Hinweis
Dieses Objekt stammt aus kolonialen Kontexten und bedarf einer Auseinandersetzung mit Kolonialgeschichte. bavarikon zeigt dieses Objekt, um unter anderem eine kritische, sensible Auseinandersetzung mit Kolonialgeschichte zu ermöglichen und zu fördern. Die Bayerische Staatsbibliothek als Betreiberin von bavarikon weist darauf hin, dass die Erwerbung des Objekts durch die besitzende bzw. bestandshaltende Institution oder Vorgängerinstitutionen bzw. Personen nach heutigen Maßstäben möglicherweise unethisch oder unrechtmäßig erfolgt sein kann.
Beschreibung
Konvolut von Scherben einer Figur eines mythologischen Grabschutztieres (chin. Zhenmushou) aus niedrig gebranntem Ton (Terrakotta) mit Resten kalter Bemalung in Rot und Schwarz. Zu erkennen ist die ursprüngliche aufrechte Sitzhaltung des Schutztieres auf Hinterteil und Hinterpfoten. Die ehemaligen Vorderbeine mit übergroßen Krallenpfoten waren ursprünglich gestreckt aufgestellt. Der schlanke Körper war seitlich geflügelt und auf dem Rücken mit stachelartigen Wulsten besetzt. Der Kopf zeigt wulstige Augen, ein klaffendes Maul mit Reißzähnen sowie Reste einer ehemals herausgestreckten Zunge. Auf dem Kopf trug das Biest einst zwei sich gabelnde Hörner. Grabschutzfiguren gehören zur Gattung von Grabbeigaben (chin. Mingqi), die die Verstorbenen im Jenseits versorgen, aber auch beschützen sollten. Grabschutzfiguren waren zumeist als Paare angeordnet und bewachten den Eingang der Sargkammer. Sie dienten sowohl dem Schutz des Bestatteten vor unliebsamen Geistern als auch dem Schutz der Außenwelt vor den umherstreifenden Geistern der Toten. Häufig zeigten diese mythischen Kreaturen eine Kombination von Merkmalen verschiedener realer und fantastischer Tiere, manchmal auch von Menschen. So besitzt das zerbrochene Stück eine streifenartige Bemalung in Schwarz, die an das Fell eines Tigers erinnert. Auch der Kopf hat Merkmale der Physiognomien von Tiger und/oder Löwe, die im alten China die gefürchtetsten Raubkatzen waren, aber auch als mächtige Verbündete galten.
Die Einbeziehung fantastischer tierischer Wächter als Teil des Gefolges von Grabfiguren begann in der Nördlichen Wei-Dynastie (386-534) und setzte sich bis in die Tang-Dynastie (618-907) fort. Ab dem 6. Jahrhundert schützten zwei Zhenmushou, eines mit einem menschlichen Kopf, das andere mit einem Tierkopf, die Eingänge zu den Grabkammern. Sie wurden bis zum Ende der Tang-Dynastie verwendet. Die in der Tang-Dynastie übliche Gruppierung von Paaren von Tier- und Kriegergrabwächtern entspricht der Erwähnung der Vier Geister (chin. sishen) in den Bestattungsvorschriften. Allerdings blieb während der Tang-Dynastie der Gebrauch der Vier Geister ein Privileg der herrschenden Mitglieder. In der frühen Tang-Dynastie wurden die Grabschutztiere dann wahrscheinlich mit hirschähnlichen Geisterpaaren assoziiert - dem verheißungsvollen Tianlu mit einem Horn und dem Dämonen abwehrenden Bixie mit zwei Hörnern. Vorlagen dazu wurden in literarischen Werken wie dem "Klassiker der Berge und Meere" (chin. Shanhaijing) gefunden.
Autor
Museen Schloss Aschach