Doppelstatue des Niuserre

Staatliches Museum Ägyptischer Kunst München

Beschreibung

Auf einer gemeinsamen Basis stehen nebeneinander zwei männliche Stand-Schreit-Figuren in gleicher Größe. Sie zeigen eine identische Ikonographie und tragen das Königskopftuch mit der Uräusschlange vor der Stirn sowie den kurzen plissierten Königsschurz. Zwei kurze Inschriften auf der Basisplatte, jeweils vor dem rechten Fuß, benennen die Dargestellten als Niuserre, den sechsten König der 5. Dynastie (2504-2346 v. Chr.). Damit handelt es sich um die einzige königliche Doppelstatue des Alten Reiches. Die vom Betrachter aus gesehen linke Figur zeigt im Gesicht deutliche Merkmale eines Altersbildnisses – Tränensäcke, eingefallene Wangen, Falten um die Mundwinkel – und eine schlaffere Haltung als die rechte Figur, deren angedeutetes Lächeln zum Typ des Idealporträts gehört. So ist diese Statue die künstlerische Umsetzung der Doppelnatur des Königs als Mensch, dem Alterungsprozess unterworfen, und als ewig junger Gott. Denn dem ägyptischen König war eine Doppelnatur eigen, stets war er Gott und Mensch zugleich. Die Unterschiedlichkeit dieser beiden Wesensformen Pharaos wurde schriftlich formuliert in verschiedenen Namensformen des jeweiligen Herrschers, in verschiedenen Begriffen für „König“, je nachdem, ob die einmalige historische (=menschliche) Persönlichkeit angesprochen oder das überpersönliche (=göttliche) Amt des Königs gemeint war. In der Kunst unterscheiden sich die beiden Wesensformen ikonographisch und stilistisch. So trägt der König als Mensch die Tracht seiner Zeit, während der göttliche Pharao dieselben Kleider und Attribute wie ein Gott zeigen kann. Vor allem in der Rundplastik steht eine kindlich-jugendliche Darstellung für den göttlichen und ein altersgeprägtes Gesicht für den historisch-menschlichen König. Darüber hinaus sind die beiden Figuren der Doppelstatue aber auch Abbild des zyklischen Ablaufs des Lebens, von Jugend und Alter, von Werden und Vergehen der Natur, für deren ewigen Kreislauf der König durch seinen Kontakt zu den Göttern zu garantieren hatte. So ist es sicher kein Zufall, dass gerade Niuserre unweit seiner Pyramide ein Sonnenheiligtum errichten ließ, in dessen Reliefs sowohl der zyklische Verlauf der Jahreszeiten in Naturdarstellungen geschildert als auch das königliche Erneuerungsfest, das Heb-Sed, in einmaliger Ausführlichkeit bebildert wird. Seine Rituale dienen der Überwindung des Alterungsprozesses der königlich-menschlichen Natur.