Passau, Dom
Beschreibung
Der Passauer Dom lässt sich möglicherweise bis auf die Spätantike zurückführen, sicher bezeugt ist er aber erst im 8. Jahrhundert. Im 10. Jahrhundert erfolgte unter Bischof Pilgrim (reg. 971-991) ein Neubau. Seitdem erlebte der Dom zwar mehrfach teilweise tiefgreifende Veränderungen, wurde aber niemals mehr vollständig neu erbaut. Aus der Spätgotik stammen der bis heute erhaltene Chor und das Querhaus, während das spätgotische Langhaus und der Vierungsturm beim Stadtbrand 1662 zerstört wurden. Der Wiederaufbau im Barockstil, bei dem auch die gotischen Teile dem Zeitgeschmack entsprechend verändert wurden, war Anfang des 18. Jahrhunderts abgeschlossen. Der Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts fiel der Domkreuzgang zum Opfer. Weitere große Eingriffe waren im 19. Jahrhundert der neue Hochaltar 1842/44 und die Umgestaltung der Westfassade 1895/97. 1924/29 wurde im Passauer Dom die größte Kirchenorgel der Welt eingebaut. Bei der Renovierung der 1970er Jahre erhielt der Dom wiederum einen neuen Hochaltar.
Der antike Kirchenbau
Es besteht kein Zweifel an der Verwurzelung der Kirche von im römischen Christentum, aber die nicht hinreichende Aussagekraft der bisher bekannten archäologischen Befunde, dann die magere schriftliche Überlieferung und schließlich die frühmittelalterlichen Quellenfälschungen, die am zutreffendsten mit dem Begriff der "Lorcher Tradition" erfasst werden, machen Aussagen zu Entstehung, Organisation und Entwicklung des Christentums in der Stadt Passau vom 3./4. bis ins frühe 8. Jahrhundert außerordentlich problematisch. Spätestens ab dem 5. Jahrhundert gab es auf dem Passauer Domberg (wohl unter dem heutigen Dom) eine Kirche, eventuell eine Friedhofskirche.
Die Agilolfinger-Kirche
Um 700 ist (im heutigen Domhof) ein weiterer Kirchenbau dazu gekommen; spätestens ab diesem Datum muss man von einer Funktionsdifferenzierung ausgehen. Eine bisher nicht angemessen erörterte historiographische Tradition beruft sich auf ein im Dom befindliches Epitaph mit Inschrift und datiert den von der "Herzogin Plektrude" geförderten "Dombau" in das 7. Jahrhundert oder auf das Jahr 708.
Der Dom in agilolfingischer Zeit
Seit einem nicht eindeutig fassbaren Termin in den 730er Jahren, frühestens 731 (Beginn des Pontifikats von Papst >> [reg. 731-741], der den ersten Passauer Bischof >> weihte), spätestens 737/38, ist die Kirche auf dem Domberg Bischofskirche (nicht erst seit 739, dem Gründungsdatum der bayerischen Landeskirche); spätestens 736 ist sie erstmals mit dem Patrozinium des hl. >> bezeugt. Unklar ist, ob und welche Baumaßnahmen mit der Rangerhöhung zur Bischofskirche verbunden waren.
Der Pilgrim-Dom
Der spätantik-agilolfingisch-karolingische Dom wurde im Zuge des Aufstands des bayerischen Herzogs >> (reg. 955-976/985-995) möglicherweise im Juni/Juli 976 erstmals geschädigt und dann bei und nach der kaiserlichen Wiedereroberung der Stadt Passau im September/Oktober 977 offenbar so weit zerstört, dass Bischof >> (reg. 971-991) zu einem Neubau schritt. Die der spätgotischen Vierungs- und Chorachse parallele Südmauer der vor dem spätgotischen Dom entstandenen Sixtus- bzw. Ortenburg-Kapelle legt nahe, dass der aus dem Spätmittelalter erhaltene Baubestand in Lage und Ausrichtung den Pilgrim-Bau widerspiegelt. Auf dieser Prämisse ergibt sich aus der archäoastronomischen Untersuchung als Datum für die astronomische Orientierung des Langhauses der Fastenquatember (8. März) 982 und als Datum für die davon abweichende Orientierung des Chores der folgende Sonntag (12. März) des gleichen Jahres – mit dieser "geknickten Achse" ist der Passauer Dom die älteste erhaltene Kirche mit liturgisch-astronomischer Bauausrichtung. Nach nur vierjähriger Bauzeit, in der zumindest der Chor und die offenbar (teils) darunter liegende Krypta geschaffen wurden, erfolgte am 5. August 985 die Weihe des ersten Altars des Neubaus; zu diesem Ereignis kamen die Reliquien des hl. >> von nach Passau. Der Bau war eine dreischiffige Basilika zu sechs Jochen und mit Doppelturmfassade im Westen; die Querhaus- und Chorgestaltung ist unklar. Der Bau folgte dem Rastermaß 33, und zwar bei den Seitenschiffjochen mit 33 x 33 Schuh, den Langhausjochen mit 33 x 44 Schuh, und einer Gesamtlänge des Langhauses bis zum Querhaus von 33 Klafter, war also orientiert an der Maßzahl der irdischen Lebensjahre des Erlösers. Von 985 bis 1120 gibt es keine Nachrichten zur Baugeschichte; die Schwerpunktsetzung Bischof >> (reg. 1065-1085) bei seiner Gründung St. Nikola und der folgende "Investiturstreit" mit bis zum Jahr 1115 in Passau residierenden Gegenbischöfen erklären dies hinreichend.
Romanik
Bischof >> (reg. 1092-1121), der Erneuerer der Diözese nach dem "Investiturstreit", ließ noch 1120 die Krypta vergrößern, die von da an bis 1254 als Bischofsgrablege diente (danach im Langhaus). Bei den Ausschachtungsarbeiten für diese Baumaßnahme wurden die Reliquien des hl. >> aufgefunden. 1181 schädigte ein Brand den Dom sehr. Die folgenden Bauarbeiten stellten die Funktionsfähigkeit des Domes wieder her; in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde die verlorene Ausstattung ersetzt und erste Kapellen in den Kreuzgang eingebaut.
Gotik
Erneuerung und Umbau des Domes im frühgotischen Geist begannen unter Fürstbischof >> (reg. 1285-1313). Bei seinem Tod waren Chor und Vierung sowie der Kreuzgang mit den Kapellen offenbar schon sehr weit gediehen; besonders wichtig ist die Herren-/Andreaskapelle des Domkapitels, um 1300, "einer der frühesten gotischen Hallenräume im deutschen Südosten". Von ca. 1320 bis ca. 1395 folgte der Bau des Langhauses und der Westtürme, wobei offenbar an den Westtürmen wenig geschah und nur die zwei daran anschließenden Joche voll ausgebaut wurden. Ca. 1333 bis 1370 wurden zahlreiche Altäre gestiftet. Der Aufstand des Andreas Haller 1367 und die folgenden finanziellen Probleme des Hochstifts dürften eine Zäsur im Baugeschehen dargestellt haben.
Spätgotik
Fürstbischof >> (reg. 1390-1423) setzte die Dombauarbeiten im spätgotischen Stil fort; der plastische Schmuck des Kreuzganges erstand offenbar um 1400. Aus dem Geist der Parler-Schule erneuerte Meister >> (gest. vor 1437) den Chor (Bauinschrift 1407), dessen äußere Erscheinungsform durch die beibehaltene (Hoch-)Krypta bestimmt wurde. 1414 wurde der Herren-/Andreaskapelle der Erasmus-Chor angefügt; dabei wurde erstmals in Passau das reich profilierte Sternrippengewölbe verwendet. Das Kreuzgang-Portal folgte um 1435/40. In der Herrenkapelle entstand damals die Scheintumba des Dompropstes Paul von Polheim (gest. 1440) eines der "wichtigsten (Grabmäler) der ganzen Zeit in Süddeutschland" (Wilhelm Pinder). Nach der (provisorischen) Fertigstellung des Langhauses (vor 1444) wurde unter Dombaumeister >> (vor 1450-1466) der Chor fertig und das Querhaus weit vorangebracht. In den 1470er Jahren wurde auch der Innenraum des Domes gestaltet. Die Zeit Fürstbischofs >> (1486-1490) erlebte den Abschluss der Bauarbeiten am Querhaus und dem dort befindlichen Stephanstürmchen. Die Bildquellen zum vorbarocken Dom bieten keine sichere Grundlage für die Beurteilung des Baugeschehens dieser Epoche, obwohl sie regelmäßig dazu herangezogen werden. 1522 bis 1524 folgte der Vierungsturm. Mit der Langhauseinwölbung (abgeschlossen nach 1569) endete die Arbeit am spätgotischen Dom, einem Hauptwerk der süddeutschen Kathedralgotik und einem Meisterwerk der europäischen Kirchenbaukunst.
Renaissance
Die Vereinigung der Steinmetz- mit der Corporis-Christi- und Arme-Scholaren-Zeche (1586) ist Zeichen für das Ende des mittelalterlichen Dombauhüttenbetriebs. Nur einige wenige Bau- und Ausstattungsmaßnahmen erfolgten in der Epoche der Renaissance bzw. des Manierismus (v. a. Trenbachkapelle).
Der Barock-Dom
Der erste Passauer Stadtbrand (1662) zerstörte beinahe ganz Passau. Vom Dom blieben nur der Chor, das Querhaus und die Mauern des Langhauses übrig. Der Wiederaufbauplan von Fürstbischof >> (reg. 1664-1673) zielte auf die Integration des erhaltenen gotischen Baukörpers, der barock überformt und an die Erscheinung des Neubaus (Langhaus, Westfassade) angeglichen wurde. Weitergeführt und abgeschlossen wurden Bau und Ausstattung unter den Fürstbischöfen >> (reg. 1673-1689) und >> (reg. 1689-1712). Die beteiligten Künstler zählten fast alle zum Kreis der sog. Intelvi-Meister: Baumeister waren >> (1615-1684) und >> (1650-1713); die Stuckierung stammt von >> (gest. ca. 1718/21) und >> (1655-1729), [[person122163974:Bartolomeo Carlone]] (1650-1724), Giorgio Spazzo (auch Georg Spazin), Giovanni Pietro Camuzzi (gest. 1718), >> (geb. ca. 1668/69, Seitenportale); Freskierung zunächst durch >> (ab 1679, lebte 1623-1685), dann >> (1645-1686), schließlich >> (1658-1690) (Abschluss 1688). Die Altarblätter der Seitenaltäre im Querhaus wie in den Langhauskapellen entstanden bis 1698, geschaffen von >> (geb. 1606) und >> (1654-1730), >> (1658-1735), >> (1652-1716) sowie >> (1651-1729). Bau, Ausstattung und ikonographisches Programm machen den Dom zu Passau mit dem zu Salzburg zum "anspruchsvollste(n) Kirchenbau des 17. Jahrhunderts nördlich der Alpen", dem Musterexemplar des barocken Gesamtkunstwerks im süddeutsch-österreichischen Raum. Als Wegbereiter der religiösen wie der profanen Kunst des 18. Jahrhunderts ist der Passauer Dom einzigartig. Theologisch wie künstlerisch herausragend ist auch das aus katholischem Geist heraus konzipierte ikonographische Programm: Die Messe ist das göttliche Gnadengeschenk und die Kirche ist gemäß dem göttlichen Heilsplan, ersehnt seit vorbiblischen Zeiten, dessen Ausspenderin bis zum Weltenende; den Weg des Menschen in den Himmel bereiten die im Glauben verwurzelten Tugenden.
Die Barockhaube der Vierung wurde 1707 aufgesetzt; 1709/10 monumentalisierte Baumeister >> (1680-1743) die Westfront des Domes durch Anfügung der Lambergkapelle. Die Kanzel von >> (1675-1735) und >> (1687-1748) kam erst 1726 in den Dom. Bei der Säkularisation verlor der Dom das Chorgestühl und zahlreiche weitere Stücke der Ausstattung; der größte Verlust war der Abbruch des Kreuzgangs und der Kapellen des Dominnenhofs (1812/13); zahlreiche bedeutende Grabdenkmäler blieben jedoch erhalten.
Der Dom seit dem 19. Jahrhundert
Bischof >> (reg. 1839-1875) purifizierte den Dom und ließ 1842/44 einen neuen Hochaltar aufstellen. In seiner Epoche kamen auch einige kleinere Stücke in den Dom. 1842 wurde die Herrenkapelle umgestaltet, 1860 deren Fassade in die Ostwand des Domhofes eingefügt. 1857 ließ der Bischof die Schwalbennestorgeln von den Vierungspfeilern entfernen und auf die Seitenemporen verlegen. 1866 wurde die Westfassade neu dekoriert.
1895 bis 1897 setzte Baumeister >> (1850-1928) die Oktogone auf die Westtürme; gleichzeitig wurde die Westfassade erneut umgestaltet. Seither bestimmt der Dreiklang der Hauben von Vierung und Türmen den Ferneindruck des Domes.
Die Tradition großer Orgeln im Dom gipfelte 1924 bis 1928 im Einbau einer Riesen-Orgel durch die renommierte Firma Steinmeyer/Öttingen. 1977 bis 1980 erneuerte die Passauer Firma Eisenbarth die Orgel, die in der Folge nochmals vergrößert wurde (Stand 2009: 233 Register mit 17.974 Pfeifen) - die größte Domorgel der Welt, "ein an Technik und Umfang unübertroffenes Wunderwerk", deren regelmäßige Vorführungen zu den festen Punkten des Passauer Kulturlebens und Tourismus gehören.
Seit 1928 ist die Staatliche Dombauhütte mit dem Unterhalt der Außenhaut des Domes beauftragt. Die von der Diözese durchgeführte Innenrestaurierung (1973-1980) brachte die barocke Farbigkeit wieder zur Geltung. Die mit dem Hochaltar von >> (1898-1987) begonnene Modernisierung des Domes führte nach den Beschlüssen des II. Vatikanischen Konzils zu einer Ausstattung gemäß den Grundsätzen der "Liturgischen Bewegung" (v. a. >> , geb. 1930). Den Abschluss der Domrenovierung bildete die Domhofneugestaltung mit dem Brunnen der Diözesanpatrone hl. Valentin, hl. Maximilian und hl. >> und dem Dompatron St. Stephanus (ebenfalls Hafner, 1994).
Die beeindruckende Erscheinung des Domes St. Stephan ist Ausdruck seiner Bedeutung und seiner Geschichte: Er ist Mutterkirche des bayerisch-österreichischen Donaulandes und Kathedrale des Bistums Passau.