KulturErben. Leipheimer Kinderfest

Das Leipheimer Kinderfest findet jährlich am zweiten Juliwochenende von Samstag bis Montag statt. Es ist für die Bewohner der schwäbischen Kleinstadt fester Bestandteil im Jahreslauf. Im Zentrum stehen die circa 450 Schulkinder der Grund- und Mittelschule Leipheim, die verschiedene Tänze aufführen, darunter den traditionellen "Schnitterreigen". Weitere Höhepunkte sind die Vorträge von Festsprüchen, Spiele sowie Umzüge, bei denen die Schulkinder teils prächtig geschmückte Blumenbögen tragen.

Das Fest entwickelte sich aus einem Erntedankfest nach der großen Hungersnot von 1816/17. Nach dem Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora 1815 kam es in Europa zu extremen Klimaveränderungen, speziell 1816 zum "Jahr ohne Sommer". Kälte, Überschwemmungen, Missernten, hohe Sterblichkeit der Nutztiere sowie stark gestiegene Getreidepreise führten zu einer Hungersnot, die noch im folgenden Jahr anhielt. Als sich die Situation im Juni 1817 besserte, wurde auch in Leipheim der erste Erntewagen freudig begrüßt. Die Dankespredigt des Dekans Hercules Samuel Troeglen in der evangelischen St. Veitskirche und der Jubel der Bevölkerung werden als Beginn der Festtradition gesehen. 1818 wurde das Kinderfest, das zu der Zeit den Namen "Schulertanz" trug, offiziell gefeiert und war vor allem auch zur Unterstützung notleidender Kinder gedacht. Der Festablauf ist in den Pfarrannalen für 1818 festgehalten. 1902 kam der Montag als Festtag hinzu und der Fokus verschob sich zunehmend vom Erinnern an die Hungersnot zum Volksfest. Die Nationalsozialisten vereinnahmten das Kinderfest, das nun "Bauernfest" hieß. Zugleich wurde das Liedrepertoire durch vaterländische Lieder ergänzt und der Kinderfestspruch in einen Lobgesang auf Adolf Hitler umgewandelt. Im Zweiten Weltkrieg und in den ersten Nachkriegsjahren fiel das Kinderfest aus.

Seit 1949 wird das Leipheimer Kinderfest wieder gefeiert, damals zusammen mit Displaced Persons, die in der Nähe untergebracht waren. Die Feierlichkeiten folgen einem festen Ablauf. Bereits einige Monate vor dem Termin studieren die Schulkinder gemeinsam mit ihren Lehrerinnen und Lehrern die Tänze ein. Der "Schnitterreigen", ein einfacher Schreittanz, ist den Schülern und Schülerinnen der siebten und achten Klassen vorbehalten und wird am Festsonntag und ‑montag in einer als Tracht verstandenen Bekleidung aufgeführt. Kinder tragen die Festsprüche mittags und abends auf Hochdeutsch oder in schwäbischem Dialekt frei vor. Gleichsam als Spiegel der jeweiligen Zeit kommen zu den tradierten Sprüchen immer wieder auch neue hinzu.

Weitere Informationen: https://www.ike.bayern.de/verzeichnis/000340/index.html

>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Institut für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften".