Ägyptisierende Stand-Schreitfigur des Antinoos

Staatliches Museum Ägyptischer Kunst München

Beschreibung

Die ursprünglich überlebensgroße Statue orientiert sich sowohl in ihrem formalen Aufbau als Standschreit-Figur mit Rückenpfeiler als auch in ihren ikonographischen Details wie Königskopfuch und Schurz an altägyptischen Vorbildern. Stilistisch ist sie jedoch eindeutig einer römischen Werkstatt zuzuordnen, worauf auch ihr Material verweist. Die Statue stammt aus der nahe Rom gelegenen Villa Hadriana, wo sie mit einem Pendant aus weißem Marmor (heute in den Vatikanischen Museen) zur statuarischen Ausstattung des sogenannten Kanopus-Tales gehörte. Dort hatte der Kaiser das in Kanopus bei Alexandria gelegene Heiligtum einer Sonderform des Osiris nachempfinden lassen – mit einem langgestreckten, von Säulen begleiteten Teich und einer großen kuppelüberwölbten Halle, ausgestattet mit einer Vielzahl von ägyptisierenden Statuen. Kaiser Hadrian hatte im Jahr 130 mit seiner Gemahlin Sabina Ägypten besucht, begleitet von dem schönen Jüngling Antinous, dem „Liebling des Kaisers“ (Cassius Dio). Auf der Rückreise ertrinkt Antinous im Nil – nach den antiken Quellen hat er freiwillig den Opfertod auf sich genommen, um das Leben des Kaisers auf magische Weise zu verlängern. Durch die Art seines Todes wurde Antinous gleichgesetzt mit dem ägyptischen Auferstehungs- und Vegetationsgott Osiris, der nach dem Mythos gleichfalls im Nil ertrunken war. Zu seinen Ehren lässt Hadrian nicht nur in Mittelägypten die Stadt Antinoupolis mit einem Tempel für ihn gründen, sondern auch im ganzen Imperium Statuen aufrichten. Über 100 meist lebensgroße oder überlebensgroße Bildnisse des Antinous sind heute bekannt, die ihn entweder als schönen Jüngling mit Lockenkopf oder in ägyptisierendem Stil mit Königskopftuch zeigen. Ludwig I. hatte, noch als Kronprinz, diese Statue aus dem Besitz der Villa Albani, der von Napoleon nach Paris verschleppt worden war, für den Ägyptischen Saal seiner geplanten Glyptothek erworben. Für die damalige Aufstellung hatte der dänische Bildhauer Bertel Thorvaldsen, von dem auch die Ergänzungen der Ägineten stammen, den Torso mit Armen und Beinen ergänzt, nach dem Vorbild des Gegenstücks im Vatikan.