Ofenkachel mit Vexierbild (Kardinal und Narr)

Archäologische Staatssammlung München

Beschreibung

Beim Aushub eines Kanalgrabens stieß man 1982 in Bad Königshofen auf eine alte Gipsabbaugrube, die in früheren Jahrhunderten mit Gebrauchsgeschirr und dem Werkstattbruch von Hafnereien aufgefüllt worden war. Die nördlich des alten Stadtkerns gelegene Fundstelle erlaubt einen Einblick in die Produktion des einheimischen Töpferhandwerks, das neben Gebrauchsgeschirr vornehmlich Ofenkacheln herstellte. Eine ganze Reihe trägt dabei religiöse Motive: Apostel, Heilige, Engel, Christus, Maria – und das Porträt eines Kardinals. Diese Darstellung ist jedoch ein Vexierbild. Dreht man es um, trägt der Herr eine Schellenkappe und Eselsohren, aus dem kirchlichen Würdenträger wird ein Narr. Dieses Motiv stammt aus dem Umfeld der protestantischen Propaganda gegen Papst und römische Kirche. Es geht zurück auf eine Spottmedaille mit den Vexierbildern eines Kardinals und eines Papstes, die – aus der anderen Richtung betrachtet – als Narr bzw. Teufel erscheinen. Sie entstand in den 1530er Jahren als Reaktion auf eine Medaille mit den Doppelköpfen Papst/ Kaiser und Kardinal/ Bischof. Die Herstellung der Ofenkachel fiel in eine Zeit des sich verschärfenden Konflikts zwischen Katholiken und Protestanten. Es überrascht, dass im katholischen, seit 1354 bis zur Säkularisation zum Hochstift Würzburg gehörenden Bad Königshofen eine derartige Kachel hergestellt wurde. Neben seiner brisanten politischen Botschaft ist das Vexierbild auch ein schönes Beispiel für die Spaßkultur der Renaissance.

Autor

Archäologische Staatssammlung München

Rechtehinweis Beschreibung

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