wurde entsprechend der Beschlussvorlage vom 10. Januar 1356 bis Mitte des Jahres 1356 in Prag schriftlich ausgefertigt und mit der namengebenden goldenen Bulle besiegelt. Die Reinschriften der vier kurrheinischen Exemplare wurden wahrscheinlich noch in Metz, unter Berücksichtigung der neugeschaffenen Kapitel XXIV-XXXI, ausgefertigt. Das Exemplar für die Reichsstadt Nürnberg (heute: StA Nürnberg, Rep. O, Reichsstadt Nürnberg, Urkunden vor 1401, Nr. 938), das zwischen 1366 (Frankfurter Ausfertigung) und 1378 (Tod Karls IV.) zu datieren ist, wurde auf der Basis von B/1 und einer verlorenen Abschrift des Metzer Teils geschrieben und als einziges von allen mit einem wächsernen Siegel geschlossen. Es enthält den kompletten Textbestand (einschließlich Vorgedicht und Inhaltsverzeichnis), weist keinerlei Brüche und Korrekturen auf und zeugt von einer klaren schreibgewohnten Kanzleihand.

Die Goldene Bulle wurde etwa ab 1400 zur Regulierung der Königswahl, zur Festlegung (und Ausweitung) kufürstlicher Rechte sowie zur Klärung lehens- und fehderechtlicher Fragen häufig beigezogen. Bislang wurden 173 spätmittelalterliche Abschriften nachgewiesen sowie 20 weitere aus der Neuzeit. Die meisten von ihnen folgen der böhmischen oder der Pfälzer Version. Diese Textzeugnisse stammen überwiegend aus dem fränkischen, schwäbischen und bayerischen Raum, in Einzelfällen aber auch aus Sachsen, Thüringen, Westfalen oder dem Gebiet des Deutschen Ordens.

Bestimmungen über Nürnberg als Hoftags-Ort

Neben Aachen (als Krönungsstadt) und Frankfurt (als Wahlstadt) wird auch Nürnberg in der Goldenen Bulle ausdrücklich hervorgehoben: In Kapitel XXIX heißt es, dass der jeweils erste Hoftag des neuerwählten Königs und künftigen Kaisers (prima regalis curia) ebendort abgehalten werden soll. Zwischen 1356 und 1487 haben sich fünf von sieben Königen nach diesen Bestimmungen gerichtet: >> (1383), >> (1401), >> (1438), >> (1443), >> (1487).

Bestimmungen zur Rolle Bayerns im Kur-System

Die Goldene Bulle überging die älteren Regelungen der Wittelsbacher zur wechselnden Teilnahme an der Königswahl und gestand nur der Pfälzer Linie die Kurwürde zu. Aufgrund dieser Zurücksetzung strebten die bayerischen Wittelsbacher fortan nach einer weiteren Kurwürde.

Gesamtwertung und Zusammenfassung

Die Goldene Bulle bildet eine in Nürnberg und Metz verkündete Gesetzessammlung, die in sieben Exemplaren ausgefertigt wurde. Ihr Schwergewicht liegt auf der detaillierten Bestimmungen zur Königswahl (nach dem Mehrheitswahlrecht) sowie auf der Vergabe der wichtigsten Privilegien an die Kurfürsten. Die Wittelsbacher sind mit zwei Fürsten (Ludwig VI. von Brandenburg, Ruprecht d. Ä. von der Pfalz) im neuen Kurkolleg vertreten, nicht aber die bayerischen Wittelsbacher. Die Ausführungen zum Verbot der Pfalbürger, der unrechten Fehde sowie der einständischen Verbindungen stellen wahrscheinlich nur Teillösungen größerer kaiserlicher Reformpläne dar. Einige der Reformbestimmungen, zum Beispiel die Abhaltung jährlicher Hoftage (in Kapitel 12), wurden niemals verwirklicht. Der Text weist demnach einen Kompromisscharakter auf, der auf Divergenzen zwischen dem Kaiser und den Kurfürsten (vor allem den rheinischen Erzbischöfen) zurückzuführen ist. Die Interessen der Städte wurden trotz einiger Ansätze (Verbot unrechter Zölle etc.) nur unzureichend berücksichtigt.

Die Goldene Bulle wurde, wie die hohe Zahl der Abschriften beweist, in Spätmittelalter und Frühneuzeit in Fragen des Reichs- und Lehenrechts häufig konsultiert. Als zentraler Baustein der Reichsverfassung blieb sie bis zum Ende des Alten Reichs (1806) in Kraft.

Bayerische Staatsbibliothek