Blick vom Hof des Tucherschlosses nach Südwesten zum Nachbarhaus

Tucher'sche Kulturstiftung

Beschreibung

Wohl um 1850 schuf ein unbekannter Aquarellist diese Darstellung des Tucher-Anwesens in der Nürnberger Altstadt. Sein Interesse galt nicht den repräsentativen Fassaden des Renaissancebaus zum Schlossgarten und -hof. Stattdessen richtete er den Blick auf die Nebentrakte im Südwesten des Schlosshofs. In ihnen betrieb der Fabrikant Christian Wilhelm Fleischmann (1780–1867) schon seit 1829 seine „Kunstanstalt“, eine Papiermaché-Fabrik. Die verschachtelten Gebäudeteile waren mit ihren verkanteten Dächern, dem Fachwerk, dem Holzbalkon mit überdachtem Galeriegang und dem Anbau aus Sandstein pittoresk „mittelalterlich“ und damit optisch attraktiv. Liebevoll bereicherte der Künstler die Idylle mit narrativen Details: aufgehängte und über die Holzbalustrade gelegte Wäschestücke, ein an die Hauswand gelehnter Reisigbesen, ein Holzfass, ein Weidenkorb, ein real mitten im Hof wohl nie existenter Brunnen. In romantischer Tradition ist der Schlosshof von figürlicher Staffage – drei jungen Frauen mit biedermeierlicher Frisur – belebt. Jeder Hinweis auf Fleischmanns sicher längst vorhandene Papiermaché-Fabrik fehlt. Hinter dem Galeriegang grenzen unmittelbar ans Tucher-Anwesen die Gebäude der Nachbarschaft an. In weiter Ferne erkennt man die Turmspitzen einer gotischen Kirche: Kurioser Weise handelt es sich eindeutig um die aus dieser Perspektive nie sichtbaren markanten Türme der Lorenzkirche, nicht um die schlichteren der nahe gelegenen Tucher’schen Hauskirche St. Sebald.

Autor

Ulrike Berninger