Herzoglicher Rat (Herzogtum Bayern)

Beschreibung

Mit dem Anwachsen landesherrlicher Aufgaben hängt die seit Mitte des 13. Jahrhunderts nachweisbare Rekrutierung von entweder aus dem ministerialischen oder dem landsässigen ritterbürtigen Adel stammenden Ratgebern an den herzoglichen Hof zusammen. Seit dem 14. Jahrhundert war der Rat fest in der Hand des einheimischen Adels, der somit Teilhabe an der Regierung des Landes erhielt. Der herzogliche Rat hatte einen mannigfaltigen Aufgabenkreis, der diplomatische Dienste, Tätigkeiten im herzoglichen Verwaltungsapparat bei Hofe oder im Lande oder auch die Tätigkeit als Beisitzer im Hofgericht umfassen konnte. Ende des 15. Jahrhunderts wandelten sich die Ratskollegien zu behördenartigen Gremien. Als zunächst einzige Zentralbehörde entstand der Hofrat, bevor Mitte des 16. Jahrhunderts Geschwisterbehörden eingerichtet wurden.

Entstehung

Die Landesherrschaft des Herzogs in Bayern wuchs seit dem aus­gehenden 12. Jahrhundert, als das Haus Scheyern-Wittelsbach Amt und Funktion übernommen hatte, in einer Weise an, dass die Inhaber mit ihrem engeren Hausgefolge nicht mehr in der Lage waren, alle Aufgaben im Heerbann, in der Landfriedenswahrung, der Gerichtsbarkeit und der Kammergutsverwaltung wahrzu­nehmen. Wie die Herzöge für die regionalen und lokalen Amtsfunktionen Beauftragte einsetzten, so suchten sie für den engeren Umkreis der herzoglichen Hofhaltung Helfer, um anstehende politische und rechtliche Probleme zu lösen und landesherrliche Entscheidungen durchzusetzen. Unter der Bezeichnung "Consules, Consiliarii, Ratgeben" sind sie im herzoglichen Umfeld seit der Mitte des 13. Jahrhunderts an den bayerischen Herzogs­höfen in Oberbayern und in Niederbayern belegt.

Auswahlkriterien

Die hier wir­kenden Personen mussten Ansehen und Vermögen sowie Durchsetzungs­kraft besitzen. Ebenfalls mussten sie zur Führungsschicht des Landes, den "Meliores et maiores terrae", gehören, um vom Land her dem Landesherren Rat zu geben und für die Durchsetzung der Ent­scheidungen des Fürstenhofes im Land zu sorgen.

Der Landesherr war wohl frei in der Auswahl der an den Hof geholten Ratgeber; er konnte sie jedoch nur aus dem Kreis des ministerialischen, dann des ritterbürtig landsässigenAdels berufen. Man unterschied die "täglichen Räte", die längere Zeit ununterbrochen am Herzogshof zu Diensten standen, und die "Räte von Haus" aus, die von ihrer Burg (dem "festen Haus") aus beim Landesherrn erschienen, wenn dieser sich mit seinem Ge­folge im näheren Umkreis aufhielt.

Einfluss der Landstände

Seit der Wende zum 14. Jahrhundert nahm der Einfluss der Land­stände, besonders im niederbayerischen Landesteil, zu. Die Führungsgruppe auf den Landtagen, der höhere Adel, achtete be­sonders darauf, dass nur Einheimische zum Ratsdienst herange­zogen wurden. Damit wollten die Landstände der Überfremdung in der nächsten Umgebung des Landesherrn entgegenwirken. Eben­so ließen sie sich immer wieder verbriefen, dass auch zu den höhe­ren Ämtern der herzoglichen Verwaltung (Viztum, Rentmeister) nur Landsleute zugelassen werden sollten. Alle diese Positionen waren fest in der Hand der Adelskurien der Landstände; gelegentlich fanden Bürger aus den bedeutenderen Städten, vor allem den Regierungsstädten und , Zugang zum herzoglichen Rat. Sie gehörten durchweg zur bürgerlichen Oberschicht und besaßen große Vermögen.

Aufgaben

Der Aufgabenkreis des herzoglichen Rats war grundsätzlich unbegrenzt. Beziehungen nach außen einschließlich der Kriege, Landfriedenssachen, Angelegenheiten der inneren Verwaltung und des herzoglichen Hauses, die Jurisdiktion im Hofgericht und der Beitrag des Landes zum Aufwand des Herzog­hauses und der Herrschaftsorganisation standen zur Erörterung im Kreis der "Ratgeben" um den Herzog an. Der Landesherr war kein Alleinherrscher; er konnte nur mit "Rat und Hilfe" der Landleute auf Dauer das Fürstentum stabi­lisieren. Nur im Zusammenwirken von Fürst und Land, darge­stellt in erster Linie vom Landsassen-Adel, war die spätmittelalterliche "Staatlichkeit" zu realisieren. Angelpunkt, an dem die beiderseitigen Anliegen und Interessen artikuliert und in Aktionen umgesetzt werden konnten, war der herzogliche Rat. Sein Einfluss wechselte entsprechend der Handlungs- und Durch­setzungsfähigkeit der Fürsten und der Entschlusskraft der Ratsmitglieder. Wie die Landstände insgesamt, so gewannen auch die aus ihrem Kreis kommenden Räte besonderen Einfluss bei der Erhebung und gelegentlich auch bei der Verwendung der Landsteuer.

Mitglieder des herzoglichen Rates fungierten auch als Beisitzer im Hof­gericht, die dort unter dem Vorsitz des Herzogs oder in dessen Vertretung des Hofmeisters die Urteile fanden. Für diese Tätigkeit waren besonders gute Rechtskenntnisse notwendig. Syste­matisch auf Universitäten geschulte Juristen fanden genauso wie die aufgrund ihrer speziellen Kenntnisse des Kanonischen Rechts gefragten Kleriker jedoch erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Zugang zu den her­zoglichen Ratskollegien.

Dieses System der herzoglichen Räte in den einzelnen Teil­herzogtümern schloss nicht aus, dass sich die Fürsten spezieller Ratgeber in vertraulicher Weise bedienten. Zeitweise wurden diese als "Secretarii" oder "Heimliche" bezeichnet. Sie waren in erster Linie auf die Wahrung der fürstlichen Interessen verpflichtet, standen oft auch im Gegensatz zu den aus dem Landadel kommenden Ratgeben. Eine besonders wichtige Rolle spiel­ten die heimlichen Räte zur Zeit Kaiser >> (reg. 1314-1347 als römisch-deutscher König, seit 1328 als Kaiser).

Die Entstehung des Hofrats und seiner Geschwisterbehörden

Ende des 15. Jahrhunderts formierten sich die herzoglichen Ratskollegien zu behördenartigen Gremien, deren Mitglieder vom Amt finan­ziell abhängig waren. Als Fürstendiener waren sie mehr auf den Landesherrn fixiert als die aus dem landsässigen höheren Adel kommenden "Ratgeben" des 14. und frühen 15. Jahrhunderts. Sie wurden Träger der landesfürstlichen Bürokratie, die die "Obrigkeit" seit dem 16. Jahrhundert in neuer Form prägte.

Als zunächst einzige zentrale Behörde entstand seit Ende des 15. Jahrhunderts zunächst der Hofrat. Er rekrutierte sich aus den Inhabern der höchsten Hofämter und den für spezielle Angelegenheiten herangezogenen Ratgebern des Herzogs aus Adel und Geistlichkeit. Dazu kamen Räte, die sich ständig bei Hofe aufhielten. Aus diesem Personenkreis entwickelte sich ein fest institutionalisiertes Gremium, dem der Hofmeister vorstand. Der Hofrat tagte in regelmäßigen Abständen und erhielt festgelegte Befugnisse. Ebenso verfügte er über eine eigene Kanzlei. Die Bezeichnung "Hofräte" erscheint erstmalig in der niederbayerischen Landesordnung von 1501.

Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der Hofrat den sich stetig ausdifferenzierenden Aufgaben allerdings nicht mehr Herr; eine Arbeitsteilung wurde notwendig. So schuf die herzogliche Verwaltung als Glieder des Hofrates Geschwisterbehörden, die sukzessive zu eigenständigen Stellen formiert wurden. Den Anfang machte 1550 die für alle finanziellen Belange zuständige Hofkammer, der 1570 der für Religionsangelegenheiten bestimmte Geistliche Rat folgte. 1583 wurde unter Herzog >> (reg. 1579-1597) der Kriegsrat eingerichtet und wenig später der Geheime Rat, der sich allgemein "wichtigen" und geheimen außen- und finanzpolitischen Themen sowie den Belangen des herzoglichen Hauses zu widmen hatte. Im Gegensatz zu den anderen Zentralbehörden konstituierte sich der Geheime Rat allerdings nicht als Abspaltung des Hofrates, sondern aus einem Kreis bedeutender Berater, die vorher noch kein institutionalisiertes Gremium gebildet hatten. Er entwickelte sich schließlich zur herzoglichen Regierungszentrale und löste den Hofrat als wichtigstes Gremium ab.

Bayerische Staatsbibliothek