Kupferstich, Ein totes Nilpferd als Analogie für die Strafe Gottes an den Schamlosen

Historischer Verein Neuburg an der Donau

Beschreibung

"Nilpferd" ist der gebräuchliche Name für das Flusspferd (Hippopotamus amphibius), das ursprünglich bis ins Mündungsdelta des Nils vorkam, wo es bis zum Jahr 1700 nachgewiesen ist. Heute ist es nur noch am Oberlauf bzw. an den Zuflüssen Weißer Nil und Blauer Nil (den Hauptsträngen im Flusssystem des Nils) anzutreffen. Das Verbreitungsgebiet des Flusspferds umfasst derzeit 29 Länder südlich der Sahara, wobei die Republik Sambia die größte Population mit geschätzt 40.000 bis 45.000 Tieren hat. Flusspferde wurden bereits von antiken Autoren beschrieben, in den römischen Arenen sollen einige Exemplare bei Tierhetzen eingesetzt worden sein. In der Frühen Neuzeit veröffentlichte der französische Naturforscher Pierre Belon (1517-1564) in seinem Werk "De aquatilibus, Libri duo" aus dem Jahr 1553 auf mehreren Druckseiten inklusive zweier Abbildungen eine der ältesten nachantiken Beschreibungen des Flusspferdes. Darin (Seite 26 in der Ausgabe Paris 1553, Druck: Carolus Stephanus) weist Belon auch darauf hin, dass einige Künstler aus dem Namen "Flusspferd" falsche Schlüsse für ihre Darstellung des Tieres gezogen hätten. Sie statteten das Wesen sowohl mit Elementen eines gewöhnlichen Pferdes (Mähne, langer Hals) als auch mit Elementen eines im Wasser lebenden Tieres (Schwimmhäute, Schwanz zur Steuerung) aus. Fertig war das Flusspferd! Diesen Fehler beginn auch der Kupferstecher des Blattes aus dem älteren Bestand des Historischen Vereins Neuburg. Auch sein Flusspferd ist mehr ein schwimmfähiges Pferd, als dass es einem tatsächlichen Hippopotamus entspricht. Dabei waren realitätsnahe Darstellungen dieses Tieres längst bekannt, als der Kupferstich um 1700 gedruckt wurde. Verwiesen sei auf das Gemälde "Jagd auf Nilpferd und Krokodil" von Peter Paul Rubens (1577-1640), entstanden um 1616. In der Emblematik, also in der während der Frühen Neuzeit (16.-18. Jahrhundert) überaus beliebten sinnbildlichen Darstellung religiöser, mythologischer u. ä. Inhalte, taucht auch das Flusspferd auf. Das Standardwerk "Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts" liefert drei Beispiele, in denen das Flusspferd (hier "Nilpferd" genannt) in allegorischen Darstellungen auftaucht. In einem Fall wird das Nilpferd als Symbol für Ruchlosigkeit (lateinisch: impietas, bedeutet auch Gottlosigkeit oder Mangel an Ehrfurcht) und Hochmut (lateinisch; superbia) verwendet. Mit dem Stichwort "Impietas" beschrieb auch der italienische Humanist Giovanni Pierio Valeriano Bolzanio (1477-1558) in seinem 1556 in Basel gedruckten Werk "Hieroglyphica" (S. 208) das Verhalten des herangereiften Hippopotamus gegenüber dem Elternpaar. Mit der Adoleszenz beginne ein junger Hippopotamus dem Vater gegenüber feindselig (lateinisch: infestus) zu werden. Im Kampf versuche der Jüngere den Älteren zu besiegen. Er tue dies, weil er danach strebe, sich als Sieger mit der Mutter zu paaren (im lateinischen Original: matris coitum affectat). Auch aus einer anderen Quelle konnte man vom angeblichen, schädlichen Verhalten der jungen Flusspferdbullen erfahren. Der böhmische Adlige Christoph Harant von Polschitz und Weseritz auf Pecka (1564-1621) unternahm Ende des 16. Jahrhunderts eine Pilgereise nach Jerusalem und veröffentlichte darüber einen Reisebericht, der 1608 in tschechischer Sprache erschien. Erst 1678 wurde bei Wolfgang Moritz Endter in Nürnberg unter dem Titel "Der Christliche Ulysses" eine deutsche Übersetzung veröffentlicht. Harant schreibt darin, mit Bezug auf Valeriano auch über den Hippopotamus: "Dieses wird auch von ihme erzehlet / daß / wann es seine Grösse und Alter erreichet / es seine Mutter dem Vatter / als dem Männlein / ableitet / und sich an sie hält / daher es dann unter die undanckbate Thier gerechnet wird …" Der Kupferstecher der Nilpferd-Allegorie konnte für sein Werk also auf Beschreibungen und Wertungen aus der Literatur zurückgreifen. Drastisch führt er vor Augen, wohin solch schändliches Flusspferd-Treiben führt. "DEUS PUNIT IMPUDENTES", heißt es in der Bildüberschrift. Gott straft die Schamlosen, so wie Gott mit einem Blitzschlag den ruchlosen Hippopotamus straft und tötet. "Das grausam Wasserpferdt im Nil / Gott mit dem Donner straffen will. / Weil solchs sein Vatter tödt mit neydt, / Treibt mit der Mutter unkeuscheit." lautet die deutsche Übersetzung der auch auf Latein wiedergegebenen Bildunterschrift. Das vom Blitz getroffene, tot im Nil treibende Flusspferd wird also zum Exemplum (Beispiel) dafür, was auch einem Menschen zustoßen kann, der die göttliche oder die natürliche Ordnung überschreitet und sich widernatürlich-sündigem Verhalten hingibt. Diese Botschaft dürfte der Kupferstich seinen Betrachtern vermittelt haben, auch wenn die Darstellung des Hippopotamus vollkommen misslungen ist.

Autor

Dr. Stephan Bachter, Historischer Verein Neuburg an der Donau

Rechtehinweis Beschreibung

CC BY-NC-ND 4.0