Alexander Rondanini

Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek

Beschreibung

Als "das einzig wahre Bildnis" Alexanders des Großen bezeichnete Johann Joachim Winckelmann, der Mitbegründer der Klassischen Archäologie, die berühmte Statue aus dem Palazzo Rondanini in Rom, die 1814 von Kronprinz Ludwig (1786-1868) für die Münchner Glyptothek erworben werden konnte. Sie zeigt einen jugendlichen Helden. Sein Blick ist in die Ferne gerichtet, das lockige Haar weist über der Stirnmitte das für Bildnisse Alexanders des Großen typische Flammenhaar auf. Der Jüngling steht federnd auf seinem linken Bein, während er das rechte in Schrittstellung nach vorne auf eine erhöhte Ebene gesetzt hat. Der Oberkörper ist leicht vornübergebeugt, die abgebrochenen Arme waren wohl einst nach vorne gestreckt.

Bei der Statue handelt es sich um die römische Kopie eines spätklassischen Werkes aus den Jahren um 330 vor Christus. Traditionelle Archäologen sahen in ihr unter anderem den Feldherrn Alexander, der den Wagen besteigt, sich in einer Rede an seine Soldaten wendet oder mit dem Schwert in der Hand das Schlachtfeld überblickt. Die jüngere archäologische Forschung ist von dieser Deutung weitgehend abgerückt. Heute bezeichnet man den dargestellten Heros mehrheitlich als Achill. Welche Handlung der junge Mann ausführt, bleibt dabei allerdings umstritten: Rüstet sich Achill gerade mit seinen neuen, vom Schmiedegott Hephaistos gefertigten Waffen? Oder empfängt er vielmehr dieselben Waffen aus den Händen seiner Mutter Thetis? Rein motivisch gesehen wäre letztere Deutung wohl am wahrscheinlichsten, denn unteritalische Vasen des 4. Jahrhunderts v. Chr. zeigen Achill beim Entgegennehmen der Waffen in einer Haltung, die der Pose der Statue am besten entspricht.

Akzeptiert man die Identifizierung mit Achill, bleibt die Frage, wie die deutlichen Anklänge an das zeitgenössische Alexanderporträt zu erklären sind. Will man nicht einfach davon ausgehen, dass die Darstellung Achills hier an Bilder Alexanders angeglichen wurde, wäre eine weitere Deutung möglich: Alexander führte nicht nur seine Abstammung mütterlicherseits auf Achill zurück, er nahm auch sonst publikumswirksam auf die Taten seines mutmaßlichen Vorfahren Bezug. Seinen Zug nach Asien eröffnete er damit, in Troja das Grab Achills aufzusuchen.

Es bietet sich daher durchaus an, den Alexander Rondanini der Münchner Glyptothek als Darstellung sowohl des Achill als auch des Alexander zu verstehen. Beide werden als Muster des griechischen Helden gezeigt, in ihrer Vorbildhaftigkeit letztlich gegeneinander austauschbar und miteinander identisch.