Goldener Steig

Beschreibung

Der Goldene Steig war eine der wichtigsten mitteleuropäischen Handelsstraßen. Er verlief auf mehreren Routen zwischen Böhmen und bayerischen sowie österreichischen Gebieten an der Donau. In historischen Quellen seit 1010 nachweisbar, lag seine Blütezeit zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert kam der Verkehr auf dem Goldenen Steig zum Erliegen. Nach Ende des Kalten Krieges wieder verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, bildet der Goldene Steig nun eine "kulturelle Verbindungslinie" zwischen Tschechien und Bayern.

Überregionale Bedeutung und Name

Der Goldene Steig verband als Bestandteil des mittelalterlichen Verkehrssystems Mitteleuropas die böhmischen Länder mit dem deutschen Donaugebiet und mit den davon südlich gelegenen Gebieten. Die Bezeichnung "Golden" benutzte man nachweislich seit Anfang des 16. Jahrhunderts. Nach >> (geb. 1935) weist diese Bezeichnung auf die Ertragshöhe des blühenden Handels hin. Die These von Jaroslav Kudrnáč, wonach der Begriff von Goldgruben entlang des Steiges herrührte, wird mittlerweile weithin abgelehnt. Vor dem 16. Jahrhundert wurde der Goldene Steig auch "Passauer Weg", "Prachatitzer Weg" oder "Salzweg" genannt.

Frühzeit der Straße und herrschaftliche Politik

Die Route des Goldenen Steiges wurde vielleicht schon in der Vorzeit benutzt, obwohl dies die bisherige archäologische Forschung nur andeutet. Die Vermutung wird aber immer wahrscheinlicher, denn um das Jahr 2000 tauchten mehrere vorzeitliche Funde direkt an den späteren Routen des Goldenen Steiges auf (Burg Kunžvart bei Strážný, Blažejovice, Stožec usw.).

Die ersten historischen Nachrichten über den Goldenen Steig stammen vom Anfang des 11. Jahrhunderts. König >> (reg. 1002-1022, als Kaiser ab 1014) überließ 1010 dem Frauenkloster Niedernburg in die Mauteinnahmen am Weg nach Böhmen. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts schenkte der böhmische König >> (reg. 1061-1092, als König von Böhmen ab 1086) ähnliche Gebühren am Weg aus Prachatice (Prachatitz) nach Passau dem Prager Domkapitel Vyšehrad (Kollegiatstift St. Peter und Paul). Die beiden beschenkten kirchlichen Institutionen verwalteten einige Zeit lang den Weg. Auf bayerischer Seite trat an der Wende des 12. und 13. Jahrhunderts das Bistum Passau an die Stelle des Klosters Niedernburg. Auf böhmischer Seite wurde das Wyschehrader Kapitel während der Hussitenkriege am Anfang des 15. Jahrhunderts durch das bedeutende Adelsgeschlecht der Herren von Rosenberg abgelöst.

Der Goldene Steig wurde im Mittelalter von den einzelnen Obrigkeiten auf beiden Seiten der Grenze ausgebaut; direkte Belege dafür sind jedoch kaum vorhanden. Präzise nachweisbar sind allerdings Reparaturen des Weges – ein Teil der aufgehobenen Zollgebühren wurde planmäßig und regelmäßig dafür verwendet. Bekannt ist etwa ein Fall aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, als das Kloster Niedernburg einen Teil seiner Mauteinnahmen an das Wyschehrader Kapitel zur Reparierung der Moldaubrücke am Prachatitzer Zweig abführen musste.

Verlauf

Der Goldene Steig führte ursprünglich von Passau nach Prachatice (heutige Gemeinde Staré Prachatice /Alt-Prachatitz, ein Kilometer nördlich von der Stadt Prachatice/Prachatitz). Sein Verkehrssystem hat sich im Laufe der Jahrhunderte weiterentwickelt. Seit dem 14. Jahrhundert bestand es aus drei Hauptrouten:

dem Unteren Goldenen Steig von Passau nach Prachatitz über (Lkr. Passau), (Lkr. Straubing-Bogen), (Gde. Röhrnbach), , (Gde. Grainet, alle Lkr. Freyung-Grafenau), České Žleby (Böhmisch Röhren), Volary (Wallern), Blažejovice (Plahetschlag) und Libínské Sedlo (Pfefferschlag)dem Mittleren Goldenen Steig von Passau nach Vimperk (Winterberg) über (Gde. Röhrnbach), (Gde. Waldkirchen), (alle Lkr. Freyung-Grafenau), Strážný (Kuschwarda), Horní Vltavice (Obermoldau) und Solná Lhota (Salzweg) dem Oberen Goldenen Steig von Passau nach Kašperské Hory (Bergreichenstein) über , , , (Gde. Mauth, alle Lkr. Freyung-Grafenau), Kvilda (Aussergefild) und Zhůří (Haidl)

Burgen und Städte am Goldenen Steig

Zum Schutz des Goldenen Steiges wurden Burgen und kleine befestigte Wehranlagen gebaut: Stožec (Tusset), Kunžvart (Kunzwarte), Hus (Gans), Vitějovice (Vitiejitz) und Kašperk (Karlsberg) in Böhmen und und Wolfstein (beide Lkr. Freyung-Grafenau) im Gebiet des Hochstifts Passau.

Die bedeutendste Stellung unter den Ortschaften am Goldenen Steig nahmen auf böhmischer Seite die Gemeinde Prachatice (Alt-Prachatitz, seit Wende des 13./14. Jahrhunderts die neu entstandene Stadt Prachatitz) und auf deutscher Seite die Bischofsstadt Passau ein. Besonders die Stadt Prachatice war mit dem Goldenen Steig eng verknüpft. Das neue Prachatitz entstand in dem breiten Talbecken unter dem Libinberg; die alte Stadt hatte den räumlichen Anforderungen des wachsenden Handels am Steig nicht mehr genügt. Ausschließlich aufgrund der Einnahmen aus Handel und Zoll am Goldenen Steig entwickelte sie sich zu einer der bedeutendsten Städte Böhmens und erhielt ihre bis heute erhaltene Renaissance-Gestalt.

Aufgrund des späten Zeitpunktes ihrer Errichtung im 17. und 18. Jahrhundert kommt den Neugründungen von Siedlungen entlang des Goldenen Steiges Ausnahmecharakter zu (z. B. 1618 [seit 1963 nicht mehr bewohnt], 1705 [beide Gde. Haidmühle] am Winterberger Zweig; 1698 , 1704 [Gde. Mauth, alle Lkr. Freyung-Grafenau] am Bergreichensteiner Zweig). Damit sollte die "Infrastruktur" des Handelsweges verbessert werden.

Handelsgüter

Der wichtigste Handelsartikel, der auf dem Goldenen Steig transportiert wurde, war Salz. Die böhmischen Länder litten unter Mangel an Salz und mussten es importieren. Von den Salzlagern im Alpengebiet (, Hallein, Hallstatt) transportierte man das Salz auf den Flüssen nach Passau und dann weiter mit Saumpferden auf dem Goldenen Steig über den Böhmerwald nach Böhmen. Auf derselben Route führte man nach Böhmen auch kostbare Stoffe, Südfrüchte, Gewürze, Eisen, Weine und Waffen und umgekehrt nach Passau Getreide, Malz, Hopfen, Honig, Butter, Käse, Wolle, Felle, Bier und den beliebten Prachatitzer Branntwein.

Organisation des Handelsverkehrs

Die Hauptträger des Handels über den Goldenen Steig waren die Säumer, meistens Bauern, die die Waren mit ihren Saumpferden entweder in eigener Regie oder im Dienst der Großhändler transportierten. Sie fanden sich aus Sicherheitsgründen in Saumzügen (Karawanen) zusammen und nahmen manchmal auch bewaffnete Begleitung an. Die Saumzüge waren das ganze Jahr über tätig, hauptsächlich aber zogen sie nach der Ernte und nach den Herbstarbeiten über den Goldenen Steig, da die Wege in nassen Abschnitten schon zugefroren waren und auf dem Rückweg nach Passau Getreide als Hauptlast transportiert werden konnte. Der Saumzug musste nach einem Tagesmarsch von etwa 20-25 km übernachten. Gerade in solchen Entfernungen entstanden auf der Hauptroute nach Prachatice die größten Säumersiedlungen: im Passauischen (Lkr. Freyung-Grafenau) und Volary (Wallern) in Böhmen. Die Gelegenheit zum Übernachten bot sich aber auch in anderen Säumerorten, die entlang aller drei Zweige des Goldenen Steiges entstanden waren. In gewissen Abständen waren entlang des Steiges Tränken für Tiere vorhanden.

Gefahren, Räuberei und Schleichhandel

Das Reisen durch eine ungastliche und wilde Berggegend beinhaltete allerlei Gefahren. Die Säumer wurden manchmal von wilden Tieren angegriffen. Der rege Verkehr auf dem Goldenen Steig lockte häufig Räuber, und in Form von Raubüberfällen spielte sich meistens auch der Konkurrenzkampf einzelner Städte entlang des Steiges um Handelsmonopole ab. Die langen und unübersehbaren Strecken in einer gegliederten und bewaldeten Berglandschaft boten genügend Möglichkeiten zu Angriffen auf langsam fortschreitende Saumzüge. Der Höhepunkt der räuberischen Aktivitäten am Goldenen Steig war in der Zeit nach den Hussitenkriegen. Der Ritter Habart Lopata von Hrádek bemächtigte sich sogar der Burg Hus (Gans) und störte durch ständige Überfälle den Verkehr auf dem Goldenen Steig. Die umliegenden Städte und Adligen bildeten eine bewaffnete Koalition, eroberten die Burg Hus im Jahr 1441 und rissen sie nieder. Zu Streitigkeiten kam es aber auch weiterhin. Einige Säumer und Käufer nutzten, um den Zoll- und Mautgebühren zu entgehen, die verbotenen Wege. Der bekannteste Schleichweg führte durch das Blanice-Tal nach Husinec, wo es oft zu bewaffneten Streitigkeiten kam. Um den Schmuggel zu verhindern, wurden die Ämter der Steigwächter und (bewaffneten) Überreiter eingerichtet. Fassten diese die Schmuggler, konnten deren Pferde und Ladung eingezogen werden.

Wirtschaftliche und soziale Bedeutung der Straße

Die Säumer verdienten in guten Jahren, allen Gefahren ihres schweren Berufes zum Trotz, gut. Einige wurden sogar reich, wie Thomas Sitter, Erbauer des Renaissance-Hauses am Marktplatz in Prachatice (heute Museum) oder Hans Praxl (nachgewiesen Ende 16., Anfang 17. Jahrhundert), Bürgermeister und Ahnherr der Säumerfamilie aus Volary (Wallern). Im Jahr 1538 erließ der Passauer Bistumsadministrator Herzog >> (reg. 1517-1540) die erste Passauer Säumerordnung, die den Umfang des Verkehrs auf dem Goldenen Steig begrenzen sollte: Jeder Säumer konnte den Weg Passau-Prachatice und zurück nur einmal in der Woche absolvieren. Ledige Männer waren vom Saumen völlig ausgeschlossen. Solche Ordnungen sind von böhmischer Seite nicht überliefert.

In der Blütezeit der mittelalterlichen Handelswege vom 14. bis zum 16. Jahrhundert gehörte der Goldene Steig zu den bedeutendsten mitteleuropäischen Verbindungsstraßen. Die Hussitenkriege unterbrachen den Verkehr, aber im 16. Jahrhundert erlebte der Goldene Steig seine glänzendste Periode. Durch Prachatice gingen damals wöchentlich bis zu 1.200 Saumpferde, die jährlich mehr als 3 Mio. Liter Salz brachten. Erst der Dreißigjährige Krieg und die wachsende Konkurrenz des bayerischen und österreichisch-habsburgischen Salzes versetzten dem Passauer Salzhandel auf dem Goldenen Steig einen großen Schlag. Die Habsburger konnten 1706 ein Monopol auf ihr aus Linz nach České Budějovice (Budweis) eingeführtes Salz durchsetzen. Von wirtschaftlicher Bedeutung waren auch die Glashütten des Böhmerwaldes, die vor allem in der Frühen Neuzeit gezielt entlang der Routen des Goldenen Steiges angesiedelt wurden (z. B. Kubohütten, Korkushütten). Der Transport ihrer Erzeugnisse in die Zielgebiete war damit gesichert.

Anfang des 18. Jahrhunderts kam der Verkehr auf dem Goldenen Steig völlig zum Erliegen. Die Habsburger versuchten im 18. und 19. Jahrhundert, die Routen des Goldenen Steiges ins neuzeitliche Straßennetz einzubauen, aber geeignet war nur der Winterberger Zweig (heute die Straße über den Grenzübergang Strážný-Philippsreut). Dieser Zweig stellte die direkteste Verbindung zwischen Salzburg, Passau und Prag dar und verfügte über das günstigste Terrain.

Forschung und öffentliches Interesse

Das Interesse der Fachleute und der breiten Öffentlichkeit für den Goldenen Steig besteht schon seit dem 19. Jahrhundert. Nach dem Ende der kommunistischen Periode in der damaligen Tschechoslowakei im Jahr 1989 wuchs es stetig. Seit dem Jahr 1990 existiert in deutsch-tschechischer Zusammenarbeit eine systematische historisch-archäologische Erforschung, die den Verlauf dieser mittelalterlichen Handelsroute im Terrain rekonstruierte und alle erhaltenen Überreste dokumentierte. Sie knüpfte an Resultate der langjährigen Forschungsarbeit des Archivars Paul Praxl aus Waldkirchen an. 2008 wurde die Erforschung der böhmischen Teile des Goldenen Steiges vollendet und mit der der deutschen Teile bis Passau begonnen.

Eine Reihe von wissenschaftlichen Konferenzen, Ausstellungen, Dauerausstellungen, Publikationen, Erinnerungsveranstaltungen und touristischen Aktionen bezeugt, dass der Goldene Steig zu neuem Leben erwacht. Er dient nun als kulturelle Verbindungslinie zwischen den Ländern auf beiden Seiten des Böhmerwaldes. Tschechische Lehrpfade am Prachatitzer (seit 1998) und Winterberger Zweig (seit 1999) des Goldenen Steiges schließen an der Grenze an die schon seit den 1980er Jahren existierenden deutschen Lehrpfade an.

Bayerische Staatsbibliothek