Wirkteppich/Bahrtuch mit Verkündigungsszene

Museum Tucherschloss und Hirsvogelsaal

Beschreibung

Der Wirkteppich zeigt die Verkündigung des Erzengels Gabriel an die Jungfrau Maria. Nach altniederländischer Tradition erscheint Gabriel bei Maria in der Stube. Kostbare Seidenstoffe mit Granatapfelmuster in großer Stofffülle prägen das Bild. Hans VI. Tucher (1428–1491) berichtet in seinem 1477 angelegten Salbuch, dass er mit seinem Bruder Berthold sowie den Vettern Anton und Hans aus Mitteln der Tucher’schen Handelsgesellschaft für die jährlichen Totengedenktage für 14 Gulden einen Grabteppich mit Englischem Gruß erworben habe und für die nachträgliche Anbringung des Wappens noch weitere zwei Gulden anfielen. Die jetzige Jahreszahl 1486 geht wohl auf eine Restaurierung des 19. Jahrhunderts zurück, sodass der Teppich möglicherweise mit einem Nachtrag im Salbuch von St. Sebald aus dem Jahr 1475 zusammenzubringen ist. Zur Ausstattung einer spätmittelalterlichen Pfarrkirche gehörten verschiedenste Wirkteppiche. Ein Bahrtuch, auch Grabteppich oder Sargdecke benannt, war stets Teil der Bemühungen um das eigene Seelenheil und wurde bei Bestattungen oder Gedächtnisfeierlichkeiten über Sarg oder Grab gelegt. Das hierfür eher ungewöhnliche Thema der Verkündigung erklärt sich aus dem liturgischen Gebrauch zum Tucher’schen Jahrtag, der stets am Donnerstag und Freitag vor Mariä Verkündigung abgehalten wurde. Das Bahrtuch ist ein Zeugnis der neuen Vorliebe für Teppiche aus Flandern, die ab dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts gegenüber heimischen Tapisserien bevorzugt wurden.

Author

Andrea Mayerhofer-Llanes