Literatur am Münchner Hof im 15. Jahrhundert

Unter Herzog Albrecht III. (1401-1460) und Albrecht IV. (1447-1508) erlebt das Interesse an alten höfischen Stoffen eine Nachblüte und erstrahlt die Literatur in München im 15. Jahrhundert in neuem Glanz. Hier sind es nicht nur die pragmatischen Gattungen, die neben einer Wolfram-Imitation und Ritternostalgie auffallen, sondern auch ein neuer akademisch gebildeter Dichtertyp, der sich durchsetzt.

An der Wende vom Mittelalter zum Frühhumanismus steht z.B. der universal gelehrte Autor und Arzt Johannes Hartlieb (um 1400-1468), dessen in landesfürstlichem Auftrag geschriebenen Werke ein breites Spektrum zwischen Unterhaltungsliteratur und Fachprosa abdecken. Sein Alexander ist eine als Fürstenspiegel konzipierte deutsche Übersetzung einer lateinischen Alexanderroman-Kompilation und vermittelt neben historischem, geographischem und naturkundlichem Wissen am Beispiel eines vorbildlichen Herrschers fürstliche Qualitäten im Sinne des höfischen Publikums. Mit der Übertragung der mittelalterlichen Minnelehre "De amore" von Andreas Capellanus (1150-1220) sowie der religiösen Exempel- und Mirakelsammlung des Caesarius von Heisterbach (1180-1240) beweist Hartlieb seine literarische Vielseitigkeit. Für die Popularisierung der Artes-Literatur in Bayern zeugt zudem sein Buch über Handlesekunst, das Buch von der Hand.

Ein weiterer ambitionierter Künstler ist der aus Landshut stammende Maler und Dichter Ulrich Füetrer (gest. 1496). Als Maler wirkt Füetrer an geistlichen Spielen mit, als Hofdichter widmet er sich der Geschichtsschreibung und der nostalgischen Ritterliteratur. Zwischen 1473 und 1481 verfasst er sein in Titurelstrophen abgefasstes Buch der Abenteuer, eine zu einem epischen Zyklus verdichtete Zusammenstellung zahlreicher Artusromane des 13. Jahrhunderts. Mit insgesamt 12.000 Versen ist dieses Buch zugleich die größte deutsche Pergamenthandschrift der Bayerischen Staatsbibliothek.

Der Münchner Hof zieht neben einheimischen bairischen Schriftstellern gleichfalls Literaten von außerhalb an, wie den aus Sülzbach bei Weinsberg geborenen Michel Beheim (1416/21-1474/78), der als Dichterkomponist auch die Wittelsbacher am Heidelberger Hof erfreut. Neben drei strophischen Chroniken stammen von Beheim rund 450 in elf erhaltenen Melodien gedichtete Lieder, die zwischen 1449 und 1474 datierbar sind: religiöse Lieder, Lieder zu allgemeinen Moral- und Ethikfragen, politische und autobiografische Lieder, Liebeslieder, Lieder zur Kunstauffassung und -ausübung.

Das Verzeichnis mit Büchern von Autoren des 13. Jahrhunderts, das der Münchner Patrizier Jakob Püterich von Reichertshausen (um 1400-1469) in seinem Ehrenbrief für die literarisch interessierte Pfalzgräfin Mechthild von Rottenburg (1419-1482) zum Besten gibt, kann nicht zuletzt als Nachhall der klassischen mittelhochdeutschen Epik im Bayern des 15. Jahrhunderts gewertet werden. Darüber hinaus gilt der Ehrenbrief als wichtiges Dokument für die Wirkungsgeschichte der deutschen höfischen Literatur: Erstmals wird deutsche Dichtung zum Gegenstand von Reflexionen zu ihrer Qualität und Echtheit.