Stadtbuch von Augsburg
Beschreibung
Eine der ältesten deutschsprachigen Rechtsaufzeichnungen aus städtischem Kontext, niedergeschrieben um 1272. Möglicherweise steht es in Zusammmenhang mit der Entstehung des Schwabenspiegels. Anlass für seine Anlegung war wohl die Emanzipation des Stadtbürgertums vom Augsburger Bischof als Stadtherrn. Das Stadtbuch enthält Rechtssätze zur Stadtverfassung und Kompetenzabgrenzung der städtischen Organe. Abgelöst wurde es um 1600 durch das Augsburger Statutarrecht.
Vorläufer: Augsburger Stadtrecht von 1156
Das Stadtbuch von , dessen Abfassung König >> (reg. 1273-1291) der Augsburger Bürgerschaft in Form einer Urkunde unter Datum vom 9. März 1276 gestattet hat, gehört zu den ältesten deutschsprachigen Rechtsaufzeichnungen, die einem frühen städtischen Kontext entstammen. Es hat einen Vorläufer im Augsburger Stadtrecht von 1156, das Kaiser >> (reg. 1152-1190) der seinerzeitigen Bischofsstadt verlieh und das seinerseits ein Vogtweistum von 1104 nennt, welches uns jedoch – anders als die Urkunde von 1156 – nicht erhalten oder anderweitig belegt ist.
Zusammenhang mit der Abfassung des Schwabenspiegels
Verfasst worden ist das Augsburger Stadtbuch wohl im Gefolge des Schwabenspiegels. Dieser wird auch in Bezug zu >> (gest. 1272 in der Lechstadt) gebracht, einem bedeutenden Gelehrten aus dem Franziskanerorden, der als erster Mystiker deutscher Sprache gilt. Auch die Vorarbeiten zum Stadtbuch dürften – wie die des Schwabenspiegels – unter seinem Einfluss gestanden haben. Der Schwabenspiegel wird neben David von Augsburg neuerdings allerdings auch dem Umfeld seines franziskanischen Mitbruders >> (um 1210-1272) zugeschrieben, was auf eine Entstehung der Urfassung des Schwabenspiegels in Regensburg hindeuten könnte. Sollte diese These weiter befestigt werden können, müsste man die Brücke zwischen Schwabenspiegel und Stadtbuch wohl im Bereich der Franziskaner suchen, für die Augsburg damals wichtiges intellektuelles Zentrum war.
Anlass: Emanzipation der Bürgerschaft
Anlass für die Zusammenstellung des Stadtbuches war wohl die zunehmende Emanzipation der städtischen Bürgerschaft, die sich zusehends als Gemeinschaft eigener Art zu begreifen begann. Sieht das Stadtrecht von 1156 noch den Bischof als Stadtherrn, der seine Hoheitsgewalt über Vögte aus dem Geschlecht derer von Schwabegg und Burggrafen ausübt, deren Kompetenzen die Urkunde nach entsprechenden Auseinandersetzungen festlegt, so setzte Friedrich Barbarossa nach dem Aussterben der Familie von Schwabegg im Jahre 1167 seinen Sohn, ebenfalls mit Namen Friedrich (1164-1169/70), zum Vogt ein. Auf dieses Amt sicherte sich die Bürgerschaft, die erstmalig 1237 ein eigenes Siegel führte, Einfluss. 1251 erhielt die Stadtgemeinde zumindest zeitweilig die Verfügungsgewalt über die Stadttore, 1272 vorläufig auch das Münzrecht vom Bischof. Vor diesem Hintergrund wirkte ein schriftlich gefasstes und vom Reichsoberhaupt bestätigtes Recht für die städtische Bürgerschaft konsequent, um Übergriffen des Bischofs und seiner Amtsträger oder des kaiserlichen Untervogtes zu wehren. Um einen solchen handelte es sich, als Rudolf von Habsburg die ursprünglich bischöfliche Vogtei endgültig in eine Reichsvogtei überführte.
Inhalt und Struktur
Das Stadtbuch von Augsburg enthält Rechtssätze, die sich mit der Stadtverfassung und der Kompetenzabgrenzung der entsprechenden Organe beschäftigen. Darin entwickelt es das Stadtrecht von 1156 und möglicherweise auch ein solches von 1104 fort. Der vogtgerichtliche Teil befasst sich vornehmlich mit der Hochgerichtsbarkeit, während der Burggraf auf Funktionen polizeilicher Art im weiteren Sinne zurückgeführt wird. Immerhin findet sich in diesem Kontext auch manche Regelung, die heute als zivilrechtlich zu bezeichnen wäre. Darüber hinaus stellt das Stadtbuch auch normative Sätze zusammen, die – nach heutigen Begriffen – aus dem Bereich des Personenstandsrechtes, aus dem Familien- und Erbrecht, aus dem Zoll- und Steuerrecht sowie aus dem Gewerberecht stammen. Einen auch nur ansatzweise systematischen, beispielsweise nach Lebenssachverhalten geordneten Aufbau kennt das Stadtbuch nicht. Innerhalb der größeren Komplexe, zu denen das Buch Stellung nimmt, wie etwa Vogtgericht oder Burggraf, folgt es einer wohl eher intuitiv gebildeten Reihung, die sachliche Gesichtspunkte weitgehend übergeht.
Die inhaltliche Dichte des Stadtbuches ist durchaus ungewöhnlich für die vergleichsweise frühe Zeit seiner Entstehung. Es stellt Regelungen für soziale Segmente bereit, die einer im Entstehen und Reifen begriffenen städtischen Gemeinschaft zugehören und die aus lokal gewachsenen und fortentwickelten älteren Rechtsüberzeugungen geschöpft sein dürften. Dort, wo über den eigentlichen lokalen Kontext hinausgegriffen wird, wird auf Landrecht verwiesen, womit der zunächst als "Kaiserrecht" oder "kayserlich Rechtsbuch" bezeichnete Schwabenspiegel gemeint sein dürfte. Auf dieses nimmt das Stadtbuch in einer Vielzahl an Verweisen Bezug. Als dessen für die Stadtgemeinde spezifizierten Teil versteht sich das Stadtbuch offenbar.
Einflüsse des aufkommenden römisch-kanonischen (gemeinen) Rechts finden sich im Urtext des Stadtbuches nicht. Diese treten zusehends deutlicher erst in den Zusätzen auf, die bis in das 16. Jahrhundert hinein in das Ursprungsexemplar eingetragen worden sind, das zu diesem Zweck, zum Zweck der Rechtsfortbildung, eigens umfangreiche unbeschriebene Stellen auf den einzelnen Blättern enthielt. Zumindest zeitweise scheint der Eintrag in dieses Stammexemplar des Rechtsbuches der formellen Inkraftsetzung des entsprechenden Rechtssatzes gleichgekommen zu sein.
Die Urschrift des Rechtsbuches wurde auf dem Rathaus verwahrt, wo sie bei der "Zunftrevolution" des Herbstes 1368 neben Ratsglocke und Stadtsiegel von den Aufrührern herausverlangt wurde, was auf hohes symbolisches Ansehen des Ur-Stadtbuches in der Stadtgemeinde hindeutet. Für den praktischen Gebrauch in der Gerichtsstube scheint man jedoch Abschriften benutzt zu haben. Darauf deuten Berichte über mindestens ein "Schwarzes Büchlein" hin, das Auszüge aus dem Stadtbuch enthalten haben soll und das beim Stadtgericht dem Alltagsgebrauch diente. Der Verbleib dieses Büchleins ist freilich unbekannt.
Abwandlungsversuche und Ablösung
Eine Reformation des Augsburger Stadtrechts, wie sie in anderen bedeutenden Städten des Reiches stattgefunden hat (z. B. 1479, Worms 1498, Frankfurt 1509, Freiburg 1520), gab es in Augsburg nie, auch wenn ein auf das Jahr 1596 datierter Entwurf dazu sowie einige diesbezügliche Programmschriften von gelehrter Hand erhalten geblieben sind und sich heute in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg befinden. In die Zeit jener Bemühungen fällt schließlich die allmähliche Ablösung des Augsburger Stadtbuches durch Einzelerlasse und -ordnungen, durch das Augsburger Statutarrecht also. Förmlich außer Kraft gesetzt wurde das Recht des Stadtbuches während des Alten Reiches ebenso wie unter bayerischer Herrschaft nie. Erst die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum 1. Januar 1900 ließ das Stadtbuch samt dem Statutarrecht kraftlos werden. Für die Klärung traditionsreicherer Fälle, beispielsweise des Grundeigentums, kann das reichsstädtische Recht deshalb bis auf den heutigen Tag relevant sein.
Anders als etwa um die Stadtrechte von Ulm, Freiburg im Breisgau oder Frankfurt am Main hat sich um das Stadtbuch von Augsburg keine Stadtrechtsfamilie durch Verleihung entsprechender Rechte an andere Städte gebildet. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass das Augsburger Recht nicht allein eine um stadtverfassungsrechtliche Normen ergänzte Zusammenstellung von Privilegia und Begnadungen ist, sondern auch eine deutlich ausdifferenzierte und vielgliedrige materiellrechtliche Ordnung auf der Basis lokal entstandener Rechtsüberzeugungen umfasst, die nur bedingt auf andere Gemeinwesen übertragbar waren.
Überlieferung
Die Überlieferung des Stadtbuches von Augsburg stützt sich auf das erhaltene Original aus dem 13. Jahrhundert, das sich als Dauerleihgabe des Freistaates Bayern im Stadtarchiv Augsburg befindet, sowie auf insgesamt 49 Abschriften in den Augsburger Bibliotheken und Archiven sowie in den Bibliotheken des Freistaates Bayern. Deren letzte wurden noch im 18. Jahrhundert aus wohl antiquarischem Interesse erstellt. Gemeinhin greift man bei der Befassung mit den Augsburger Stadtbuch auf die 1872 veröffentlichte Edition von Christian Meyer zurück, die jedoch wegen der weitgehend willkürlichen Behandlung der Nachträge in das ursprüngliche Stadtbuch mit einiger Vorsicht zu verwenden ist.