Akademie der Bildenden Künste München
Beschreibung
Hervorgegangen aus einer 1770 begründeten Hofschule, wurde die "Königliche Akademie der Bildenden Künste München" 1808 konstituiert. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein internationales Kunstzentrum, orientierte sie sich um die Jahrhundertwende an der progressiven Münchner Secession - eine moderate Modernisierung, der in der Weimarer Republik eine konservativ-völkisch Wende folgte und während des Nationalsozialismus eine regimenahe Ausrichtung. Hatte die Akademie ihre internationale Bedeutung schon mit Ersten Weltkrieg eingebüßt, so brauchte sie nach 1945 lange, um an ihre frühere Bedeutung wieder anzuknüpfen zu können.
Vorläufer 1770, Gründung 1808
Hervorgegangen aus einer kleinen, 1770 von Kurfürst >> (reg. 1745-1777) eher zögerlich bewilligten, höfischen "Zeichnungs Schule respective Maler- und Bildhauerakademie" wurde die "Königliche Akademie der Bildenden Künste München" im Mai 1808 in der neuen bayerischen Hauptstadt durch König >> (1756-1825, reg. 1799-1825) offiziell konstituiert, wonach die bereits 1662 und 1670 gegründeten, ehemals reichsstädtischen Akademien in Nürnberg und an Bedeutung einbüßten. Zu den Vordenkern ihrer genieästhetisch geprägten Konstitution wird >> (1775-1854) gezählt, der bis 1823 als Akademiesekretär amtierte.
Die Akademie im 19. Jahrhundert
Malerei, Bildhauerei, Grafik (Kupferstich) und Baukunst bestimmten seither die Lehrpraxis, die sich von manchen ausgesprochen modern wirkenden programmatischen Aussagen ihrer Konstitution noch lange unterschieden haben dürfte. Von 1813 bis 1839 waren - im Unterschied zu anderen deutschen Kunstakademien - allerdings auch Frauen offiziell zum Studium zugelassen, unter ihnen >> (1786-1866), danach – mit Ausnahme der Bildhauerin >> (1833-1907) von 1852 bis 1854 - erst wieder ab 1920. Zugleich fungierte die Akademie als eine übergreifende Kunstgesellschaft, die mit zahlreichen, auch auswärtigen Ehrenmitgliedern Hof und Staat in kulturellen Angelegenheiten beraten sollte.
Schon als Kronprinz hatte >> (1786-1868, reg. 1825-1848) erkennen lassen, dass er die Akademie zu einem Instrument seiner Kultur- und Bildungspolitik zu machen gedachte. Seine ambitionierte Berufungspolitik hob das Niveau des Hauses merklich. Die Abwerbung des Malers >> (1783-1867) aus Düsseldorf, der von 1825 bis 1841 in als Rektor amtierte, machte den großen Einfluss der klassizistischen Nazarener auf die Kunstausbildung im Vormärz auch in Bayern deutlich.
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Akademie zu der - neben Paris - international angesehensten Kunsthochschule; zugleich bildete München eine singuläre Kunstmetropole Mitteleuropas: Von Skandinavien über Russland und Österreich-Ungarn reichte das Einzugsgebiet der Akademie bis nach Bulgarien und Griechenland; vor allem mit Polen, Böhmen und Ungarn stand sie in intensivem Austausch.
Nach dem zeitweiligen Bedeutungsverlust der Düsseldorfer Akademie um die Mitte des 19. Jahrhunderts zog es auch Studenten westlicher Länder - in großer Zahl vor allem aus den USA - nach München, wo der neo-barocke Historienmaler >> (1826-1886) von 1856 bis zu seinem frühen Tod drei Jahrzehnte lang ein großes Ansehen als Lehrer genoss. Zu den Akademiestudenten jener Jahrzehnte zählten etwa >> (1832-1908), >> (1844-1900) und >> (1840-1884) sowie die später geadelten >> (1836-1904), >> (1863-1928) und >> (1835-1921).
Gebäude der Akademie
Zuerst in der Theatinerstraße 11, dann ab 1783 für rund hundert Jahre im ehemaligen Jesuitenkolleg an der Neuhauser Straße untergebracht, erhielt die Akademie schließlich den durch >> (1811-1887) konzipierten Neubau. Das Gebäude mit großzügigem Gartenpark liegt an der Grenze der Maxvorstadt zu Schwabing. Eine Initiative des Landtagsabgeordneten und Erzgießers >> (1813-1887) hatte das schon früh geforderte Neubauprojekt 1873 vorantreiben können, das - nach langer Standortdiskussion und fast zehnjähriger Bauzeit - nicht zuletzt aus Reparationszahlungen des französischen Staates finanziert und der Akademie am 25. August 1886, zu Beginn der Prinzregentenzeit, übergeben wurde.
Die Professoren nutzten den Umzug in das schlossartig wirkende Gebäude im Stil der Neo-Renaissance freilich auch, um Neureuthers Lieblingsplan zu durchkreuzen, der die Beletage des Ostflügels für die Aufstellung der umfangreichen Sammlung von Gipsen nach antiken Vorbildern vorsah. Der nach Hunderten zählende Bestand – darunter die von >> (1749-1832) und >> (1759-1805) gerühmte Sammlung, die Kurfürst >> (1724-1799) 1777 aus Mannheim mit nach München gebracht hatte - wurde stattdessen auf die Flure und Treppen verbannt – bis auf den sog. Koloss-Saal, in dem der monumentale Abguss einer römischen Dioskuren-Skulptur als Koloss vom Monte Cavallo in einer hohen Apsis stand. Dafür wurde sogar das Lehrprogramm verändert: Hatten bis dahin die Studierenden in den ersten beiden Semestern ausschließlich nach den gipsernen Antiken zu zeichnen, wurde nun das Naturstudium favorisiert.
Kurz nach ihrer Zentenarfeier im Jahr 1909 erhielt die Akademie an der Gartenseite einen durch >> (1852-1921) entworfenen Anbau, der als Aula die wertvollen Gobelins nach Motiven >> (1483-1520) aufnahm - ein Geschenk von König Max I. Joseph - und als einer der eindrucksvollsten Repräsentationsräume Münchens galt.
Auf dem Weg in die Moderne
Auch für die späteren Protagonisten der Moderne war die Akademie ein Magnet: Um die Wende zum 20. Jahrhundert studierten hier >> (1858-1925) und >> (1868-1932) (die Bewerbung >> [1867-1956] war abgelehnt worden), >> (1866-1944), >> (1888-1978), >> (1877-1959) und >> (1880-1966), >> (1894-1982), >> (1879-1940), >> (1880-1916) und >> (1888-1976), >> (1868-1957) sowie >> (1874-1968) bei Lehrern wie >> (1863-1928) oder >> (1850-1941), die beide der progressiven Münchner Secession angehörten. Zeitschriften wie der "Simplicissimus" oder die "Jugend" prägten das Schwabinger Umfeld der Akademie und beschäftigten Lehrer und Absolventen als Illustratoren und Mitarbeiter.
Mit der Berufung von Secessionskünstlern und prominenten Erneuerern wie >> (1847-1921) vollzog die Akademie eine nach dem Tod Pilotys fällige Revision ihres Profils und orientierte sich – anders, als es ihr Ruf manchmal will - für die Moderne durchaus neu. Einer der führenden Reformer der akademischen Lehre - der damals überaus angesehene und heute zu Unrecht vergessene Secessionist >> (1854-1910) - musste 1898 allerdings seine Professur nach einer öffentlichen Skandalisierung seiner Homosexualität aufgeben.
Erster Weltkrieg, Weimarer Republik und Nationalsozialismus
Mit dem Ersten Weltkrieg büßte die Akademie ihre international führende Bedeutung schlagartig ein, weil der Zuzug von Studenten aus dem einst großen europäischen und nordamerikanischen Einzugsbereich abbrach und das Professorium sich für die aufkommenden nationalistischen Strömungen offen zeigte. Die einst fortschrittlichen Vertreter der Secession verwandelten sich auf ihren Lehrstühlen - an die sich einige bis weit über die Pensionsgrenze hinaus klammerten - zu Gegnern der aktuellen, internationalen Kunstentwicklungen. Schon 1911 hatten sie ausnahmslos den Protest deutscher Künstler unterschrieben, der sich gegen den Ankauf eines Gemäldes >> (1853-1890) durch die progressive Bremer Kunsthalle richtete. Der zeitgemäße Plan Richard Riemerschmids, die von ihm geleitete und ebenso angesehene wie fortschrittliche Münchner Kunstgewerbeschule (gegründet 1868) mit der Akademie zu vereinigen, scheiterte in den frühen 1920er Jahren am Widerstand der Akademieprofessoren; Riemerschmid wechselte 1926 enttäuscht als Direktor an die Kölner Werkkunstschulen.
Der Architekt >> (1874-1942), Präsident der Akademie von 1922 bis 1942, verkörperte dann die unübersehbare konservative und völkische Wende seines Hauses und stellte die Akademie schließlich entschieden in den Dienst der nationalsozialistischen Kulturpolitik. Der spätexpressionistische Maler >> (1879-1956), einer der wenigen unbotmäßigen Kollegen, wurde 1938 entlassen; der im selben Jahr berufene >> (1904-1986) hatte 1937 sowie 1938, zusammen mit >> (1887-1966), die Festumzüge zum "Tag der Deutschen Kunst" gestaltet und erhielt Aufträge zur Ausstattung der Reichskanzlei sowie anderer Prestigebauten des "Dritten Reichs".
Mit den durch >> (1889-1945) persönlich forcierten Berufungen von >> (1892-1959) 1933 und >> (1889-1952) 1937 prägten weitere regimenahe Künstler das Haus, in dem nun auch ältere Kollegen wie >> (1880-1959) repräsentative Staatsaufträge übernahmen. Der Neo-Klassizist >> (1881-1968) tat sich als Hitlerporträtist hervor und der geniale Zeichner >> (1873-1958) publizierte antisemitische Karikaturen. Adolf Ziegler dirigierte die Beschlagnahmeaktion "Entartete Kunst" von der Akademie aus. In der Münchner Version der gleichnamigen Wanderausstellung stellte er auch einstige Lehrer und Studenten der Akademie aus.
Zweiter Weltkrieg
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Akademiegebäude bei Bombenangriffen schwer zerstört. Bis auf die Personalakten, die Matrikelbücher, die Gobelins und die ausgelagerte Kunstbibliothek - die heute mit über 120.000 Bänden eine der besten ihrer Art ist - sind darüber die Archivalien und Sammlungen des Hauses verlorengegangen. >> (1903-1975), Anwohner der Akademiestraße, hat die ruinöse Akademie und ihre weitgehend zerstörten Gipse in ergreifenden Fotografien des ersten Nachkriegswinters festgehalten.
1946 ist das Lehrangebot erheblich erweitert worden: Die einstige Kunstgewerbeschule wurde nunmehr mit ihren Lehrstellen und Werkstätten eingegliedert; im gleichen Jahr begann die Ausbildung für das Lehramt am Gymnasium. 1957 konnte der langjährige Nachkriegs-Präsident >> (1898-1987) den Abschluss des Wiederaufbaus feiern, bei dem die vormals markanten und eleganten Pariser Dächer der Eck- und Mittelrisalite durch flache Pyramidendächer ersetzt wurden.
Nach 1945
Mit Lehrern wie >> (1895-1972), >> (1908-1982), >> (1912-1993), >> (1911-1990), >> (1912-1995), >> (1917-1981) oder >> (1923-1982) versuchte die Akademie in den ersten Nachkriegsjahrzehnten unter den Vorzeichen der Moderne an ihre einstige Bedeutung anzuknüpfen. Durch die Gründung der gattungsübergreifenden Bayerischen Akademie der Schönen Künste als "oberster Pflegestelle der Kunst" 1948 entfiel allerdings ihre Rolle als Kunstgesellschaft.
Nicht zuletzt wegen der lange verdrängten Paraderolle der Akademie in der Kulturpolitik des Nationalsozialismus fiel die Studentenrevolte und die staatliche Gegenreaktion Ende der 1960er Jahre besonders drastisch aus. Ihr folgte eine lange hochschulpolitische Isolation des Hauses, deren Ende sich erst unter dem Präsidium des 1986 berufenen Kunstschriftstellers und Kurators >> (geb. 1929) abzeichnete.
Seit dem Beginn der 1980er Jahre auch wieder international orientiert, berief die Akademie Künstler wie >> (1924-2005), >> (geb. 1932), >> (geb. 1930), >> (geb. 1937), >> (geb. 1945), >> (geb. 1945) oder >> (geb. 1945).
Im Jahr 2003 konnte die Akademie – vor allem dank der Bemühungen ihres von 1999 bis 2004 amtierenden Rektors, des Malers >> (geb. 1939), sowie der 2000 durch S. K. H. Herzog >> (geb. 1933) ins Leben gerufenen "Stiftung Kunstakademie München" - den Grundstein zu einem lange vergeblich geforderten Erweiterungsbau legen. Von den favorisierten Beiträgen zu dem bereits 1992 entschiedenen, aber zunächst folgenlosen Wettbewerb wurde der spektakuläre Entwurf von Coop Himmelb(l)au realisiert und der Neubau 2005 bezogen. Gleichzeitig konnte endlich die Sanierung von Altbau und Garten durchgeführt werden.
Im Jahr 2008 feierte die Akademie ihr Jubiläum mit drei Ausstellungen im Haus der Kunst sowie der Pinakothek der Moderne und legte eine umfangreiche Festschrift zu Geschichte und Gegenwart des Hauses vor, der mehrere separat publizierte Symposien der Forschergruppe "Geschichte der Künstlerausbildung" vorausgegangen waren. Zugleich wurden die von 1809 bis 1920 komplett erhaltenen historischen Matrikelbücher als digitale Edition ins Internet gestellt. Wie bereits kurz zuvor in Krakau, Oslo, Suwałki und Thessaloniki widmeten sich nun auch Ausstellungen in Budapest, Prag, Sofia und Zagreb der historischen Bedeutung der Münchner Akademie für die Geschichte der jeweiligen nationalen Kunstschulen.
Traditionslinien
Es gehört zu ihren Kennzeichen, dass die Münchner Akademie bei allen historischen Umbrüchen am Ausbildungsprinzip der Klasse festgehalten hat: So werden sowohl die Kunstpädagogik wie die angewandten Künste - Bühnenbild, Grafik, Schmuck, Keramik und Glas – jeweils in eigenen Klassen unterrichtet. Darunter versteht man nicht mehr - wie noch zur Zeit der Gründung – aufeinander aufbauende Qualifikationsstufen, sondern die von einem Künstler geleitete Klasse, in welcher die Studierenden während des gesamten Studiums verbleiben. Den Studierenden stehen daneben achtzehn Fachwerkstätten offen. Seit den 1960er Jahren ist der Studiengang Innenarchitektur ausgebaut worden; Baukunst wird heute im Aufbaustudiengang "Architektur und Urbanistik" gelehrt. 1992 begründete Gertraud Schottenloher den wegweisenden Aufbaustudiengang "Bildnerisches Gestalten und Therapie".