Beschreibung
Die Evangelien werden bis heute als "Wort Gottes" angesehen und als zentrales Zeugnis des Glaubens geehrt. Die im Frühmittelalter mit hoher Kunstfertigkeit und großem materiellen Aufwand gefertigten Evangelienbücher waren deshalb Schätze, deren schiere Präsenz Bereicherung und Auszeichnung bedeutete sowie Macht und Status des Auftraggebers bewies. Das "Goldene Mainzer Evangeliar" aus dem 13. Jahrhundert auf kostbarem Kalbspergament ist eine der bedeutendsten Prachthandschriften dieser Epoche – ganz in Gold geschrieben und mit bemerkenswert vielen und exzellenten Miniaturen versehen (71 Stück). Ursprünglich geschaffen für den Mainzer Dom, befindet sich das Werk seit der Zeit Carl Theodor von Dalbergs (1802–1817) im Besitz der Hofbibliothek Aschaffenburg und bietet Einblick in die Tradition der gottesdienstlichen Praxis im Bistum Mainz. Es ist ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnliches Werk: Es war "unzeitgemäß" (die Zeit der Goldenen Evangelienbücher war z.B. viel früher), mit hochmoderner Buchmalerei versehen (frühgotischer Zackenstil) und lange Zeit von ungeklärter Provenienz. Die ikonographische Abhängigkeit von Glasfenstern der Oberkirche der Basilika San Francesco in Assisi ermöglichte schließlich die Zuschreibung an den Mainzer Erzbischof Gerhard I. von Daum (1251-1259) als Auftraggeber oder Empfänger. Skriptorium und Malerwerkstatt konnten zwar der mittelrheinischen oder Mainzer Kunstlandschaft zugeordnet, aber nicht lokalisiert werden. Vorbild für die Proportionen des Schriftspiegels und das Format der Miniaturen war sehr wahrscheinlich das goldene Evangelienbuch aus Echternach von 1043-1046. Quelle: Gönna, Sigrid von der: Ein goldenes Evangelienbuch aus dem alten Mainzer Domschatz : zur Geschichte des "Mainzer Evangeliars" (Hofbibliothek Aschaffenburg, Ms. 13) ca. 1260-1803. In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte. 50,1998, S. 131-15. //
Autor
Karin L. Kuhn