Rattan-Handkoffer, verwendet als "Störkoffer"

Museum Oberschönenfeld

Beschreibung

Der sog. Japankorb, ein leichter Handkoffer, aus geflochtenen Rattanschienen in Form einer Stülpdeckelschachtel mit Eckverstärkungen aus Leder wird von zwei umlaufenden Lederriemen, sog. Plaidriemen, an denen ein Ledergriff befestigt ist, fixiert. Die Riemen lassen sich mit Dornschallen schließen. Die Damenschneiderin Viktoria Deihl verwendete den Koffer zum Aufbewahren ihrer Nähutensilien und als „Störkoffer“, wenn sie bei ihren Kundinnen Maß nahm oder kleine Änderungsarbeiten ausführte. „Auf die Stör gehen“ bezeichnet das Ausüben handwerklicher Tätigkeiten vor Ort bei Kunden. Viktoria Deihl (1901–1984) wuchs als eines von 14 Kindern in einem Bauernhaus in Neuburg an der Kammel (Lkr. Günzburg) auf. Sie und vier ebenfalls unverheiratete Geschwister übernahmen den Hof nach dem Tod der Eltern. Im Gegensatz zu ihren beiden ledigen Schwestern hatte Viktoria einen Beruf erlernt. Mit ihrer 1917 abgeschlossen Schneidergehilfinnen-Ausbildung verdiente sie bis in die 1950er-Jahre Geld als Damenschneiderin. Ihre „Werkstatt“ war die Stube. Dorthin kamen die Frauen aus dem Dorf zum Maßnehmen und Anprobieren. Als „Hochzeitsnähere“ nähte sie die Aussteuer, schneiderte Hochzeitskleider und stattete die Wäscheschränke aus. Am Hochzeitstag zog sie die Braut an und half ihr am Abend wieder aus dem Festkleid. Ab den 1950er-Jahren veränderten industriell hergestellte Textilien, die Verbreitung synthetischer Fasern und der Versandhandel den Umgang mit Kleidung grundlegend. Ließen sich die Menschen zuvor Kleider und Hosen schneidern, kauften sie diese nun günstiger von der Stange.