Spielzeug-Musterbuch, Nürnberg 1850er / 1860er Jahre

Museen der Stadt Nürnberg Spielzeugmuseum

Hinweis

Dieses Objekt ist aufgrund des Dargestellten oder aufgrund seiner Inhalte aus ethisch-moralischer Sicht problematisch. bavarikon zeigt es, um eine kritische, sensible Auseinandersetzung mit diesen Darstellungen und Inhalten zu ermöglichen und zu fördern. Die Bayerische Staatsbibliothek als Betreiberin von bavarikon distanziert sich ausdrücklich von diskriminierenden, rassistischen, stereotypisierenden, menschenverachtenden Darstellungen und Inhalten.

Beschreibung

Das sehr umfangreiche Musterbuch einer Nürnberger Spielwarengroßhandlung zeigt auf farbigen Musterkarten hunderte charakteristische Spielwaren der Zeit zwischen 1850 und 1870. Der Herausgeber des Buches ist unbekannt. Als exportorientiertes Unternehmen verkaufte man die Waren auch in französischsprachige Länder. Einige Artikel tragen daher handschriftliche französische Bezeichnungen. Am Ende des Buches wurden als Nachtrag einige Musterblätter Sonneberger Spielwarenhändler beigeheftet. Die Verleger in dieser bedeutenden thüringischen Spielzeugstadt pflegten rege Handelsbeziehungen mit Nürnberger Unternehmen. Vier dieser Musterblätter sind sogar von Hand gezeichnet und zeigen vermutlich Spielwarenneuheiten. Die Zeichnungen der Objekte wurden in Feder und Kreide ausgeführt. Die Vervielfältigung erfolgte als handkolorierte Lithografie. Einzelne Artikel sind zusätzlich lackiert oder geprägt. Dekore wurden durch Übermalungen mit Goldbronze hervorgehoben. Artikelbezeichnungen, Größenangaben und Einzelbeschriftungen sind teilweise gedruckt oder nachträglich handschriftlich vermerkt.

Auf Seite 4 des Buches ist unter Nr. 114 ein Kaufladen "façon hollandais" abgebildet. Dieses Musterblatt ist identisch mit einem Blatt im Musterbuch, Museen der Stadt Nürnberg, Inv.Nr.: 1966.382, Bl. 2, Nr. 114, Laden: "Hollaender". Hier handelt es sich um eine rassistische Darstellung mit einer kolonialen Szene, welche verschiedene rassistische Stereotype bedient. Im Vordergrund ist ein Schwarzer Mann mit einem Spaten in der Hand zu sehen. Im Hintergrund überwacht ein weißer Mann die Arbeit. Die Szene zeigt die Rollenverteilung zwischen Schwarzen und weißen Menschen zur Zeit des europäischen Kolonialismus. Schwarze Menschen wurden versklavt, ausgebeutet, zur Arbeit gezwungen und lebten oft unter menschenunwürdigen Bedingungen.

Die Schwarze Person ist lediglich mit einem Lendenschurz bekleidet. Obwohl diese Kleidung auf den Plantagen unüblich war, sind solche Darstellungen sehr häufig. Schwarze Menschen als halbnackt oder spärlich bekleidet zu zeigen, entspricht mehr kolonialen Fantasien in Europa als der Realität. Auf diese Weise war es weißen Menschen möglich, sich als überlegen und "die Anderen" als nackt und damit als wild, unzivilisiert und unterentwickelt darzustellen. Diese Stereotype werden auch durch den Affen und die Schildkröte am Bildrand betont. Schwarze Menschen werden auf Abbildungen vielfach mit wilden, als exotisch geltenden Tieren wie Krokodilen, Giraffen, Affen, Strauße oder Elefanten in Verbindung gebracht.

Die Darstellung mit Affen ist dabei besonders rassistisch, da im Europa des 18. und 19. Jahrhunderts die Schädel Schwarzer Menschen mit Affenschädeln verglichen wurden. Auf diese Weise versuchte man ihre Unterlegenheit wissenschaftlich zu begründen und aus den Vergleichen wurden Charakterzüge wie Primitivität, Tierähnlichkeit und Rückständigkeit abgeleitet. Europäische Gelehrte wie der schwedische Naturforscher Carl von Linné (1707-1778) und der deutsche Physiologe Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840) gingen von einer Überlegenheit der "weißen Rassen" gegenüber "Nicht-weißen Rassen" aus. Diese Rassentheorien dienten als Rechtfertigung für Ausbeutung und Versklavung.

Autor

Mascha Eckert / Urs Latus