Die Dornenkrönung, Kulissenapparat für eine Orazione delle Quarant’ore

Deutsches Theatermuseum

Beschreibung

Giuseppe Bibiènas Ruhm begründet sich nicht nur auf unzählige Bühnen- und höfische Festdekorationen, sondern auch auf ephemere Dekorationen, die er für religiöse Zwecke entworfen hat. In der Barockzeit wurden solche perspektivisch gemalten Kulissen, die den Hochaltar meist völlig ausfüllten, aufgestellt, um die Weihnachts- oder Passionsgeschichte anschaulicher darzustellen. Diese großen Kulissen waren in ihrer technischen Konstruktion den Theaterkulissen vergleichbar, jedoch ohne die Möglichkeit einer schnellen Verschiebung und Verwandlung wie es auf einer profanen Bühne möglich war. Vorliegender Entwurf für ein sogenanntes Theatrum Sacrum ist im 1740 in Augsburg bei Pfeffel erschienenen Stichwerk „Architetture e Prospettive“ eingebunden, das die vielfältige Tätigkeit Giuseppe Bibiènas am Wiener Kaiserhof dokumentiert. Die ephemere Dekoration für die Hofburgkapelle knüpft an die Tradition der sogenannten Quarant’ore-Dekorationen an. Solche temporären Schaugerüste wurden ursprünglich in italienischen Kirchen für das Vierzig-Stunden-Gebet während der Osterfeierlichkeiten zur Verehrung des Allerheiligsten aufgestellt. Bibiènas Bühnenraum zeigt eine dreigeschossige Palastarchitektur, die über Eck stehend die Tiefe des illusionierten Raumes hervorhebt. In die Mitte stellt Bibièna einen überkuppelten Baldachin ein, unter dem das durch die Hostie verkörperte Allerheiligste in einer barocken Monstranz mit Strahlenkranz präsentiert wird. Auf dem Treppenabsatz darunter findet einer der bewegendsten szenischen Momente des dramatischen Leidensweges Christi statt: die Dornenkrönung. Von spottenden Kriegsknechten umringt, kauert der in einen Mantel gehüllte Jesus in der Mitte, während ein Soldat dabei ist, ihm höhnend die Dornenkrone aufs Haupt zu setzen.

Autor

MM/sdp

Rechtehinweis Beschreibung

RR-F