Die Wahlrechtsreform 1905/06

1905/06 gelang es SPD und Zentrum im Bayerischen Landtag, eine umfassende Reform des bayerischen Landtagswahlrechts durchzusetzen. Um dies zu erreichen, hatten sich die beiden Parteien gegen die Liberalen zu einem Wahlbündnis zusammengeschlossen und damit die notwendige Zweidrittelmehrheit im Landtag erreicht.

Mit dem Landtagswahlgesetz vom 9. April 1906 wurde in Bayern die direkte Landtagswahl eingeführt. Die Mitglieder der zweiten Kammer des Bayerischen Landtags, der Kammer der Abgeordneten, wurden fortan direkt und nach relativem Mehrheitsprinzip gewählt. Außerdem wurden die Wahlbezirke nun gesetzlich eingeteilt und an die aktuellen Bevölkerungszahlen angepasst. Im innerdeutschen Vergleich verfügte Bayern damit nun über eines der fortschrittlichsten Wahlgesetze.

Bis dahin war die Wahl durch das Wahlgesetz von 1848 geregelt worden. Demnach waren die Abgeordneten über Wahlmänner, also indirekt, gewählt worden. Die Einteilung der Wahlbezirke war außerdem von der Regierung so gestaltet worden, dass möglichst die Liberalen bevorzugt wurden. Die für die Einteilung herangezogenen Bevölkerungszahlen stammten zudem aus dem Jahr 1875. Das enorme Bevölkerungswachstum vor allem der Städte in den 1880er und 1890er Jahren wurde bis 1905 somit nicht berücksichtigt. Die Menschen in den bayerischen Städten und Teile der Landbevölkerung wurden benachteiligt.

Bei den ersten Wahlen auf Grundlage des neuen Wahlgesetzes erzielten Zentrum und SPD im Jahr 1907 deutliche Zugewinne. Für SPD und Linksliberale bestand allerdings weiterhin der Wunsch nach Wahlrechtsreformen. Denn auch nach dem Wahlgesetz von 1906 waren viele Einwohner Bayerns, v.a. die Frauen, von der Wahl ausgeschlossen. Außerdem blieb das Wahlrecht in Bayern von der Entrichtung einer direkten Steuer abhängig.