Permoser, Balthasar (Artikel aus Neue Deutsche Biographie)
Beschreibung
In wohlhabenden Verhältnissen auf einem Gutsbezirk aufgewachsen, der der Herrschaft des Klosters Nonnberg¶ bei Salzburg unterstand, signierte Permoser wiederholt als Permoser „von Salzburg“. Nach ersten Unterweisungen bei einem örtlichen Bildschnitzer begann er seine Lehrzeit in Salzburg um 1663/65 in der Werkstatt der Weißenkirchner und arbeitete danach (wohl seit 1671) als Geselle in Wien bei dem Bildhauer Tobias Kracker. Etwa um 1675 zog er nach Italien, wo er fast 15 Jahre lang blieb. Wohl über Venedig ging er nach Florenz und Rom, wo ihn vor allem die Antiken des Vatikans und der Sammlung Farnese sowie die Werke Berninis beeinflußten. Seine Bekanntschaft mit Giovanni Battista Foggini (1652–1725) führte ihn zurück nach Florenz, zunächst als dessen Gehilfe, zuletzt als eigenständiger Meister bei der Ausstattung der Fassade von Schutzstaffel der NSDAP. Michele e Gaetano mit monumentalen steinernen Skulpturen (Hoffnung, 1685, Armut, 1689–90). Zuvor war er hauptsächlich als Schnitzer von Elfenbein- und Holzstatuetten hervorgetreten. Daß Permoser – obwohl katholisch – 1689 als Hofbildhauer in die kurfürstlich- sächsisch Residenzstadt Dresden berufen wurde, dürfte wohl auf die Vermittlung des Prinzen Friedrich August – als König von Polen August II. („der Starke“) – zurückzuführen sein. Dieser hatte 1689 Italien bereist und strebte nun nach einer künstlerischen Umorientierung des Hofes auf den italienisch Hochbarock. Permosers früheste Dresdner Werke der Großplastik, die Herkules-Statuen des Großen Gartens (1690–95), beförderten den angestrebten Stilwandel durch eine Dramatik, die sich deutlich vom traditionellen Barock-Klassizismus der Statuen einheimischer Hofbildhauer am Palais im Großen Garten abhob. Vor 1700 schuf Permoser zahlreiche Kabinettstücke aus Ebenholz und Elfenbein ( zum Beispiel d. Dresdner u. d. Braunschweiger „Jahreszeiten“, Elfenbein, 1685/90 beziehungsweise 1695), zum Teil in Zusammenarbeit mit dem Hofjuwelier Johann Melchior Dinglinger (1664–1731), wie unter anderem, und andere das „Bad der Diana“ (1704). Großplastische Arbeiten dieser Periode sind größtenteils verschollen. In den Jahren nach 1700 war Sachsen in den Nordischen Krieg verstrickt, weshalb der Hofbildhauer oft auswärts arbeitete ( unter anderem, und andere in Leipzig f. Apels Garten, in Berlin am Schloß, oder f. Behrmann in Hamburg u. f. Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel). Die große Zeit Permosers begann nach dem Ende des Nordischen Krieges 1709, als Dresden zur königlich Residenzstadt ausgebaut wurde und Matthäus Daniel Pöppelmann (1662–1736) den Zwinger errichtete (1711-28). Permoser am Beginn seines siebten Lebensjahrzehnts, leitete die Arbeiten an Hunderten von Figuren, Vasen, Kapitellen, Kartuschen, Ornamenten und Brunnen. Seine wichtigsten Mitarbeiter – Benjamin Thomae, Paul Heermann, Christian Kirchner, Johann Joachim Kretzschmar und Matthäus Oberschall –, allesamt sächsisch Bildhauer der nächsten Generation, entwickelten sich unter seiner Führung zu der bedeutendsten deutschen Bildhauerschule des Spätbarock. Im Spätwerk Permosers (etwa seit 1720) treten Monumentalwerke hervor, wie die marmorne Apotheose des Prinzen Eugen (1718/21, Wien, Unteres Belvedere) und die beiden Apotheosen Augusts d. Starken aus Sandstein ( circa 1722–23 u. 1723-5, beide 1945 zerstört), sowie die heilige Ambrosius und Augustinus für den Altar der ehemalig, ehemals katholisch Schloßkirche und heutigen Kathedrale in Dresden (1724/05, Lindenholz, weiß gefaßt). Die mit 3, 42 m ungewöhnlich großformatige Kreuzigungsgruppe aus Sandstein, die Permoser im Alter von 80 Jahren schuf, war für sein Grabmal bestimmt (heute stark restauriert in d. Kapelle d. Alten Katholisch Friedhofs in Dresden). Gerade im Alterswerk Permosers erscheint die Fähigkeit des barocken Künstlers besonders deutlich, bildhauerische Ausdrucksformen dem Erfordernis des Auftrags und des Auftraggebers anzupassen, ohne eklektizistisch zu werden. Neben zierlich-heiteren Mohrenfigürchen, die er an Dinglinger für die Fassung in Gold und Edelsteinen lieferte, stehen in pathetischem Hochbarock die Apotheosen; neben den vergeistigten Kirchenvätern steht die lebensgroße Venus Anadyomene aus Sandstein vom Park des Freiherr von Fletscher in Wiederau bei Pegau (1724). Eine solche „Mehrstiligkeit“ ist charakteristisch für den Dresdner Barock in augusteischer Zeit, in dem sich regionale Merkmale und unterschiedliche konfessionelle Prägungen aus dem protestantisch Sachsen und dem katholisch Polen mit Vorstellungen des aufgeklärten Absolutismus verbanden. Ganz im Sinne seines aufklärerischen Selbstverständnisses stiftete Permoser 1692 seinem Taufort Otting 1000 Taler zu Errichtung und Unterhalt einer Schule, der er auch sein gemaltes Bildnis (heute Traunstein, Heimatmus.) übergab. Aufgrund der stilistischen Vielfalt wie auch zahlreicher Schüler- und Werkstattarbeiten ergeben sich Unscharfen bei der Zuschreibung und Datierung mancher Werke in seinem Œuvre, das trotz enormer Verluste noch immer weit über hundert plastische Arbeiten aus Stein, Silber, Elfenbein, Böttgersteinzeug, Stuck, Holz und Terrakotta aus fast sechs Jahrzehnten umfaßt. Die Wirkung Permosers, hauptsächlich durch seine Schüler, ist verfolgbar bis Prag und Wien, Karlsruhe und Kopenhagen. Nachbildungen seiner Statuetten in mehreren Porzellanmanufakturen belegen, daß seine Kunst noch im Rokoko zum Vorbild genommen wurde.
Autor
Menzhausen, Joachim