KulturErben. Willibaldsritt Jesenwang

Beim Willibaldsritt im oberbayerischen Jesenwang ziehen in einer feierlichen Prozession mehr als 300 Pferde, geritten oder geführt, und einige Gespanne durch den Ort. Ihr Weg wird von zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauern gesäumt. Die jährliche Wallfahrt führt zur spätmittelalterlichen Willibaldkirche, wo Pferde und andere Tiere den Segen erhalten. Nur in Jesenwang wird die Kirche mit Pferden durchritten, während Gespanne sie umfahren.

Ein Gelübde der Jesenwanger Bevölkerung aus dem Jahr 1712, das wegen einer grassierenden Pferde- und Viehseuche abgelegt worden sein soll, ist auf einem dem hl. Willibald 1714 gestifteten Votivbild überliefert, das in der Kirche neben dem Nordportal angebracht ist. Es gilt als Erstbeleg für den Willibaldsritt, doch lässt sich nicht zweifelsfrei nachweisen, dass Seuche und Gelübde den Anstoß gaben. 1766 wurde eine Reliquie des Pferdepatrons in die Kirche gebracht. Während der Zeit der Aufklärung und Säkularisation waren sowohl der Ritt als auch das Durchreiten der Kirche untersagt. Ab der Restaurationsphase im frühen 19. Jahrhundert fand der Brauch wieder statt. Während des Nationalsozialismus blieb der Willibaldsritt von einer Vereinnahmung verschont, jedoch wurde der Ritt kleiner, als im Zweiten Weltkrieg Männer und Pferde zum Kriegsdienst eingezogen waren. Bis 1953 fand er am Georgitag (23. April) oder am Stephanitag (26. Dezember) statt, seitdem ist er am Sonntag nach dem 7. Juli, dem Todestag des hl. Willibald. 1964 fiel der Ritt wegen Pferdemangel, von 1973 bis 1978 wegen Baufälligkeit der Willibaldkirche aus. Nach der Gründung des Freundeskreises St. Willibald e.V. mit dem Ziel, die baufällige Kirche zu renovieren, findet der Ritt seit 1979 wieder jährlich statt, organisiert vom Verein zusammen mit der Gemeinde Jesenwang. Wissen über den Umgang mit den Pferden, deren Schmücken und den Ablauf des Umzugs wird in den Familien weitergegeben.

Nach einem Gottesdienst am Morgen startet der Bittritt gewöhnlich um die Mittagszeit und führt vom Gemeinschaftshaus zur östlich des Ortes gelegenen Willibaldkirche. Einem Kreuzreiter an der Spitze des Zuges folgen Geistliche und die weiteren Teilnehmenden. Am Nordportal der Kirche werden die geschmückten Pferde samt Reiterinnen und Reitern gesegnet. Diese lenken ihre Tiere dann nacheinander in die Kirche, halten in der Mitte für einen Blick zum Hochaltar an und reiten schließlich zum Südportal wieder hinaus. Der Bereich des Durchritts ist pferdetauglich mit Holz gepflastert, das Durchreiten erfordert großes Können und Besonnenheit. Anschließend wird im Kastanienhain vor der Kirche gefeiert.

Weitere Informationen: https://www.ike.bayern.de/verzeichnis/000352/index.html

>> Diese Sammlung ist ein Teil des Bestandes "KulturErben. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" des "Institut für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften"