Wandbehang "Großer Blütenbaum"

Die Neue Sammlung - The Design Museum

Beschreibung

Mit seinem Werk begründete der gebürtige Schweizer Hermann Obrist (1863–1927) in den 1890er-Jahren den deutschen Jugendstil. Eine Kunstbewegung, die anspruchsvolles Handwerk mit den ästhetischen Ansprüchen der freien Kunst verschmolz. Nach einem Studium in Paris gründete Obrist gemeinsam mit Berthe Ruchet 1892 sein erstes Stickatelier in Florenz, das bald nach München verlegt wurde. Dort zeigte er 1896 in Littauers Salon am Odeonsplatz eine Ausstellung mit 35 Textilien, darunter auch der „Große Blütenbaum“. Der Wandbehang, der wohl auf die undatierte Zeichnung „Dorniger Stängel mit Knospe“ der Staatlichen Graphischen Sammlung München zurückgeht, wurde von Zeitgenossen als Geburtsstunde der neuen, angewandten Kunst gefeiert. Obrists Objekte zeigten erstmals die gekonnte Symbiose eines genauen Naturstudiums – er beschäftigte sich intensiv mit den Schriften von Ernst Haeckel (1834–1919) – mit einer dynamischen Belebung der Form und perfekter Umsetzung. Der „Große Blütenbaum“ wurde von Berthe Ruchet in der neuartigen Sticklagentechnik ausgeführt. Hierdurch wurde der Eindruck einer fließenden, zwischen Schattierungen und Farbnuancen changierenden Bewegung erzielt. Doch übte Obrist nicht allein mit seinem künstlerischen Werk erheblichen Einfluss auf die Entwicklung von Kunst und Gestaltung aus. Er war 1897/98 Mitbegründer der Münchner Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk und eröffnete 1902 gemeinsam mit Wilhelm von Debschitz (1871–1948) das Lehr- und Versuchsatelier für angewandte und freie Kunst. Die sogenannte Debschitz-Schule gilt als Vorläufer des 1919 gegründeten Bauhaus. Das Schaffen von Hermann Obrist erzählt anschaulich davon, wie wichtig München für die Entstehung der modernen Formgebung war.