KulturErben. Eichensaat und Eichenwirtschaft im Spessart

Der Spessart ist das größte zusammenhängende Laubwaldgebiet Deutschlands; im in Bayern gelegenen Hochspessart wachsen auf circa 25% der Waldflächen Eichen. Dies ist das Ergebnis forstwirtschaftlicher Aktivitäten seit dem 18. Jahrhundert, denn in der von Buchen dominierten Waldgesellschaft wären Eichen sonst nur mit einem Anteil von bis zu 5% vertreten.

Seit etwa der Mitte des 18. Jahrhunderts waren Eichenstämme aus dem Spessart für den Haus- und Schiffsbau in Holland gefragt ("Holländerholz"). Mit dem Plan des "ersten kurmainzischen Forsteinrichtungswerks" 1770 begann die systematische Eichennachzucht. Eine erste Eichensaat lässt sich im Jahr 1796 nachweisen. Im 19. Jahrhundert wurde die Eichenwirtschaft im Königreich Bayern systematisch gefördert. Ziel des 1837 eingeführten "Großartigen Compositionsbetriebs" war die "horstweise" Eichenverjüngung, wofür Flächen von Jungbuchen befreit wurden. Ende des 19. Jahrhunderts verjüngte man die Bestände mittels des "Großschirmschlags" durch Entnahme einzelner Bäume. Die Eichennachzucht war für die Spessartbevölkerung ein Nebenverdienst: Bauern, die auch als Waldarbeiter tätig waren, bereiteten die Eichensaatflächen vor; "Saat-" oder "Kulturfrauen" führten die Eichensaat und die körperlich anstrengende Pflege der Flächen durch. Diese Form der Bewirtschaftung prägte die Infrastruktur des Spessarts, wovon heute historische Transportwege, Spuren von Flößerei, Schneidmühlen sowie Säge- und Furnierwerke zeugen. Nach einer zeitweisen Unterbrechung pflegte man die Eichenbestände ab den 1960er-Jahren wieder intensiver. Heute beaufsichtigt der Staatsforst die Durchführung von Eichensaat und -wirtschaft im Hochspessart.

Nach Genehmigung der Forstbehörde sammelt in Jahren mit besonders guter Ernte ("Mastjahre") die ortsansässige Bevölkerung die Früchte der Traubeneiche vom Boden auf und liefert sie gegen eine Bezahlung pro Kilo ab. Vor der Neuaussaat werden die vorgesehenen Flächen von Astwerk befreit und Saatriefen in den Boden gezogen (Rillensaat). In schwer zugänglichem Gelände erfolgt die manuelle Plätzesaat, bei der die Eicheln mithilfe des Waldsaat-Rechens in den Boden eingebracht werden. Danach übernehmen Förster und Waldarbeiter die Pflege der Eichenkulturen. Die Gemeinschaftsarbeit von Kulturfrauen, Waldarbeitern, Förstern und Ortsansässigen sichert nachhaltig die Kulturlandschaft und die Weitergabe des Wissens über Eichen im Spessart.

Weitere Informationen: https://www.ike.bayern.de/verzeichnis/000329/index.html

>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Institut für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften"