Hinweis
Dieses Objekt stammt aus kolonialen Kontexten und bedarf einer Auseinandersetzung mit Kolonialgeschichte. bavarikon zeigt dieses Objekt, um unter anderem eine kritische, sensible Auseinandersetzung mit Kolonialgeschichte zu ermöglichen und zu fördern. Die Bayerische Staatsbibliothek als Betreiberin von bavarikon weist darauf hin, dass die Erwerbung des Objekts durch die besitzende bzw. bestandshaltende Institution oder Vorgängerinstitutionen bzw. Personen nach heutigen Maßstäben möglicherweise unethisch oder unrechtmäßig erfolgt sein kann.
Beschreibung
Der große Vorhang in strahlendem, kaiserlichem Gelb (chin. minghuang) zeigt einen aufsteigenden fünfklauigen Drachen (chin. long) zwischen Wolken. Der Drache schwingt sich in einer energischen s-förmigen Bewegung nach rechts oben und strebt nach einer großen, flammenden Perle. Der Körper des Drachen, dargestellt in Goldfäden, ist sehr schlank mit langen, kraftvollen Beinen, welche die gleiche Stärke wie der Körper aufweisen. Der Schwanz des Drachen peitscht die stilisierten Wellen, aus denen hohe Gischt kämmen aufspritzen. Zwischen den Wellen steigen vier steile, zerklüftete Felsen in Blau und Braun auf. Auf dem Wasser treiben zahllose Wunschperlen und ein Rhinozeroshorn. In gewundenen Linien steigen die glückverheißenden Wolken (chin. qingyun oderwuse yun) auf. Sie sind spiralig eingerollt und zu komplexen, weiträumigen Gebilden verbunden. Sie sind in abgestuften Farbtönen gestaltet, die für die ‚Fünf Farben’ (chin. wucai) stehen, die wiederum die ‚Fünf Elemente‘ (chin. wuxin) in der traditionellen metaphysischen Weltvorstellung in China symbolisieren. Die höchst lebendige Gestaltung des Drachen, der Wolken und Wellen mit Felsen verweist auf eine frühe Datierung. Die schlanken Drachen insbesondere auf die Regierungszeiten der ersten drei Qing-Kaiser – Kangxi (1661–1722), Yongzheng (1723–1735) und Qianlong (1735–1796).
Die Stickerei ist auf einer festen, kaiserlich gelb (chin. minghuang) gefärbten Satinseide mit Seidengarnen in zahlreichen Farbschattierungen ausgeführt. Der Drache ist mit Goldfäden gestickt, die in der Form der Schuppen dicht aneinandergelegt sind, so dass sie die Struktur fast dreidimensional wiedergeben. Zusätzlich sind an der Bauchseite wenige Reihen von Silberfäden benutzt, um hier eine dunklere Schattierung der Schuppen hervorzurufen. Viele Bereiche des Drachen sind außerdem mit einem doppelten weißen Faden konturiert, während die farbigen Wolken mitdoppelten Goldfäden eingefasst sind. Ungewöhnlich ist die Verwendung von Pfauenfederfaden in den inneren Partien bei einem Teil der Wolken. Für dieses Material wurden die Grannenfedern unter dem Pfauenaugen in den Schwanzfedern mit grüner Seide zu einem endlosen Faden verdreht und dieser anschließen appliziert, so dass sich eine grünlich schimmernde Fläche ergibt.
In der Sammlung des Art Institute of Chicago Museum befindet sich ein Vorhang (Inv. Nr.1946.1031) mit übereinstimmender, allerdings spiegelbildlicher Darstellung. Dabei handelt es sich um das originale Gegenstück zum vorliegenden Vorhang in Aschach. Dieser hing höchstwahrscheinlich auf der linken Seiten, während das Stück in Chicago die rechte Seite bildete, so dass die Drachen aufeinander zustrebten. Dieses Gegenstück wurde von untersucht von John Vollmer und 2000 in Chicago ausgestellt und publiziert. Die Maße des Vorhangs (218 x 160 cm) in Chicago entsprechen in etwa dem Vorhang (245 x 165 cm) in Schloss Aschach. Die Unterschiede rühren daher, dass bei dem Vorhang in Schloss Aschach umlaufend und besonders oben ungemusterte Partien erhalten sind, die in Chicago entweder abgeschnitten oder nach hinten umgefaltet wurden.
Die Betten in Palästen und Räumlichkeiten der höheren Gesellschaftsschichten waren als eingebaute Alkoven betten oder als Baldachinbetten mit umlaufenden Vorhängen gestaltet. Vorhänge erlaubten es, einen privaten Raum zu kreieren und dienten dazu, die Zugluft auszuschließen. Die Textilien wurden je nach Jahreszeit aus unterschiedlichen Geweben gefertigt und waren meist mit einem Futter und für die kältere Jahreszeit sogar einer Wattierung ausgestattet. Die meisten Behänge und Vorhänge waren zudem mit gestickten Bändern eingefasst und darüber hingen weitere lose Bänder, die ebenfalls mit Drachen und Wolken dekoriert waren, wie die Vergleichsbeispiele zeigen. Außer ihrer praktischen Funktion waren die Vorhänge überaus dekorativ und ein Statement der kaiserlichen Souveränität. Einzig ihm und nur wenigen Personen in seinem direkten Umfeld war der strahlend gelbe Farbton (chin. minghuang) vorbehalten.
Autor
Museen Schloss Aschach