Die Landtagsmehrheit stützt die Regierung

Am 9. Februar 1912 wurde mit Georg Freiherr von Hertling (1843–1919) erstmals ein Vertreter der Landtagsmehrheit zum Ministerratsvorsitzenden ernannt. Der Münchner Philosophieprofessor hatte sich bislang als Reichstagsabgeordneter für die Zentrumspartei engagiert und war Mitglied der Ersten Kammer des Bayerischen Landtags, der Reichsrätekammer.

Hertling wurde als Ministerratsvorsitzender erstmals vom König beauftragt, die weiteren Minister vorzuschlagen. Zudem war die Ernennung Hertlings erst durch die Verweigerungspolitik der Landtagsmehrheit möglich geworden. Die Zentrumspartei hatte sich nämlich 1911 wegen eines Konflikts mit der Vorgängerregierung über das Streikrecht der Eisenbahnarbeiter geweigert, dem Etat des Verkehrsministeriums zuzustimmen. Seine Berufung wurde aus diesen Gründen in Bayern wie im Deutschen Reich als wichtiger Schritt zur Parlamentarisierung des politischen Systems wahrgenommen.

Gleichwohl verstand sich Hertling keineswegs als Vertreter einer Partei und als Wegbereiter einer Parlamentarisierung oder gar einer Demokratisierung. Vielmehr lehnte er weitere Reformforderungen der Sozialdemokraten und der Linksliberalen strikt ab. Seine Aufgabe sah er in den nächsten Jahren vor allem darin, die konstitutionelle Monarchie in Bayern zu erhalten. Die Bemühungen Hertlings, sich in der Tradition der bayerischen Minister als überparteilicher und alleine dem König verantwortlicher Staatsdiener zu präsentieren, wurden in liberalen und sozialdemokratischen Zeitungen, wie etwa am 31. März 1912 in der „Jugend“, humorvoll verarbeitet.