Autorenporträt zu Paula Schlier

Beschreibung

Paula Schlier wird als Tochter eines Militärarztes geboren und besucht als eine der wenigen Protestantinnen das katholische Kloster Gnadenthal in Ingolstadt, nachdem der Vater 1913 seine Facharztpraxis für Hals-Nasen- und Ohrenkrankheiten in der Stadt eröffnet hat. Schon früh entdeckt das junge Mädchen ein Traumbewusstsein, das es lebenslang in Bann hält und sich durch all seine späteren Werke durchzieht: „Das Wasser trug mich, ohne daß ich mich bewegte, auch unter der Oberfläche. Nur, ich selbst zerschmolz, zerrann“, heißt es im Kapitel „Die Donau“ der Jugenderinnerungen. Manchmal legt sich Paula Steine in die Schuhe, damit der körperliche Schmerz Gleichgewicht mit dem seelischen hält. Seit sie 12 ist, liest sie mit ihrem Bruder Heinrich zusammen Platon, Goethe, Kierkegaard, Karl Barth und Oswald Spengler.

Der Erste Weltkrieg ändert die Situation. Mit 17 macht Paula Schlier einen Ausbildungskurs beim Roten Kreuz, wo sie für das Lazarett, in dem ihr Vater als Generaloberarzt Dienst tut, eingeteilt wird. Hautnah erlebt Paula Elend und Sinnlosigkeit des Krieges: den Sterbenden streichelt sie das Haar, weil sie nicht glauben kann, „daß ein Mensch schon tot ist, wenn seine Augen gebrochen sind“ (Petras Aufzeichnungen. Konzept einer Jugend nach dem Diktat der Zeit, 1926). Für ihren Einsatz wird sie zur Auszeichnung mit dem König-Ludwig-Kreuz und der Rot-Kreuz-Medaille vorgeschlagen.

Nach dem Krieg richtet sie sich wieder in das – für sie beengende – Familienleben ein. Während der Bruder sich auf das Abitur vorbereitet, erledigt Paula die täglichen Einkäufe, staubt ab, kocht, stickt und träumt davon, Medizin und Philosophie zu studieren. Am 29. März 1921 beschließt sie, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen: Paula zieht nach München und arbeitet als Sekretärin für verschiedene Verlage. Wichtige Erfahrungen sammelt sie als Redaktionsstenotypistin des Völkischen Beobachters, wo sie ein Tagebuch vom Tag ihres Eintritts bis zum missglückten Hitler-Putsch im Bürgerbräukeller (1923) führt, um den aufkeimenden Nationalsozialismus von innen heraus ideologisch zu bekämpfen. Ihre Artikel gegen die Bewegung erscheinen Anfang der 20er Jahre im Nürnberger Anzeiger.

1925 lernt sie in Innsbruck den Schriftsteller und Verleger Ludwig von Ficker kennen, der ihr literarisches Talent entdeckt. Besonders in den Traumtexten, allen voran in der Dichtung Chorónoz. Ein Buch der Wirklichkeit in Träumen (1927) sieht er ihre visionäre Wahrnehmungskraft bzw. ihr „weibliches Ingenium“ verwirklicht, weshalb sich Paula mehr und mehr der mystisch-visionären Dichtung zuwendet. In Rapallo (1938) hat sie ihre erste Engelerfahrung.

Paula Schlier bleibt von 1927 bis 1954 Hauptmitarbeiterin von Fickers Zeitschrift Der Brenner und arbeitet als Arzthelferin in München, später auch in Garmisch. 1932 konvertiert sie zum Katholizismus. Ausgerechnet ihr Beichtvater zeigt sie zehn Jahre später wegen einer kritischen Äußerung bei der Gestapo an. Sie kommt ins Gefängnis; nur ein psychiatrisches Gutachten auf „religiöser Wahn“ rettet sie vor dem Konzentrationslager. Nach mehreren Wochen Einzelhaft wird Paula in die Nervenheilanstalt Eglfing-Haar eingeliefert, aus der sie aber schon bald wieder entlassen wird. Sie kann untertauchen und kommt auf Vermittlung Fickers ins Zufluchtshaus der Barmherzigen Schwestern in Hall.

Nach Kriegsende zieht Paula Schlier zu ihrer Mutter, die inzwischen nach Tutzing gezogen ist, und heiratet nach deren Tod ihren Untermieter Dr. Karl Roßmann. Sie beginnt wieder zu schreiben, ihre Beziehung zu Ludwig von Ficker bricht indes zunehmend ab. Neben Lyrik (Morgen ist der Tag des Erwachens, 1967), Autobiographischem (Petras Aufzeichnungen. Konzept einer Jugend nach dem Diktat der Zeit, 1926) und einem Roman (Der Engel der Wüste, 1974) sind vor allem mariologische und apokalyptische Werke Schliers erhalten (Die letzte Weltennacht. Schauungen zur Apokalypse, 1958).

1954 erhält sie den Literaturpreis der Münchner Stiftung zur Förderung des Schrifttums.

Bayerische Staatsbibliothek